Schnupftabak: Ist der Schmalzler in Gefahr?

Der Schnupftabak ist in Gefahr! Das fürchtet zumindest der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur – weil eine EU-Verordnung im kommenden Jahr für die Schnupfer einiges verändern wird.
von  Text und Interview: Eva von Steinburg
Hier ist Technik gefragt: Ein Teilnehmer der letzten Schnupfweltmeisterschaft.
Hier ist Technik gefragt: Ein Teilnehmer der letzten Schnupfweltmeisterschaft. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

München – Was zählt, ist der Genuss hinterher, so wirbt Pöschl für seine Prise. Das Traditionsunternehmen aus Geisenhausen hat vier Sorten erdigen Schmalzler im Angebot – und über 20 Sorten fein gemahlenen, aromatisierten Snuff – am bekanntesten ist die „Gletscherprise“ in der blauen Dose mit dem „P“ im Achteck.

Doch der bayerische Exportschlager ist in die Fänge der Bürokratie geraten. Die EU will Jugendliche davon abhalten, Tabak jeglicher Art zu konsumieren: Ab Mai 2016 sind jegliche Angaben zum Aroma auf der Packung verboten – wie zum Beispiel Südfrucht oder Cherry. Schnupftabak könnte daraufhin vom Markt verschwinden. Obwohl ausgerechnet der weniger als Einstiegsdroge gilt als die Zigarette.

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Der „Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur“ (VEBWK) ist deshalb alarmiert. Hier hat der gute, alte Schmalzler treue Fans. Diese wissen auch: Die Kunst beim Schnupfen ist eine winzig kleine Dosis (0,05 bis 0,1 Gramm) auf den linken Handrücken geben – rechtes Nasenloch zuhalten, sachte aufschnuppern.

So kann sich die Wirkung der Aromen und des Nikotins bis zum „Hatschi“ entfalten. Wer zu heftig schnupft, jagt sich die Ladung bis in den Rachen – eine bisweilen unangenehme Erfahrung. Das Pulver kann höllisch brennen, aus den Augen schießt das Wasser. Manchen gefällt aber gerade der Exzess. In Online-Videos pfeifen sich Männer mittels einer „Automatikbox“ eine Riesendosis rein. Eine bisweilen schmerzhafte Geschichte, an der das Schöne die Erleichterung hinterher sein muss.

„Eine Prise für die EU – macht einen klaren Blick“

Jeder wie er mag, leben und leben lassen – genau dafür plädiert in der Schnupftabak-Aroma-Frage der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur: „Die Gesellschaft hat die ewigen Verbotsandrohungen satt. Man muss lediglich die missionierenden Tabakgegner fernhalten und der bürgerlichen Vernunft wieder mehr Glauben schenken“, schreibt der VEBWK. Ironischer Vorschlag inklusive: Man möge der EU eine Prise Schnupftabak verabreichen – „der wirkt ja befreiend und macht einen klaren Blick.“

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AZ-Interview: „Das ist so, als wenn Sie Joghurts ohne Etikett kaufen“

 

Patrick Engels

Der 39-Jährige ist geschäftsführender Gesellschafter bei Pöschl, dem weltgrößten Schnupftabakhersteller. Seit 2008 stellt die Firma auch Zigaretten her („Pueblo“)

 

Der Chef des größten Schmalzler-Herstellers ist (natürlich) gegen die EU-Verordnungen. Ein Gespräch über Tabak, Gesundheit und Schock-Fotos.

Der Schmalzler heißt Schmalzler, weil früher in Bayern Butterschmalz den Schnupftabak geschmeidig hielt. Jetzt bangt Pöschl, ein mittelständisches Familienunternehmen bei Landshut, um sein bayerisches Schnupf-Produkt – und um 113 Jahre Tradition.

Die AZ sprach mit Pöschl-Chef Patrick Engels (39).

AZ: Die strenge EU bringt ab 2016 angeblich die bayerische Schmalzler-Kultur in Gefahr. Sind Sie nervös, Herr Engels?

PATRICK ENGELS: Ich mache mir große Sorgen um unseren Schnupftabak. Der gehört zu Bayern wie der weiß-blaue Himmel und das Bier. Schnupfen ist eine Lebensart. Wer sich auf dem Viktualienmarkt am Biergartentisch einmal umsieht, erkennt: Diskret und genussvoll konsumiert der Bayer seinen Schnupftabak.

