Schluss mit dem Grundschulabitur
MÜNCHEN - Simon ist neun Jahre alt und großer Wrestling-Fan. Im Moment will er später Arzt werden. Ob es dazu irgendwann kommen wird, entscheidet sich nicht erst in Jahren, sondern wahrscheinlich schon jetzt.
An diesem Montag bekommt Simon (9) die Übertrittsempfehlung, so wie alle anderen Viertklässler in Bayern auch. „Ich hatte in der letzten Zeit Zweier und Dreier“, sagt er, „deshalb weiß ich nicht, ob ich es aufs Gymnasium schaffe.“ Aber eines weiß Simon ganz genau: „Es wäre schlimm, wenn ich auf die Haupt müsste.“
Geht es nach Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), soll die Übertrittsempfehlung für alle, die Bildungschancen der Kinder erhöhen. „Die Eltern werden auf die Begabungen ihrer Kinder nochmals eigens hingewiesen. Talente werden klarer erkannt.“
Doch das bezweifeln im Freistaat viele. Grüne und SPD im Landtag kritisierten die frühe Trennung nach der vierten Klasse und die Aufteilung auf Haupt-, Realschule und Gymnasium. Auch der Bayerische Elternverband (BEV) kann in der neuen Regelung zum Übertrittszeugnis keine erhöhten Bildungschancen erkennen.
„Kinder, die in der Vergangenheit keine Übertrittsempfehlung für Realschule oder Gymnasium erhalten haben, erhalten sie auch jetzt nicht und gehen wie gehabt in die Hauptschule“, sagte BEV-Vorsitzende Ulrike Stauder.
Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) appellierte an die Schulpolitiker, die gemeinsame Schulzeit zu verlängern und „Schluss zu machen mit dem Grundschulabitur“.
Zehnjährigen ein Übertrittszeugnis auszuhändigen, bezeichnete Wenzel als „pädagogisch fragwürdig, kinderfeindlich und in vielen Fällen demotivierend“. „Lehrer wollen ihre Schüler nicht länger sortieren und ständig nach Ziffernnoten bewerten.“
Simon hat mit seinen Klassenkameraden kaum über den Übertritt gesprochen. „Wir wollen uns überraschen lassen, weil wir sonst ja auch traurig werden.“
Verena Duregger
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