Schießlers Wiesn-Tagebuch: "S' Wetter is halt a Graus!”

Rainer Maria Schießler ist ist katholischer Pfarrer - und er kellnert auf dem Oktoberfest. Auf abendzeitung.de schreibt er ein Wiesn-Tagebuch. Teil 6: Über den angesagten, angeblich anhaltenden stabilen Altweibersommer zum Fest.
Es ist jedes Jahr dasselbe Spiel: Man geht mit riesigen Erwartungen in die Wiesn hinein, rein wettertechnisch gesehen, meine ich. Die Meteorologen versprechen einem einen anhaltenden, stabilen Altweibersommer mit einer kräftigen Hochdrucklage und ruhigen, milden Herbstwetter. Als leidenschaftliche Gartenbedienung sehen wir schon unser Revier vor Augen, wie sich die Menschen zu uns drängen, vor allem jene, denen es im Zelt einfach zu ungemütlich ist, wir sehen wie viele Essen rausgehen, sich angenehme, nette Leute vergnügen bei einer zünftigen Stimmung ohne Krach und Radau - eben die perfekte Wiesn.
Wenns halt so leicht und automatisch ginge. Wie es heißt es doch so schön: „Der Mensch denkt und Gott lacht!“ Seit Montag ist uns jedenfalls das Lachen richtig gscheit vergangen. Wer soll denn bei dem Wetter in unseren Garten schauen? Wer will bei den Temperaturen einen lauschigen Biergartenabend verbringen? Wie soll da ein kleiner Flirt zwischen Bierkrügen und Hendln entstehen, wenns dir ständig in den Krug regnet? Nein, es ist keineswegs vergnügungssteuerpflichtig, was wir zur Zeit hier erleben – obwohl wir trotzdem schön brav unsere Steuern im Voraus an das Finanzamt abdrücken und fast nichts verdienen.
Mehr aus Mitleid kommen dann Menschen aus meiner Pfarrei oder aus meinem Freundeskreis zu meinem Service, kaufen sich eine Maß und ich hab ja ohnehin genug Zeit für einen Ratsch. Mehr aber ist nicht drin, leider. Meinen Kollegen versuche ich gerade in diesen Tagen ein guter Seelsorger zu sein, halte mit ihnen trotz aller Aussichtslosigkeit die Stellung, rede viel mit ihnen, damit wenigstens so die Zeit vergeht.
"Als Wiesnbedienung stehst Du Dir die Füße in den Bauch oder rennst du dir die Hacken ab!“ heißt ein alter Spruch. Momentan sind wir mit ersterem Los geschlagen. Aber die Hoffnung stirbt immer zuletzt, heißt es so treffend. So hoffen wir also auf die nächste Woche, auf endlich besseres Wetter und die Chance, das tun zu können, was wir eigentlich tun wollen: nicht herumstehen, sondern stundenlang laufen, rackern und bedienen!
Auf alle Fälle wird niemand mehr in meiner Nähe behaupten dürfen, eine Wiesnbedienung wird automatisch reich. Zunächst darf sie, wenn es das Wetter zulässt, richtig schuften, dann kann sie evtl. gut verdienen. Aber bis man sich versieht, vergeht wieder ein Tag ohne irgendeine Einnahme. Ich habe in diesen Tagen sehr gut gelernt, mit den Kollegen mitzufühlen, die vielleicht auf diesen Verdienst auch noch ganz bewusst angewiesen sind!
Deshalb: Lieber Petrus, hab ein Einsehen mit uns und hilf!!