"Schockierender Mord": Gedenken an von den Nazis ermordeten 10-Jährigen in München

Sendling - Am Donnerstag, bei der großen BR-Aktion "Die Rückkehr der Namen" wurde schon an ihn erinnert. An diesem Montag nun ist nun ein sogenanntes Erinnerungszeichen für das Münchner Euthanasie-Opfer Wilhelm Gögel mitten in Untersendling enthüllt worden. Die Erinnerungszeichen sind die Münchner Alternative zu den "Stolpersteinen", jenen Messingtafeln auf dem Gehweg, die vor den ehemaligen Wohnorten von NS-Opfern an deren Schicksal erinnern – auch in München, aber hier nur auf privatem Grund.
Auf öffentlichen Flächen hat die Stadt sich für eine Alternative entschieden, bewusst auf Augenhöhe, mit Tafeln an den Hauswänden oder an Stelen davor – über die niemand unachtsam hinwegtrampelt. Eine solche Erinnerungsstele wurde am Montag für Wilhelm Gögel an der Aberlestraße 42 angebracht.
Der 10-jährige Wilhelm Gögel wurde 1943 in München-Haar ermordet
Wilhelm Gögels Geschichte ist eine, die einen erschaudern lässt – und die es wert ist, wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken. Daheim in Untersendling. Und darüber hinaus.
Wilhelm Gögel wurde am 1. November 1932 in München geboren, so wird die Geschichte nun vom Kulturreferat der Stadt öffentlich gemacht. Tagsüber sei seine alleinerziehende Mutter arbeiten gegangen und Willi wurde von seiner Großmutter betreut. Eine Schule habe er aufgrund einer Behinderung nicht besuchen dürfen. Willi galt für das NS-Regime als "nicht bildungsfähig" und wurde im Oktober 1942 in die "Kinderfachabteilung" der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar eingewiesen. Am 15. April 1943 wurde er dort mit überdosierten Medikamenten ermordet.
Wilhelm Gögels Cousine Trudy Creighton hat das Erinnerungszeichen 2023 beantragt. Sie sagt, sie habe als Kind gespürt, dass "etwas Unvorstellbares" geschehen sein musste.
Trauer und Dankbarkeit: Gedenken an Willi Gögel in München
Erst als sie 2017 das Familiengrab übernommen hat, erfuhr sie aus den Friedhofsunterlagen, dass auch ihr Cousin im Familiengrab beigesetzt worden war. Wie in vielen Familien mit grausamen Geschichten aus der NS-Zeit hatte davon nie wieder jemand gesprochen – obwohl die Verwandten unzählige Male gemeinsam an diesem Grab standen.
Nun aber haben sie einen Ort zum gemeinsamen Erinnern. Trudy Creighton sagte am Dienstag vor Ort der AZ: "Mein Bruder und ich sind öfter in dem Haus Aberlestraße 42 gewesen und haben Willi gesehen und erlebt. Im Alter von zehn Jahren war er verschwunden – ohne dass wir wussten, was mit ihm ist." Nun stehe sie vor diesem Haus, traurig, "aber auch dankbar, weil es ein würdiges Erinnerungszeichen für unseren Willi gibt."
Zur Einweihung der Tafel kamen auch Bezirksausschuss-Chef Markus Lutz (SPD) und Grünen-Stadtrat David Süß. Beide zeigten sich persönlich betroffen von der Geschichte. Süß sprach von einem "schockierenden Mord". Lutz sagte: "Servus, Willi, schön, dass du wieder da bist – und wir dir gedenken können."