Schmerzensgeld-Prozess in München - Sohn: "Mein Vater litt zu lange"

Vom Hausarzt verlangt er Schmerzensgeld und Schadenersatz, weil der bei seinem schwerkranken Patienten die künstliche Ernährung angeordnet hatte.
von  J. Schneider
Heinrich S. im Landgerichtsgebäude am Lenbachplatz: Er fordert Schmerzensgeld vom Hausarzt seines verstorbenen Vaters.
Heinrich S. im Landgerichtsgebäude am Lenbachplatz: Er fordert Schmerzensgeld vom Hausarzt seines verstorbenen Vaters. © jot

München - Es geht um Leben und Tod – und viel Geld. Heinrich S. (57) will 150.000 Euro vom Hausarzt seines Vaters einklagen. Der Grund: Der Mediziner habe den Münchner Senior unnötig lange leiden lassen. Für die jahrelange künstliche Ernährung seines schwerkranken und dementen Vaters verlangt der Sohn nun Schmerzensgeld und Schadenersatz.

Prozess könnte Präzedenzfall werden

Sein Vater, der sich aufgrund einer neurologischen Erkrankung auch nicht mehr bewegen konnte, war von 2006 an über eine Magensonde ernährt worden. Spätestens ein Jahr vor seinem Tod sei das nicht mehr fachärztlich angemessen gewesen, argumentiert der Sohn. Der Mann war am 8. Oktober 2011 im Alter von 82 Jahren gestorben. Eine Antibiotika-Behandlung hatte nicht mehr angeschlagen.

Für Krankenpfleger Heinrich S. war dieser Zeitpunkt zu spät. Er hatte schon vor dem Tod seines Vaters versucht, die künstliche Ernährung zu stoppen – ohne Erfolg. Anwalt Wolfgang Putz über die bundesweite Bedeutung der Klage seines Mandanten: „Mit dem Prozess möchte er erreichen, dass erstmals ein Arzt dafür haften muss, dass er ohne Indikation, also gegen die Regeln der ärztlichen Kunst, eine lebensverlängernde Behandlung über Jahre durchführte, die den Vater quälte und an einem erlösenden Tod hinderte.“

Gericht fragt nach Willen des Kranken

Putz listet in der Klage eine ganze Reihe von Leiden des Mannes auf: von Atemnot bis Druckstellen. Die künstliche Ernährung sei nicht mehr gerechtfertigt gewesen, sondern habe das Leiden nur verlängert. Doch dieser Meinung sind nicht alle. Ein Gutachter sagt im Prozess, dass es zwar keine Aussicht auf Besserung gegeben habe. „Trotzdem würde man in so einem Zustand nicht sagen: Das ist überhaupt nicht lebenswert.“

Eine wichtige Frage für das Gericht: Ist damals auch ausreichend versucht worden, den mutmaßlichen Willen des Mannes zu erkunden?

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