Schießlers Wiesn-Tagebuch: "O-Töne"

Rainer Maria Schießler ist ist katholischer Pfarrer - und er kellnert auf dem Oktoberfest. Auf abendzeitung.de schreibt er ein Wiesn-Tagebuch. Teil 8: Über die Originalsprüche der Originale.
Die Wiesn lebt von ihren Originalen, also Menschen, die eine Situation einmalig und unvergesslich machen. Als Bedienung ist man sehr, sehr nahe an diesen Menschen dran und man trifft viele davon, weil man sich ja nicht statisch an einem Ort aufhält, sondern ständig in Bewegung bist, von einem Tisch zum anderen, mit allen Gästen in Kontakt kommt und sie nahezu hautnah erlebt. Da erlebt man dann echte Münchner und Nicht-Münchner und ihre O-Töne, also Originalsprüche, die ihresgleichen suchen. Hier Ein kleiner Ausschnitt:
Etliche unserer Gäste sind vom Land und besuchten vor allem letzte Woche, bevor sie zu uns kamen, das Zentrale Landwirtschaftsfest. Man erkennt sie meistens schon an ihren Händen. Bauern haben stärkere, von der Arbeit gezeichnete Hände als Städter. So ein Prachtstück von Mannsbild, in dezente Tracht gekleidet, sitzt mit seiner Gemahlin in meinem Service. Ich komme und frage ihn, was er trinken möchte. „Oa Maß Bier“, antwortet er kurz und schaut mich freundlich an. Um nicht zweimal gehen zu müssen, frage ich nach, ob nicht die Frau Gemahlin auch etwas trinken möchte und bekomme eine sehr nüchterne, belehrende, deutliche. aber nicht unfreundliche Antwort: „Des muaßt da merka, de Oid (= die Alte) sauft mit!“
Mag man auch über die harsche Ausdrucksweise zunächst erschrecken, der Ton verrät mir aber, dass sie nicht so hart gemeint ist. Sie drückt vielmehr sein absolutes Verantwortungsgefühl für seine Ehefrau aus. Mit dem Bier angekommen gibt’s noch einen Nachschlag. Er bezahlt das Bier und fragt weiter: „Host a Foada a?“ Foada kann nur Essen bzw. Futter heißen und damit hat er seine Herkunft, die Oberpfalz wohl endgültig preisgegeben.
Am Nachbartisch nimmt derweil eine echte Städterin Platz, eine gepflegte Dame, so etwas über 60 Jahre alt. Ihre Besonderheit: Ein Kinderwagen und darin aber kein Kind, sondern ein Hund! Die Promenadenmischung ist auch noch nett mit einem rosaroten Halstuch eingekleidet. Schon vernehme ich den Banknachbarn, der den Inhalt des Kinderwagens genau inspiziert hat, dann die Frau deutlich musternd ansieht und zu ihr sagt: „Und wer is jetzt der Bapp (= Vater)?“ Hier findet Slapstick auf höchstem Niveau statt, wie man es nicht bestellen, sondern nur frei erleben darf, ungeschminkt und unzensiert.
Nach einer kleinen Rangelei vor unserem Zelt gesellt sich eine kleine ältere Dame zu uns. Wir albern mit ihr und versprechen ihr sie zu beschützen, wenn das hier außer Kontrolle gerät. Ihr erstaunliche Antwort an uns: „Geht’s zua, de schnupf i scho alloa, z´samt meim Katharr!“ Was soll man da noch antworten? Ich liebe positiv eingestellte Menschen einfach.