Schmuggelware beim Frauenarzt

Eine Bande verkauft von Oberfranken aus nicht zugelassene Verhütungsspritzen an knapp 300 Gynäkologen, unter anderem auch an Münchner Mediziner. So lief der Handel ab.
Thomas Gautier |
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Knapp 50000 solcher Ampullen haben Schmuggler in Tüten und Kartons aus der Türkei nach Bayern geschafft.
Zoll Knapp 50000 solcher Ampullen haben Schmuggler in Tüten und Kartons aus der Türkei nach Bayern geschafft.

München - Die erste Lieferung kommt im April 2008. Ein Mann steigt an einem Autobahnrastplatz bei Nürnberg aus seinem Lastwagen und drückt einer Frau eine Plastiktüte in die Hand.

Solche Übergaben gibt es bis 2011 immer wieder auf anderen Parkplätzen. Mal sind’s Tüten, mal Kartons, mal mit 5000, mal mit 10000 Glasfläschchen. So wechseln in vier Jahren insgesamt 48996 Ampullen Depo-Provera den Besitzer. Das Verhütungsmittel auf Hormonbasis der Pharma-Firma Pfizer wird Frauen in den Oberschenkel gespritzt. Dann können sie drei Monate lang nicht mehr schwanger werden.

Praktisch – aber leider nicht erlaubt. Depo-Provera ist in Deutschland nicht zugelassen. 299 Frauenärzten in Deutschland war das egal. Sie verabreichten Patientinnen das Mittel in ihren Praxen – auch in München, sagt Ermittler des Zollfahndungsamts.

Am 5. Dezember 2011 machen die Ermittler dem Treiben ein Ende. Sie nehmen sechs Menschen in Lichtenfels (Oberfranken) fest: Eine Arzthelferin (57), einen Tschechen (33), einen Arbeitslosen (32), eine weitere Arzthelferin (37), eine Frisörin (28) und eine Yoga-Lehrerin (22). Dazu stellen sie 1250 Ampullen sicher. Die 57-Jährige ist der Kopf der Bande. Und „keine Unbekannte in dieser Hinsicht“, sagt Zollfahndungsamtssprecher Christian Schüttenkopf.

Bestellung per Fax, Abholung auf dem Parkplatz

Den Spritzen-Schmuggel hat sie bestens organisiert: Die Ampullen stammen aus der Türkei. Lkw-Fahrer bringen sie unerlaubt über die Grenze, manche lagern sie einfach in der Fahrerkabine. Die Bande lagert die Ware in Lichtenfel. Den Vertrieb übernimmt aber der 33-Jährige über eine Briefkastenfirma in Tschechien. Die Frauenärzte bestellen die Ampullen per Internet-Fax beim angeblichen Immobilienunternehmen. Dann übernehmen die Lichtenfelser den Versand. In manchen Fällen läuft das Geschäft persönlich ab: Ein Arzt nimmt auf einem Autobahnrastplatz 862 Stück entgegen. Er zahlt bar.

Der Preis, den die Schmuggler verlangen, ist fünf Mal höher als im Einkauf. Auf diese Weise machen sie laut Ermittlern 724000 Euro Umsatz. Die Ärzte nehmen von ihren Patientinnen das Zehnfache und kassieren so über eine Million Euro. Schwarz, versteht sich.

Die Verhütungs-Verbrecher sind mittlerweile auf freiem Fuß – aber nur gegen „hohe Auflagen“, wie die Staatsanwaltschaft Hof mitteilt. Sie hat Anklage wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz erhoben, der Prozess beginnt wohl Anfang 2013. Die Frauen, die das Artzney erhielten, seien nicht gefährdet.

Die Frauenärzte werden sich wegen Steuerhehlerei verantworten müssen. Ihnen sei bewusst gewesen, dass es nicht mit rechten Dingen zugehe, sagt Zollfahndungsamtssprecher Christian Schüttenkopf: „Sie haben das Artzney ja nicht in der Apotheke gekauft.“

 

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