Schießlers Wiesn-Tagebuch: „Oa-zapft is“

Rainer Maria Schießler ist katholischer Pfarrer - und er kellnert auf dem Oktoberfest. Auf abendzeitung.de schreibt er ein Wiesn-Tagebuch. Teil 1: die mehr oder weniger gelungenen Versuche unserer norddeutschen Landsleute, bayerisch zu reden.
„Ozapft is, Ozapft ist, Ozapft is…“ . Es ist Samstag Abend, der Anstichtag, so gegen 21.00 Uhr. Ein junger Mann sitzt am Eingang unseres Biergartens und spricht ständig dieses „Ozapft is“. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, es ist ein Fan von Werder Bremen, dekoriert mit einem grünen Schal und einer Kappe mit dem Bremer Stadtwappen. Die haben ja bekanntlich am Nachmittag den Rekordmeister in der Allianzarena nur wenige Stunden nach dem Anstich auf der Wiesn fußballerisch in die Knie gezwungen, aber wie! 5 zu 2 ging der glorreiche Rekordmeister zu Hause vor den Norddeutschen zu Boden.
Sobald man nun mit dem jungen Mann Blickkontakt aufnahm, wurde er immer deutlicher mit seinem „Ozapft is“ und seine Augen blitzten vor Freude. Nun tun sich ja bekanntlich unsere Gäste aus dem Norden sehr schwer mit gewissen bayerischen Idiomen. Genauer gesagt klingt es einfach fürchterlich, wenn sie meinen, bayerisch sprechen zu müssen. Manche Begriffe sind dafür beispielgebend.. Das “Ozapft is“ ist so ein Wort. Die meisten dieser Volksgruppe sagen dann ein „Oa-zapft is“ wie in unserem Probewort „Oach-katzl-schwoaf“! Einfach schrecklich. Im „Ozapft“ gehört dieses „Oa“ einfach nicht hin! Die sagen es trotzdem.
Dieser junge Mann aber beherrschte das „Ozapft is“ fast akzentfrei. Kein „Oazapft is“, sondern ein richtiges „Ozapft is“ .Man spürte richtig, wie sehr er sich über diesen Erfolg selbst tierisch Freude. Sein ständiges Wiederholen sollte scheinbar nur sicherstellen, dass er das Erlernte ja nicht wieder – vielleicht im Bierrausch – vergisst. Eigentlich hätte er doch irgendwelche Spottgesänge über den amtierenden Rekordmeister singen sollen. Hat er aber nicht. Der sprachidiomatische Erfolg über das wichtige Wort dieses ersten Wiesntages „Ozapft is“ war ihm wohl bedeutend mehr wert, mehr als ein haushoher Sieg über die Roten!
„Ozapft is, Ozapft is, Ozaoft is“ – und wenn er nicht ganz betrunken wurde, sagt er es vielleicht heute noch. Wetten wir?