Schlagabtausch im BR: Beim Wahlkampf-Talk geht es laut und chaotisch zu

München - Schon vor der Sendung "BR24: Wahlkampf – Der Talk" stellte sich die Frage, ob sich die teilnehmenden Spitzenkandidaten für die Sondersitzung zum Thema "Flugblatt-Affäre" am Donnerstag warmlaufen würden, dazu gab gleich am Anfang Gelegenheit als
es darum ging, ob Söder Entscheidung richtig war.
Joachim Herrmann betonte hinzu noch einmal, dass die CSU vor längerer Zeit gesagt hab, dass sie die Koalition fortsetzen werde. "Da wurde ja jetzt nichts neu entscheiden."
BR-Wahltalk: Hubert Aiwanger giftet gegen Moderator Christian Nitsche zurück
SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn zeigt angesichts der aktuellen Umfragezahlen optimistisch. Seiner Meinung nach würden viele Menschen Aiwangers Verhalten verurteilen. Viele hätten es offenbar noch nicht verstanden, worum es da geht. Die Zahlen könnten sich noch drehen. Martin Hagen von der FPD gibt sich persönlicher: "Ich bin schockiert über das Flugblatt, gehöre aber nicht zu den Leuten, die sagen, jemand, der mit 16 einen Fehler gemacht hat, darf nie wieder ein politisches Amt bekleiden. Entscheidend ist, wie man später damit umgeht."
Hubert Aiwanger gibt sich erst nachdenklich: "Das waren ja eine Vielzahl an Vorwürfen. Zum Beispiel das mit den Witzen" Er erinnere sich nicht an Witze. Wisse nicht, wer wann in seiner Schulzeit welchen Witz gemacht hätte. Dann schlägt der eher für derbere Sprüche bekannte Freie Wähler-Chef leisere Töne an: "Ich entschuldige mich dafür." Als Christian Nitsche, der Chefredakteur des BR nachbohrt, findet Aiwanger schnell in den Verteidigungsmodus zurück. "Was denn ihre schlimmste Jugendsünde?", fragt Aiwanger Nitsche, bis dieser schließlich aufgibt.
Florian von Brunn (SPD) wirft Hubert Aiwanger vor, sich wie Donald Trump zu benehmen
Das Gespräch geht nahtlos in Fragen zur jüdischen Erinnerungskultur über. Katharina Schulze sieht angesichts der Causa Aiwanger einen erheblichen Schaden: "Unsere Erinnerungskultur hat sicher darunter gelitten in den letzten Tagen. Jüdische Verbände aus dem Ausland beschweren sich darüber, wie wir diese Debatte führen." Innenminister Joachim Herrmann als einziger in Stellvertretung für den eigentlichen Spitzenkandidaten Markus Söder, beton ihre Wichtigkeit für die CSU "im Gegensatz zu Höcke und der AfD." Damit sind die ersten 20 Minuten vorbei.
Bevor der erste Themenblock Wirtschaft beginnt, wirft Florian von Brunn Aiwanger vor, sich wie Trump zu benehmen. Gemeint ist seine Rede in Erding. Aiwanger reagiert energisch: "Der Großteil der Leute lehnt dieses Heizungsgesetz ab. Viele Menschen hatten deswegen Existenzängste." Man könne Leuten nicht vorwerfen, zum ersten Mal zu demonstrieren. "Und da werfen sie mir vor, dass ich hier der Demokratie schade. Hier wird ein Gesetz gegen den Willen der Bevölkerung durchgedrückt."
Beim Thema Wirtschaft eskaliert der Streit zwischen Hubert Aiwanger und Martin Hagen (FDP)
Im Wirtschaftsblock kommt häufiger zu Streitereien unter den Teilnehmern. Herrmann und Aiwanger verteidigen die Erfolge der bayerischen Politik, z.B. die niedrigen Arbeitslosenzahlen. Schulze und von Brunn die Ampel. Martin Hagen von der FDP grätscht regelmäßig dazwischen. Er wirft Aiwanger fehlende Stromtrassen vor, als dieser einen günstigeren Strompreise fordert.
Aiwanger brüllt dazwischen: "Es gibt in ganz Deutschland noch keine Stromtrassen. Wo sind denn die Stromtrassen in Baden-Württemberg?" AfD-Kandidat Böhm bleibt ruhig, bis er von der Moderation angesprochen wird. Als er die Ampel als "Abrisskomando" bezeichnet, eskaliert die Runde kurz. Beim Klimablock geht kaum ruhiger weiter.
Kampf gegen den Klimawandel: Joachim Herrmann (CSU) will nicht zurück ins Mittelalter
Auch aufgrund der Sendezeit werden viele bekannte Standpunkte wiederholt. Martin Böhm zweifelt an der Möglichkeit, den Klimawandel allein in Deutschland auszuhalten und kritisierte die "grüne Verbotskultur". Katharina Schulze kritisiert sein mangelndes Fachwissen: "Für unser Leben ist ein gesunder Planet wichtig. Deswegen wird jeder CO2 sparen müssen, auch Bayern." Der pragmatischste Beitrag kommt von Joachim Herrmann: "Alle Menschen auf der Welt tragen dazu bei. Deswegen müssen jetzt alle Menschen auf der Welt ihren Beitrag leisten."
Er wolle nicht zurück ins Mittelalter, deswegen bräuchte es innovative Ideen. Gerade in Europa könnte viel in der Energie und der Mobilität tun. Es gibt eine Mehrheit dafür, aber man müsse den Wohlstand erhalten. Von Brunn gibt ihm recht. Aiwanger fängt sich aufgrund seiner Haltung, natürlich habe der Mensch das Klima verändert, "aber es wäre trotzdem die springende Frage, wie viel CO2 Bayern einsparen könnte und wie viel die Leute dafür opfern wollen", AfD-Vergleiche von mehreren Diskussionsteilnehmern ein.
Katharina Schulze (Grüne) fällt Martin Böhm (AfD) ins Wort: Bei der Flüchtlingspolitik entbrennt der nächste Streit
Runde drei, das Thema Flüchtlinge, wird wegen der fortgeschrittenen Sendezeit nur knapp abgehandelt. Hier lobt Herrmann (CSU) das große Engagement der Kommunen, stellt aber gleichzeitig klar, dass man nicht unbegrenzt aufnehmen könne. Florian von Brunn (SPD) bedauert die Toten im Mittelmeer: "Ich will mich nicht auf eine Zahl festlegen. Ich möchte einfach helfen."
Er lobt die Arbeit von Nancy Fieser. Martin Böhm (AfD) möchte Pullfaktoren abschaffen. Das Mittel dafür: Nur Sachleistungen. "Man muss das Problem an der Wurzel packen." Katharina Schulze (Grüne) fällt ihm ins Wort. Er würde bedauern, dass Menschen, die vor Krieg und Terror fliehen, kommen.
"Recht auf Asyl ist eine große demokratische Errungenschaft, die ich nicht aufgeben werde." Martin Hagen (FDP), der als einziger um den Einzug in den Landtag zittern muss, will weg von "der Merkel-Politik" und "hin zur gesteuerten Migration." Aiwanger stellt von Brunns Fragen zu Faesers Erfolgsbilanz: "Warum gibt die Ampel jedem sofort Bürgergeld und beschleunigt die Rausgabe des deutschen Passes? 50 Prozent der Syrer von 2015 arbeiten nicht." Sofort bricht erneut ein lauter Streit aus. Nach neunzig Minuten endet der Talk mit vielen Plattitüden und wenig neuen Erkenntnissen.