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Schock Hochhaus-Stopp in München: Als Ude ein Glas Wein exte

2004 entscheiden die Münchner denkbar knapp gegen neue Hochhäuser. Ein Streit der Generationen in der SPD – der die Stadt bis heute prägt.
Felix Müller
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Der Uptown-Tower gilt seit 2004 als ein Beispiel, wie sich die Stadt nicht entwickeln soll. Im Vordergrund ein Schreiben des Stadtrats.
Der Uptown-Tower gilt seit 2004 als ein Beispiel, wie sich die Stadt nicht entwickeln soll. Im Vordergrund ein Schreiben des Stadtrats. © picture-alliance / dpa/dpaweb

Christian Ude sprachlos? Sowas gibt es nicht oft. Aber einmal hat der langjährige AZ-Rathausreporter Willi Bock es doch erlebt. Am 21. November 2004 beobachtete Bock wie so häufig den Oberbürgermeister. Im Rathaus warteten sie auf erste Ergebnisse des Bürgerentscheids zur Frage, ob Hochhäuser in München noch höher als 99 Meter gebaut werden dürfen - wie Ude es wollte.

Er habe noch das Bild vor Augen, wie ein Zettel hereingebracht wurde, auf dem die Ergebnisse der Briefwahl standen, erzählt Bock – mit denen der Entscheid für Ude nicht mehr zu gewinnen war. Jemand habe Ude ein Glas Rotwein eingeschenkt, sagt Bock. Der habe es einfach geext und nichts gesagt. Diese Niederlage habe Ude "wahnsinnig geschmerzt", sagt Bock. Es sei ein Schlag ins Kontor für die ganze Stadtplanung gewesen.

Verlierer am Wahlabend: Christian Ude.
Verlierer am Wahlabend: Christian Ude. © AZ-Archiv

Ude und die SPD hatten die Stimmung in München falsch eingeschätzt

Christian Ude und seine SPDler hatten die Stimmung in der Bevölkerung ganz falsch eingeschätzt. Sie waren siegesgewiss, obwohl Udes Vorgänger Schorsch Kronawitter und viele andere SPDler anderer Meinung waren. Kronawitter selbst hatte das Bürgerbegehren gegen die von ihm so verachteten "Vierkantbolzen", die neuen Hochhäuser der Stadt, gestartet.

Sieger am Wahlabend: Georg Kronawitter.
Sieger am Wahlabend: Georg Kronawitter. © AZ-Archiv

Willi Bock sagt im Rückblick: "Das war eine Auseinandersetzung Jung gegen Alt. Es war in der SPD ein Kampf der Alten und Unzufriedenen gegen die Hochhäuser. Ude hat die hohe Emotionalität des Themas total unterschätzt."

Kronawitter machte noch einmal große Stadtpolitik

Und Kronawitter? Den habe der Wunsch getrieben, dass von ihm auch etwas bleiben solle – so, wie von Hans-Jochen Vogel, der als OB die Olympischen Spiele in die Stadt geholt hatte. Kronawitter also machte noch einmal große Stadtpolitik – obwohl er schon mehr als zehn Jahre nicht mehr OB war.

Geschafft: Georg Kronawitter (links) bei der Übergabe der Unterschriften des Bürgerbegehrens.
Geschafft: Georg Kronawitter (links) bei der Übergabe der Unterschriften des Bürgerbegehrens. © imago/Reinhard Kurzendörfer

Und war damit sehr erfolgreich. Nach dem knappen Sieg – 50,8 Prozent bei gerade einmal 21,9 Prozent Wahlbeteiligung – wurden die großen Bauvorhaben Siemens-Hochhaus im Süden und SZ-Hochhaus im Osten geschrumpft, bis heute ist kein Haus mehr in der Stadt gebaut worden, das mehr als 99 Meter hoch ist.

SPD beim Thema Hochhäuser ein "gebranntes Kind"

Kronawitter jubelte über die "Watschn für den Stadtrat" – und wohl auch ein bisserl über die Watschn für seinen Nachfolger. Dass Ude heute sagt, das persönliche Verhältnis zu Kronawitter habe nie gelitten, mag Bock, der Experte für die Stadtpolitik der Nullerjahre, auf jeden Fall nicht so recht glauben.

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Ude selbst spricht im Rückblick davon, dass die SPD beim Thema ein "gebranntes Kind" sei.

Deshalb tue sie sich mit einem neuerlichen Bürgerentscheid schwerer als die anderen Parteien. Ein bisserl hörte man ihm im AZ-Interview vor ein paar Wochen den Schmerz immer noch an. Doch Ude sagt auch, er könne inzwischen besser verstehen, dass es eine Abwehr gegen neue Hochhäuser gibt. Ganz anders als damals, als nur noch ein Glas Rotwein half.

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13 Kommentare
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  • tutnixzursache am 13.07.2022 12:28 Uhr / Bewertung:

    "50,8 Prozent bei gerade einmal 21,9 Prozent Wahlbeteiligung"
    Sind nicht "die Münchner" sondern eine Minderheit von gerade mal 10 Prozent. Meiner Meinung nach dürfen Bürgerentscheide erst dann Gültigkeit erhalten, wenn mindestens 50,1% der Wahlberechtigten überhaupt zur Abstimmung gehen. Denn wenn man es nicht einmal schafft, eine Mehrheit überhaupt zur Abstimmung zu bewegen, dann ist das Anliegen nicht wichtig genug um es am Parlament (hier Stadtrat) vorbei zu entscheiden.

  • Zawusel am 13.07.2022 12:12 Uhr / Bewertung:

    Ich habe überhaupt nichts gegen Hochhäuser - nur gegen hässliche Hochhäuser.

  • MUC am 13.07.2022 10:02 Uhr / Bewertung:

    Nicht so viel Blabla...wieder abstimmen und guad is...

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