Schockanrufe in Bayern: 2024 haben Betrüger schon vier Millionen Euro erbeutet

Die Zahlen des Bayerischen Landeskriminalamts zeigen, dass der Callcenter-Betrug mit Schockanrufen und Enkeltrick weiter eine beliebte Masche ist. Aber die Statistik lässt auch hoffen.
von  AZ
Viele Senioren werden Opfer von Telefonbetrug, sei es nun beim Enkeltrick oder mittels eines Schockanrufs. (Symbolbild)
Viele Senioren werden Opfer von Telefonbetrug, sei es nun beim Enkeltrick oder mittels eines Schockanrufs. (Symbolbild) © imago/Fotostand

München - Ob es sich nun um einen angeblichen Einbruch oder einen tödlichen Verkehrsunfall handelt – die Täter geben sich als Polizeibeamte aus und belügen ihre Opfer schamlos am Telefon. Der in großem Stil organisierte Callcenter-Betrug bringt vorwiegend ältere Menschen im schlimmsten Fall um ihr gesamtes Erspartes. Die AZ hat die aktuellen Zahlen des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA).

Tochter angeblich bei Verkehrsunfall getötet: Münchnerin zahlt mehrere Zehntausend Euro

Ein aktuelles Beispiel aus München zeigt, mit welchen perfiden Tricks die Betrüger arbeiten, wie sie die Opfer massiv unter psychischen Druck setzen und letztlich dazu bringen, hohe Bargeldbeträge oder auch Wertgegenstände an ihnen völlig unbekannte Menschen zu übergeben.

Anzeige für den Anbieter X über den Consent-Anbieter verweigert

Im Falle der 59-jährigen Münchnerin behauptete die Stimme am Telefon, dass ihre Tochter bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet habe und eine Kaution von mehreren Zehntausend Euro die Haft abwenden könne. Was die Frau nicht ahnte: Es handelte sich um einen sogenannten Schockanruf eines angeblichen Polizisten. 

Betrügerische Anrufe sind laut BLKA ein "bayernweit auftretendes Phänomen" 

Wie die Polizei weiter berichtete, hob die Frau Geld ab, holte Schmuck aus ihrem Schließfach und übergab beides am Stachus dem bis dato unbekannten Täter. Erst später wurde die 59-Jährige misstrauisch und verständigte die Polizei.

"Grundsätzlich ist dieses betrügerische Vorgehen ein bayernweit auftretendes Phänomen, das in allen Regionen registriert ist", teilte das Bayerische Landeskriminalamt auf AZ-Anfrage mit: "Für das Jahr 2024 liegen die regionalen Schwerpunkte aktuell in Nürnberg und Augsburg, während für das Jahr 2023 Nürnberg und München betroffen waren."

Enkeltrick und Schockanruf 2023 in Bayern: BLKA vermeldet 13,5 Millionen Euro Schaden

Was die Fallzahlen bei den betrügerischen Telefonaten – also Enkeltrick und Schockanruf – anbelangt, gab es im vergangenen Jahr den Angaben zufolge mehr als 13.500 Anzeigen und über 600 Vollendungen. Die Schadenssumme betrug per anno mehr als 13,5 Millionen Euro.

Im Zeitraum vom 1. Januar bis 24. März 2024 weist die BLKA-Statistik mehr als 5500 Anzeigen (über  200 Vollendungen) und über sechs Millionen Euro Schaden aus. 

Trend besteht weiter, aber Fallzahlen und Schadenssumme sinken

Im Vergleichszeitraum 1. Januar bis 24. März 2024 zählt das BLKA mehr als 1800 Anzeigen (über 100 Vollendungen) und fast vier Millionen Euro Schaden. Von einer Entwarnung kann also keine Rede sein, und doch ist das eine gute Nachricht: Sowohl die Fallzahlen als auch die Schadenssumme sind deutlich gesunken.

Am 19. März täuschten Telefonbetrüger in Randersacker im Landkreis Würzburg eine Seniorin und brachten sie um ihr Erspartes. Ein männlicher Anrufer hatte zunächst behauptet, dass der Sohn der Geschädigten einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe und nun eine Kaution hinterlegen müsse.

Aufklärungsquote bei Schockanrufen: BLKA hat "keine validen Daten"

Die Angerufene ahnte nicht, dass sie Betrügern aufgesessen war und erklärte sich dazu bereit, das Geld zur Verfügung zu stellen und übergab einen niedrigen fünfstelligen Betrag an eine weibliche Abholerin.

Zur Aufklärungsquote konnte das BLKA der AZ keine Auskunft geben. "Aufgrund von laufenden Ermittlungen/Verfahren in diesem Deliktsbereich kommt es im Vorgangsverwaltungssystem IGVP kontinuierlich zu Datenänderungen. Aus diesem Grund lassen sich hierzu keine validen Daten generieren", hieß es.

Kampagne der Polizei: Ermittler setzen auf Prävention

Die bayerische Polizei setzt bei den genannten Delikten mit Blick auf die weiterhin hohen Fallzahlen, den damit verbundenen finanziellen Schaden und die psychischen Folgen für die Betroffenen verstärkt auf Prävention.

"Leg' auf" heißt beispielsweise die Kampagne des Polizeipräsidiums Unterfranken: Sie soll insbesondere ältere Menschen und deren Angehörigen über die Phänomene wie "Enkeltrickbetrug" und "Falsche Polizeibeamte" informieren und die Menschen sensibilisieren.

Das sind die wichtigsten Verhaltenstipps der Polizei

• Legen Sie auf. Wählen Sie selbst die Notrufnummer 110 und fragen bei der Polizei nach einem entsprechenden Einsatz bzw. ob tatsächlich Verwandte in Not sind.
• Die Polizei weist Sie niemals an, Geld oder Schmuck zu Hause zur Abholung bereit zu legen oder an Abholer zu übergeben.
• Übergeben Sie keine Geldbeträge an Fremde. Auch die Polizei holt bei Ihnen an der Haustüre keine Wertsachen ab, um sie in Verwahrung zu nehmen.
• Die Täter können mittels Call ID-Spoofing jede von Ihnen gewünschte Rufnummer auf dem Telefondisplay anzeigen lassen. Bei der echten Polizei erscheint niemals die 110, auch nicht mit Vorwahl.
• Sprechen Sie mit Ihren Freunden, Nachbarn und Verwandten über das Phänomen.


Das Bayerische Landeskriminalamt weist darauf hin, dass der polizeiliche Datenbestand aus dem Vorgangsverwaltungssystem IGVP als Datenquelle für die genannten Fallzahlen diente: "Dieses System basiert grundsätzlich auf einem dynamischen Datenbestand. Auswertungen und Analysen geben damit stets nur den aktuellen Erfassungsstand zum Zeitpunkt der Abfrage wieder, der sich auch auf rückwirkende Zeiträume durch laufende Ermittlungen und Qualitätssicherungsmaßnahmen kontinuierlich ändern kann. Gleichwohl lassen sich anhand der jeweiligen Ergebnisse Tendenzen feststellen und zueinander in ein Verhältnis setzen."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.