Oder die moderne Variante, von der Sie über 200 Tonnen im Jahr verkaufen – den fein pulverisierten Snuff mit Mentholgeschmack?

Snuff und Schmalzler bedeuten rauchfreien Genuss, der niemanden stört. Im Restaurant, bei der Arbeit, am Bahnhof oder im Kino ist Schnupfen möglich. Die meisten Konsumenten sind Männer über 30.

Südfrucht oder Menthol mit Columbia-Öl werden bald nicht mehr als Aroma-Angabe erlaubt sein. Eine neue EU-Regelung verbietet ab Mai 2016, die Geschmacksrichtung zu nennen. Weil das den Tabakgeschmack übertüncht und Tabak so für Jugendliche attraktiv macht.

Wenn wir das Aroma nicht mehr nennen dürfen, wird es wesentlich schwieriger für Händler und Verbraucher. Das ist, als ob Sie in den Supermarkt gehen und Joghurts ohne Etikett kaufen. Erst bei Tisch erfahren Sie, ob sie nun Erdbeer- oder Kirschjoghurt erwischt haben. Das macht doch überhaupt keinen Sinn.

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Lassen Sie uns auch über die Neuerungen bei Zigaretten sprechen: Hier wird in Zukunft das Info-Wapperl verboten mit den wichtigen Angaben zu Teer- und Nikotingehalt. So will Brüssel verhindern, dass Jugendliche denken, eine Zigarettensorte sei gesünder, als die andere.

Der Mensch will doch wissen, was er raucht. Es ist absurd, mündigen Bürgern diese Informationen vorzuenthalten. Auch unser Hinweis, dass die Pappe, aus der unsere Zigarettenschachteln hergestellt sind, aus nachhaltigem Anbau stammt, muss gestrichen werden. Denn das macht Rauchen in den Augen der EU zu attraktiv. Alle weiteren Infos zum Produkt werden verboten.

Sie plädieren dafür, dass bei der anstehenden Übertragung von EU-Recht auf die deutsche Gesetzgebung einiges überdacht wird.

Tabak ist etwas für Erwachsene. Trotzdem meint der Staat, sich massiv bei über 18-Jährigen einmischen zu müssen. Rauchen ist sicher nicht gesundheitsförderlich. Aber wo soll das enden? Was ist zum Beispiel mit Alkohol, Zucker und fettigem Essen?

Was ärgert Sie am meisten?

Dieses Brüsseler Bürokratie-Ungetüm vernichtet Geld. Ich fürchte, dass wir über Investitionen im zweistelligen Millionenbereich reden – alleine für Pöschl: Im ersten Schritt müssen wir jedoch fast 400 Packungs-Designs anpassen: Sie mit Warnhinweisen und Horrorbildern versehen.

Das Ziel der EU ist doch vernünftig und gut: Jugendliche vom Rauchen abzuhalten.

So wird das nicht erreicht, meine ich. Denn so werden Zigaretten noch teurer. Als Folge davon blüht der Schwarzmarkt. Oftmals kommen jetzt schon riesige Mengen gefälschter Zigaretten aus Polen und Tschechien. Sie unterliegen nicht den strengen deutschen Kontrollmechanismen, insofern weiß kein Mensch, was wirklich enthalten ist. Sie können beispielsweise aus minderwertigem Tabak sein – oder Heu enthalten. In Berlin stammen derzeit 43,8 Prozent der gerauchten Zigaretten aus Schmuggel – in anderen Regionen noch deutlich mehr, bis zu 70 Prozent. Das Päckchen kostet 2,50 Euro – ungefähr die Hälfte.

Die Einführung von Schockbildern, die 65 Prozent der Verpackungsoberfläche von Zigaretten bedecken, ist beschlossene Sache: Leichen, Krebsgeschwüre, schwarze Lungen und Füße, um einige der härtesten Motive zu nennen. Das ist doch ehrliche Aufklärung, oder?

Diese Horrorbilder finde ich ganz schlimm. Insgesamt gibt es 36 dieser Motive. Sie sind eine Belastung für den Konsumenten, aber auch für meine Mitarbeiter, die Händler oder auch Kioskverkäufer. Diese Bilder sind wirklich kein spaßiger Anblick.

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