"Schluss mit Umweltschutz": Feuerwerksverbot in München – was ist daraus geworden?

Vor fünf Jahren brachte eine Bürgerinitiative die Mehrheit der Bürgerversammlungen hinter sich – für ein Verbot von privatem Silvesterfeuerwerk in München. Aber was ist aus dem Vorstoß geworden? Die AZ hat nachgefragt.
von  Helena Ott
Für manche ist es ein romantisches Spektakel, für andere ist es hauptsächlich Lärm, Rauch und Dreck. Die Idee eines stadtweiten Verbotes ist 2019 gescheitert.
Für manche ist es ein romantisches Spektakel, für andere ist es hauptsächlich Lärm, Rauch und Dreck. Die Idee eines stadtweiten Verbotes ist 2019 gescheitert. © imago

München - Fünf Jahre, nachdem sie durch sämtliche Bürgerversammlungen in den Stadtvierteln gezogen sind, erinnert sich Alexander von Dercks gerne an die Bürgerinitiative "Silvesterböller? Nein Danke", die er gemeinsam mit Jürgen Schmoll ins Leben gerufen hatte. Am Ende war das Ergebnis enttäuschend. "Ich bin schon frustriert, dass wir es nicht weitergeschafft haben – die Zustimmung in der Bevölkerung war ja groß", sagt der 70-jährige kurz vor Jahreswechsel am Telefon.

Alexander von Dercks (70) mobilisierte gegen Böller.
Alexander von Dercks (70) mobilisierte gegen Böller. © privat

Aber was ist passiert mit dem Vorstoß? Was ist mit den Anträgen mehrerer Bezirksausschüsse und der Grünen-Stadtratsfraktion? Was mit der Petition, für die Dercks und Schmoll 6.000 Unterschriften gesammelt hatten. Nicht viel: 2023 ist privates Feuerwerk nur zwischen Stachus und Marienplatz verboten. Und es gibt ein Böllerverbot innerhalb des Mittleren Rings. Es ist ein arg zusammengestutztes Verbot – nicht das, was Jürgen Schmoll und Alexander von Dercks im Sinn hatten.

In der Fußgängerzone, zwischen Stachus und Marienplatz, ist in der Silvesternacht jegliche Pyrotechnik verboten.
In der Fußgängerzone, zwischen Stachus und Marienplatz, ist in der Silvesternacht jegliche Pyrotechnik verboten. © W.M.Weber/imago

Die Bilanz des Silvester-Feuerwerks 2023 in München

Was für die einen eine geliebte Tradition ist, ist für die anderen im Wesentlichen Krach und Dreck. Nach einer zweijährigen Pause qua Viruslast und Abstandsgeboten wurde in der zurückliegenden Silvesternacht wieder fast so viel geböllert wie vor Corona. Am nächsten Morgen musste die Straßenreinigung 47 Tonnen Müll; Flaschen, verschmorte Böller und Raketen beseitigen. Das waren zwar 20 Tonnen weniger als im Rekordjahr 2019, aber auch 15 Tonnen mehr als 2021.

Auf die Männer der Stadtreinigung wartet am Neujahrstag immer ein Großeinsatz. Manchmal auch gesprengte Abfalleimer und Tonnen.
Auf die Männer der Stadtreinigung wartet am Neujahrstag immer ein Großeinsatz. Manchmal auch gesprengte Abfalleimer und Tonnen. © W. M. Weber/imago

Der Unmut über privat gezündete Batterien, Raketen und Böller rührt hauptsächlich von deren Umweltbilanz. Der Umweltschutz ist auch der Grund, der Alexander von Dercks und Jürgen Schmoll 2018 mobilisierte. In einer Silvesternacht würden so viel Feinstaub in die Luft gepustet, wie in einem Monat im gesamten Münchner Straßenverkehr. "Es entstehen bergeweise Sondermüll, auch an den Isarauen und in Parks", sagt von Dercks. Und der Krach sei sowohl für Haustiere, Nutztiere, Zootiere oder Wildtiere jedes Jahr enormer Stress.

Mehrere Bezirksausschüsse hatten das Anliegen der Petitionsführer unterstützt und wie die grüne Stadtratsfraktion entsprechende Anträge im Stadtrat gestellt. Die Unterschriftenlisten lagen vor. Das Vorhaben gewann Mehrheiten in fast allen Bürgerversammlungen, die in jedem der 25 Stadtbezirke einmal im Jahr stattfinden und in denen Bürger Anliegen für ihre Bezirke vorbringen dürfen. Die beiden Petitionsführer haben ihr Vorhaben dort vorgestellt.

Feuerwerksverbot in München? "Jetzt kann nur noch Innenministerin Nancy Faeser helfen"

Doch dann kam aus der Stadtverwaltung die ernüchternde Nachricht: Die Stadt sei rechtlich nicht befugt: Privates Böllern und Raketenschießen regelt das Bundessprengstoffgesetz (SprengG). Eine Verordnung, die das Bundesinnenministerium verantwortet und ändern kann. Aber keine Kommune kann für sich einfach lockerere oder schärfere Regeln erlassen. Mit einem Mal waren alle Bemühungen zunichte.

