Schneider-Weisse: Brauerei-Legende Georg Schneider wird 90

Georg Schneider wollte Komponist werden, zahlte früh gleichen Lohn an Männer und Frauen - und kennt alle Trinkgewohnheiten der Amerikaner. Heute wird der Senior-Chef von Schneider-Weisse 90 Jahre alt.
von  Jasmin Menrad
Georg Schneider mit seiner Margareta bei der Goldenen Hochzeit 2013. Heute feiert er den 90. Geburtstag.
Georg Schneider mit seiner Margareta bei der Goldenen Hochzeit 2013. Heute feiert er den 90. Geburtstag. © ho

Als sein Lebenswerk von einer Fliegerbombe zerstört wurde, sagte Georg Schneider IV. zu seinem Sohn Georg Schneider V. nur: "Gemma!" Zwei Bombenangriffe in zwei Tagen hatte die Brauerei Schneider-Weisse im Tal überstanden, den Sud hatten Vater und Sohn noch in den Gärkeller gerettet. Doch am dritten Tag des Bombenregens im Juli 1944 wurde die Weißbierbrauerei zerstört - nur das Lokal blieb stehen. Heute ist die Brauerei größer als je zuvor, und heute feiert Georg V. seinen 90. Geburtstag.

"Ich kann nicht garantieren, dass es alles stimmt, denn man schiebt die schlechten Dinge weg und verherrlicht die guten", sagt Georg Schneider V., als die AZ ihn kurz vor seinem 90. Geburtstag trifft.

"An sich brauen wir Schneiders ja sehr gerne"

Eigentlich wollte Georg Schneider V. mit der Tradition seiner Familie brechen. Denn bei den Schneiders übernimmt der älteste Sohn Georg (ja, sie sind durchnummeriert) den Familienbetrieb. Doch Georg V. "hatte andere Flausen im Kopf", wie er sagt und studierte Komposition und Dirigieren am Händelkonservatorium.

"Nach drei Semestern habe ich gemerkt, dass ich die Qualitäten zum Musikmachen nicht habe. Da habe ich mich völlig umgestellt und das gemacht, wozu ich mich verpflichtet habe." Er macht eine Brauerlehre im Hofbräuhaus, studiert in Weihenstephan und promoviert als Brau-Ingenieur.

Ist's nicht auch eine Bürde, ein Georg in der Familie Schneider zu sein? "An sich brauen wir ja sehr gerne", sagt Georg V..


Ein Bierkutscher von Schneider-Weisse 1924. (Foto: ho)

Nach dem Krieg wussten die Schneiders nicht, ob die zweite Produktionsstätte in Kelheim ebenfalls zerstört wurde. Ein Staatsrat nahm Vater und Sohn mit seinem Automobil nach Regensburg mit. Das Problem: Wegen einer Ausgangssperre musste die Zivilbevölkerung um 21 Uhr daheim sein. Georg und Georg Schneider aber liefen die ganze Nacht von Regensburg nach Kelheim und erreichten im Morgengrauen die Stadt. Ihr Weisses Bräuhaus stand noch, der Biergarten ebenfalls. Da setzten sie sich allein hinein.

"Als zwei Amerikaner kamen, wollten wir ihnen erklären, dass wir die Ausgangssperre nicht brechen, weil's ja unser Biergarten ist." Aber die Kaugummi kauenden Soldaten wollten nur fragen, ob's im Bräuhaus "a beer" gäbe. "Wir haben aus Altbeständen zwei Weißbier geholt. Die Amerikaner haben als erstes Salz in ihr Bier geschüttet - damit der Schaum weggeht." Georg Schneider hat diese Geschichte viele Male erzählt, lachen muss er immer noch über die Ami-Trinkgewohnheiten.


Blick aufs Bräuhaus im Tal, 1944. (Foto: ho)

Die Brauerei stand zwar noch. "Aber als ich sie das erste Mal gesehen habe, war sie ein einziger Schrotthaufen." Er investierte, sanierte und kaufte für 30.000 Mark eine Kühlmaschine. Zuvor war das Bier mit Eis gekühlt worden.

Mit den Salzschüttern entwickelte sich eine deutsch-amerikanische Freundschaft, und die Schneiders bekamen die Genehmigung, einen Hefesud herzustellen. Eine Herausforderung: Denn es war schwer, an die Kohle heranzukommen, um die Sudpfanne zu heizen.

1956 trat Georg V. offiziell in das elterliche Unternehmen ein. Da war die Brauerei schon komplett nach Kelheim übergesiedelt - samt einem Münchner Haus, in dem die Münchner Mitarbeiter lebten. In München selbst betreibt die Familie noch das Weisse Bräuhaus im Tal.

"Es muss viel passieren, dass man einen Münchner dazu kriegt, dass er in den Norden geht", sagt Georg Schneider. Er stammt aus einer bekannten Bogenhauser Familie: Die Mutter ist die Tochter des letzten Bogenhauser Bürgermeisters Josef Selmayr.

Familienfeier? Da kommen schnell 200 Leute zusammen

Weiter nördlich aber hat's ihn nie gezogen: "Es ist schwieriger, Hefeweizen nach Norddeutschland als nach Italien zu verkaufen." Ende der 60er Jahre kam ein Italiener mit einem Koffer voll Geld. So viel Geld, dass ein Laster Schneider-Weisse bald in eine Trattoria nach Norditalien fuhr. "Früher hat man direkt an die Wirte verkauft, heute läuft das über Verleger."

1963 heiratete er seine Margareta, die er schon als vierjähriges Madl kannte. Ob's seine Margareta war, die ihm Flausen in den Kopf gesetzt hat, wie "gleicher Lohn bei gleicher Arbeit"? Schon 1970 bekamen Männer und Frauen den gleichen Lohn. Das Ehepaar winkt ab. "Das war nicht schwierig, Frauen haben nur im Abfüllbetrieb und im Büro gearbeitet." Heute hat das Unternehmen rund 100 Mitarbeiter, doch die Senior-Schneiders haben sich aus dem Betrieb zurückgezogen.

Drei Kinder haben sie und acht Enkeltöchter. Zur privaten Geburtstagsfeier in Kelheim kommen 220 Verwandte. "Weihnachten war heuer ungeheuerlich bei uns, als alle Kinder mit den Enkeln da waren", und man merkt, dass Georg V. mit ungeheuer etwas ungeheuer Schönes meint.

Sein ältester Sohn heißt übrigens Georg, Georg VI., um genau zu sein. Er hat die Brauerei im Jahr 2000 übernommen.

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