Schießlers Wiesn-Tagebuch: "Das rauchfreie Oktoberfest"
MÜNCHEN - Rainer Maria Schießler ist katholischer Pfarrer - und er kellnert auf dem Oktoberfest. Auf abendzeitung.de schreibt er ein Wiesn-Tagebuch. Teil 9: Das rauchfreie Fest und ein Umschwenken ohne Not.
Das Problem war ja, dass Politiker Entscheidungen getroffen haben, ohne mit den Menschen zu sprechen, die wirklich mitreden können. Darum musste noch einmal seitens der CSU ein Rückzieher gemacht werden, was das Rauchverbot in Bierzelten betrifft – zumindest für dieses Jahr. Wenn heute ein derart eingeknickter, ursprünglich harter Verteidiger des Rauchverbots so durch unser Bierzelt geht, zu welcher Zeit auch immer, ich glaube, er ärgert sich grün und blau.
Nein, nicht weil immer noch geraucht wird, hie und da, sondern weil er zu feige war, konsequent zu seinem Ent- bzw. Beschluss zu stehen. Die Wirte haben nun einen Vorschub geleistet und es so eingerichtet, dass keine Tabakwaren im Zelt und im Garten verkauft werden dürfen. Das Ergebnis ist verblüffend. Die Zelte sind wie gewohnt gerammelt voll, der blaue Dunst aber ist jetzt bereits erheblich weniger geworden. Gelegenheit macht eben doch Diebe, na ja, sagen wir mal Käufer. Denn wenn kein Verkäufer ständig klingelnd durch die Reihen geht, dann kaufe ich mir halt auch keine Zigaretten.
So mancher Nichtraucher, der früher in Bierseligkeit in alte Rauchergewohnheiten zurückfiel, ist nun dieser wandelnden Tabakgefahr nicht mehr ausgesetzt. Und es funktioniert trotzdem sehr gut. Die Leute feiern, tanzen, trinken, essen wie bisher, rauchen aber einfach weniger. Es gibt keine Entzugserscheinungen im Zelt. Auch das Rote Kreuz musste noch keinen Tabak-Fan wegen solcher Symptome behandeln. Die Selbstdisziplin der Gäste ist sehr hoch und – v.a. bei geschlossenen Zelten – auch die Vernunft, selbst nach ein paar Maß Bier. Denn was habe ich davon, wenn ich wegen ein paar Kippen das schöne Partyzelt verlasse, dafür aber dann nicht mehr hineinkomme?
Wir Bedienungen merken es natürlich auch, dass das Rauchverbot bereits wirkt, vor allem am Morgen, wenn Du zum ersten Mal das noch leere Zelt betrittst. Es riecht einfach nicht mehr so nach leerem Aschenbecher wie früher. Sicher hängt überall der Duft von Bier und Dunst, wie er eben ein Bierzelt ausmacht, dieser zähe, beißende, kalte und abstoßende Rauchgeschmack aber ist deutlich geringer geworden. Und das tut gut, ehrlich. Auch das Arbeiten inmitten voller Gänge wird nicht nur atemtechnisch erträglicher, auch textilfreundlicher ist es schon geworden. Was glaubt Ihr, wie viele Mal beladen mit Bier oder Essen man von rauchenden Gästen gestoßen und mit den brennenden Zigaretten berührt wurde oder gar Brandlöcher in die Kleidung verpasst bekommen hat? Alles ist jetzt schon irgendwie Vergangenheit.
Ja, da wird sich so mancher CSU-ler ärgern, dass er eben vielleicht doch etwas zu früh nachgegeben hat. Man soll halt immer bei seiner ersten Idee bleiben. Umschwenken ohne Not und Erfahrung hat noch niemandem gut getan!