Aber es gibt Einschränkungen. Das Bundesgesetz untersagt bereits deutschlandweit Feuerwerke und Raketen "in unmittelbarer Nähe" von Kirchen, Krankenhäusern, Pflege- und Kinderheimen zu zünden. Außerdem lässt es den Kommunen die Möglichkeit vulnerable historische Gebäude zu schützen und eben Böller in dicht gebauten Gebieten zu untersagen – wie es in München bereits angewendet wird.

Aber in dem Gesetzestext steht kein Wort zu Flüssen, Wäldern oder Parks. Bei der Pyrotechnik ist der Umweltschutz nicht richtig angekommen, kein Wunder, bei einem Gesetz, das vor 45 Jahren verabschiedet wurde.

Alexander von Dercks ärgert die Argumentation von Feuerwerksbefürwortern langsam. Er wolle niemandem die persönliche Freiheit absprechen, sagt der Jurist. "Aber wenn etwas gleichzeitig massiv in die Freiheit der anderen und Natur und Tieren eingreift, dann hat sie Grenzen." Und sollte deshalb vom Staat auch begrenzt werden. Aber jetzt könnte nur noch Innenministerin Nancy Faeser helfen.

Er und sein Mitstreiter Jürgen Schmoll hatten sich vor etwa zwei Jahren damit abgefunden, dass es auf kommunaler Ebene nichts mehr wird. Seither haben sie auch die Arbeit an der Bürgerinitiative eingestellt.

Münchner CSU-Politiker Clemens Baumgärtner spricht sich für eine Lasershow aus

Ginge es nach Clemens Baumgärtner (CSU), dann gäbe es in der Silvesternacht eine große Licht- und Lasershow nach dem Vorbild anderer internationaler Großstädte. "Das wäre ein toller zusätzlicher Anziehungspunkt für uns", sagt der Wirtschaftsreferent. "Aber von Verboten halte ich nichts", sagt er. Will heißen, dass jeder trotzdem sein privates Feuerwerk abbrennen könne. Doch Baumgärtner hatte für das Vorhaben keinen Etat vom Stadtrat bewilligt bekommen, er will sich jetzt dafür einsetzen, dass die Show Silvester 2024 kommt.

Die grüne Stadtratsfraktion findet eine zentrale Licht- und Lasershow eine gute Idee. "Aber wenn, dann natürlich als Ersatz für privates Feuerwerk in der Stadt", heißt es aus der Fraktion. Aber auch dazu seien sie auf eine Gesetzesänderung in Berlin angewiesen. Entweder müsste das Innenministerium das Sprengstoffgesetz selbst verschärfen oder es müsste Kommunen darin den entsprechenden Handlungsspielraum einräumen, selbst Verbote zu erlassen.

Tierpark-Direktor Rasam Baban bittet um Rücksichtnahme

Neben der Belastung für die Natur, Tiere und die entstehenden Müllberge, nennt die grüne Fraktion auch die angespannte Lage in den Notaufnahmen. Durch viel Alkoholkonsum und Feuerwerksgebrauch entstünden Verletzungen, die die Notaufnahmen zusätzlich unter Druck setzen würden.

Für die Tiere im Tierpark Hellabrunn sei der Jahreswechsel purer Stress, sagt Direktor Rasem Baban. Vor der Silvesternacht sperrten die Pfleger alle Tiere in ihre Häuser zurück, um sie vor dem Lärm zu schützen. "Wir versuchen sie mit genügend Futter möglichst abzulenken", sagt Baban.

Der Direktor vom Tierpark Hellabrunn, Rasem Baban.
Der Direktor vom Tierpark Hellabrunn, Rasem Baban. © dpa

Neben den Zebras, Tigern, Giraffen und anderen Tieren sorge er sich auch um die Foliendächer mancher Tierhäuser, die von Raketen oder Böllern beschädigt werden könnten. Dann der viele Rauch: "Für mich ist das unverständlich, wir reden die ganze Zeit von Feinstaub und Umweltverschmutzung, aber beim Feuerwerk ist Schluss", sagt der Tierpark-Direktor.

Entlang des Tierparks wünscht sich Rasam Baban von den Münchnern eine Art Bannmeile: Dass auf der Thalkirchner Brücke möglichst kein Feuerwerk abgeschossen wird. Das Gleiche gelte für die Tierparkstraße, in der Siebenbrunner Straße, entlang des Schlichtwegs und an der Harlachinger Höhe.

Schärfer formuliert es die Leiterin des Münchner Tierheims in Riem, Kristina Berchtold. Nicht nur die Silvesternacht, sondern auch in der Woche davor und danach sei es für die Tiere im Tierheim "der blanke Horror". Der Schutz von Menschen, Tieren und der Umwelt müsse der Tradition endlich vorgezogen werden, sagt Berchtold.

Paris, Rom, Wien, Sidney – sie alle haben Privatpersonen mittlerweile die Zündschnuren entzogen. Und viele Silvesterbesucher schwärmen von den großen städtisch organisierten Feuerwerken oder Lichtershows, die senkrecht den Nachthimmel erleuchten und nicht quer über Straßenzüge zischen.

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