Schläger von Solln: „Ich habe das nie gewollt“

Die Täter entschuldigen sich vor Gericht. Sebastian L. belastet seinen Freund und sagt, Brunner habe alserster zugeschlagen
von  Abendzeitung
Schläger von Solln: Markus S. wurde zu neun Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, Sebastian L. zu sieben Jahren
Schläger von Solln: Markus S. wurde zu neun Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, Sebastian L. zu sieben Jahren © dpa

MÜNCHEN - Die Täter entschuldigen sich vor Gericht. Sebastian L. belastet seinen Freund und sagt, Brunner habe alserster zugeschlagen

Saal 101, 9.30 Uhr, Münchner Jugendstrafkammer: Surrende Kameras, Blitzlichtgewitter, klickende Fotoapparate. Wie Schulkinder gehorchen die Angeklagten Markus S. und Sebastian L. (18) den Anweisungen der Justizwachen, nehmen brav ihre Plätze auf der Anklagebank ein. „Das sind ja noch richtige Bubis“, flüstert eine Zuhörerin. Die beiden Angeklagten sollen laut Staatsanwältin Verena Käbisch am 12. September 2009 den Manager Dominik Brunner (50†) totgeprügelt haben, weil Brunner vier Kinder (13 bis 15) vor ihnen schützen wollte. Die Anklage lautet auf Mord.

Erstmals sprechen die Angeklagten – beide entschuldigen sich. „Ich weiß, dass es dafür, dass ein Mensch ums Leben gekommen ist, keine Entschuldigung gibt. Aber es tut mir von Herzen leid, ich habe das nie gewollt“, sagt der arbeitslose Sebastian L. Auch sein Kumpel und Schüler Markus Sch., der zum Sachverhalt noch nichts sagen will, entschuldigt sich öffentlich: „Ich will Verantwortung übernehmen. Es tut mir unendlich leid. Ich kann es nicht beschreiben. Mir selbst werde ich nie verzeihen“.

Nur fünf Meter entfernt sitzt im Gerichtssaal Oskar Brunner (80), er ist der Vater des Mord-Opfers. Mit Anwältin Annette von Stetten führt er die Nebenklage in dem Verfahren. Er mustert die beiden Angeklagten, die seinen Jungen auf dem Gewissen haben, ganz genau, äußerlich bleibt er ganz ruhig.

Brunner und seiner Frau geht es seit der Tat gesundheitlich nicht gut. Seine Ehefrau hat den Tod ihres Sohnes nicht verkraftet. Sie ist inzwischen ein Pflegefall. „Wir wollen, dass das Geschehen um den Tod unseres Sohnes lückenlos aufgeklärt wird“, schreibt Oskar Brunner in einer Erklärung.

Sebastian L. versucht in seiner Aussage Licht in den Fall zu bringen. Am Abend vor der Tat habe er Markus S. und Christoph T. (19), der mit 19 Monaten auf Bewährung davon kam (AZ berichtete), gefeiert: „Wir haben gekifft und Bier getrunken.“ Irgendwann in der Nacht sei man eingeschlafen.

Statt Frühstück gab es wieder Alkohol. Sie fuhren von Johanneskirchen zur Donnersbergerbrücke. „Chris wollte zu seiner Oma nach Gräfelfing und wir nach Mittersendling. In meine WG. Am Abend wollten wir uns wieder auf einer Party treffen“, erinnert sich Sebastian L.

Auf dem Bahnsteig Donnersbergerbrücke trafen sie auf die vier Kinder: „Wir haben sie angemacht, beleidigt und gefragt, ob sie Geld haben. Chris hat einen geschubst und mit der Faust in den Rücken geschlagen.“

Das Trio wollte 10 bis 15 Euro von den Kindern erpressen, um Drogen zu kaufen. Als die S6 einfuhr, trennte sich Christopher T. von seinen Freunden und schrie hinterher: „Zeigt es denen.“

Video: Das sagen Juristen und Beobachter

Die vier Kinder und die Angeklagte stiegen in die S7 Richtung Wolfratshausen. Die Kinder saßen in einem Vierer-Abteil. Die Angeklagten daneben. Am Fenster saß Dominik Brunner. „Die Kids haben über uns getuschelt. Wir haben sie dann weiterhin blöd angemacht“, so Sebastian L.

Plötzlich habe sich Brunner eingemischt. Der soll gesagt haben: „Das habe ich gehört. ich rufe jetzt die Polizei.“ Vom Notruf in der S-Bahn habe Brunner dann der Polizei von einem „angekündigten Raub“ erzählt. Sebastian L.: „Wir haben nur gesagt wir ziehen sie, wir wollten denen nur Angst machen.“ Der Vorsitzende Richter Reinhold Baier will nicht glauben, dass die Angeklagten nicht massiver vorgegangen sind: „Warum sollte Herr Brunner sonst die Polizei alarmieren?“

Die Situation war bereits so aufgeheizt, dass Sebastian L. und Markus Sch. an ihrer Haltestelle Mittersendling vorbeifuhren. Sebastian L.: „Wir sind einfach weitergefahren, wollten sehen, ob der Herr Brunner ernst macht. Wir wollten nicht den Schwanz einziehen. Wir hatten keine Angst vor der Polizei. Wir hatten ja auch nichts getan, nur die Kids blöd angemacht.“

Am S-Bahnhof Solln stieg Brunner mit den Kindern aus, wollte mit ihnen auf die Polizei warten. Sebastian L. berichtete, dass sich Dominik Brunner wie ein Boxer vor ihnen aufgebaut haben soll. Sebastian L. sagte: „Du bist ja ganz ein Harter!“ Brunner habe Markus S. zuerst eine verpasst. Markus S. soll mit dem Kopf gegen die stehende S-Bahn geknallt sein. „Markus hat aus der Nase geblutet und Tränen in den Augen gehabt. Markus hat dann zurückgeschlagen. Dann habe ich auch zugeschlagen. Mit der Faust,“ berichtet Sebastian L.

Dann belastet er seien Freund schwer: Markus Sch. sei auf Brunner losgegangen. Er habe dabei geschrien „Motherfucker“ und „Dreckschwein“. Er, Sebastian, habe irgendwann versucht, Markus wegzuziehen. „Es reicht", habe er gesagt. „Das kam mir zu krass vor.“

Markus habe dann aber den am Boden Liegenden noch einmal getreten. Dann habe er Markus endgültig wegziehen können und sie seien über die Gleise geflüchtet.

Sie versteckten sich in einem Gebüsch in Tatortnähe. Die beiden hätten kein Wort mehr im Versteck gesprochen. „Markus hat sich übergeben. Er hat gezittert." Er selber sei aus seiner WG angerufen worden. Er solle nicht kommen, die Polizei suche ihn. Nochmals betonte Sebastian L., dass er die Tat bereut. Der Prozess dauert an.

Torsten Huber

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