Schauriges München: Grusel-Tour durch die Altstadt
München - Ganz vortrefflich gruseln – das geht auch ohne blöde Horror-Clown-Masken und sogar im ansonsten so glanzvoll-hellen München.
Denn wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Gerade unsere Stadt hat auch ihre dunklen, finsteren Ecken. Dass sich dort die wahrscheinlich spannendsten Geschichten verbergen, das weiß niemand besser als Mystik-Experte Christopher Weidner (49, „Die Stadtspürer“).
Er arbeitet seit vielen Jahren als Gästeführer in seiner Heimatstadt sowie als Reiseleiter zu den geheimnisvollen Plätzen Bayerns, Deutschlands und Europas.
Die Route des Spaziergangs: Einmal quer durch die Altstadt. Quelle: az
Für die AZ hat Weidner zu Halloween am Montag eine ganz spezielle Tour mit acht besonders schaurigen Plätzen zusammengestellt – alle bequem zu Fuß erreichbar in der Altstadt gelegen. An diesen Orten erwartet Sie bei einem Gruselspaziergang (nehmen Sie unbedingt diese AZ-Seiten mit) außergewöhnliche Erfahrungen: Denn die acht spannenden Geschichten, die Sie hier bereits lesen können, entfalten noch einmal eine ganz andere, tiefere Wirkung, wenn man an der Stelle steht, wo sich die Geister- und Gespenstergeschichten vor Jahrhunderten auch zugetragen haben sollen.
Also: Machen Sie sich ruhig einmal auf ins Schattenreich. Und genießen Sie es, wenn Ihnen dabei unheimlich wohlige Schauer über den Rücken laufen. Der Mensch gruselt sich gern.
Station 1: Alter Peter - Das Pestgespenst
Während man um die Kirche herumgeht, sollte man sich vergegenwärtigen, dass sich in früheren Zeiten hier der Friedhof befand. Genau hier soll das Pestgespenst Mitte des 14. Jahrhunderts erschienen sein. Eine Magd kürzte ihren Nachhauseweg über den Friedhof ab. Dort traf sie auf eine unheimliche Gestalt, vermummt in lange schwarze Gewänder, doch unter der Kapuze war kein Gesicht zu sehen. Da nahm sie ihre Beine in die Hand und lief hinunter zum Marktplatz (dem heutigen Marienplatz).
Am Alten Peter soll im 14. Jahrhundert das Pestgespenst erschienen sein. Foto: az
Als sie sich umdrehte, blieb ihr fast das Herz stehen, denn das schwarze Gespenst war ihr gefolgt und schwankte auf sie zu. Jetzt konnte sie das Gesicht sehen – es war das eines grinsenden Totenschädels. In Panik lief sie nach Hause und stürzte in die Stube – doch vergebens – das Wesen beugte sich über sie und verkündete: „Ich bin der Schwarze Tod und von hier aus will ich meinen Einzug in die Stadt halten.“ Tatsächlich erkrankte schon am nächsten Tag einer der Bewohner dieses Hauses an der Pest. Das große Sterben hatte begonnen . . .
Station 2: Die kopflosen Untoten in der Hofstatt
Schräg gegenüber vom Ruffinihaus, Ecke Sendlinger Straße und Färbergraben, befindet sich das Relief eines Pferdes mit der Unterschrift „Rappeneck“. Tatsächlich handelt es sich aber älteren Aufzeichnungen zufolge um das „äußere Rabeneck“ – eine Bezeichnung, die auf den Todesvogel Rabe hinweist, der mit Galgenstätten in Verbindung steht.
Im Mittelalter wurden Richtstätten wegen der sie umschwärmenden Raben oft „Rabenstein“ genannt. Das Haus am heutigen Roseneck hieß als Pendant dazu das „innere Rabeneck“.
Das Relief am Rappeneck. Foto: az
Neben dem Haus zum Rappeneck soll einst in der Sendlinger Straße das Haus des Scharfrichters gelegen haben, dahinter, auf freiem Feld, die Richtstätte. Tatsächlich ist in alten Urkunden für die Häuser Ecke Färbergraben/Hofstatt auch die Bezeichnung „am Rabenberg“ erhalten. Genau dort, wo sich jetzt die Hofstatt (Gehöft) befindet, soll der Richtplatz gewesen sein.
Bei Grabungen hat man Knochen gefunden, da die Gehenkten in der Regel an Ort und Stelle vergraben wurden. So soll es an dieser Stelle auch spuken: Die Hingerichteten wären dort des Nachts zu sehen, wie sie ihre Köpfe im Arm tragen.
Nach der Stadterweiterung im 13. Jahrhundert unter Ludwig dem Strengen wurden die Richtstätten außerhalb der neuen Stadtmauer gelegt.
Station 3: Frauenkirche - Das gespenst mit der Schlafhaube
Noch im 19. Jahrhundert lag an der Frauenkirche ein Friedhof, auf dem ein weißes Gespenst spukte. Einmal wollte es ein Kaufmann wissen, denn er glaubte nicht an Geister. Er ging nach einem Wirtshausbesuch über den Friedhof und erblickte bald die unheimliche Gestalt, die eine lange weiße Schlafhaube trug.
Der Krämer nahm allen Mut zusammen und näherte sich dem Gespenst – und gab ihm eine Ohrfeige, sodass ihm die Mütze vom Kopf fiel. Als ihn darunter ein Totenschädel angrinste, bekam er es doch mit der Angst zu tun und floh. Das Gespenst aber verfolgte ihn.
An der Frauenkirche soll sich die Geschichte mit Gespenst und Kaufmann begeben haben. Foto: az
Der Kaufmann, der gegenüber der alten Polizeiwache an der Weinstraße wohnte, war jedoch schneller und gelangte mit letzter Kraft in sein Haus. Der Geist konnte ihm nicht weiter folgen, da auf der Türe die Buchstaben C+M+B, wie es heute noch Brauch ist, gezeichnet waren. Doch als er die Türe zu seinem Schlafzimmer im ersten Stock öffnete, sah er mit Schrecken, wie die weiße Gestalt eben durch das Fenster klettern wollte.
Da nahm der Krämer das Bild der Altöttinger Madonna von der Wand und schleuderte es dem Spuk entgegen. Vor der Muttergottes musste das Gespenst weichen. Fortan hieß der Kaufmann – der Schlafhaubenkramer.
Station 4: Der Poltergeist vom Promenadenplatz
An der Stelle des Hauses Promenadeplatz 7, heute die Commerzbank, stand einst ein Haus, in dem ging der „Troadkipperer“ um, der Getreideumschaufler.
Die Geschichte geht auf die Zeit zurück, in der eine Hungersnot in München herrschte. In dem Haus wohnte ein reicher, aber geiziger Mann, der Getreide billig erstanden hatte, das er nun zu Wuchersummen verkaufte. Eine Wohnung im Haus hatte er an Tagelöhner vermietet. Obwohl die Familie Tag und Nacht schufteten, konnten sie bald nicht mehr die Miete bezahlen. Der Geizhals setzte die Familie auf die Straße. Die Frau aber verfluchte ihn und sein Getreide: „Ratten, Mäuse und Ungeziefer sollen alles vernichten!“
Am Promenadeplatz hat sich in früherer Zeit die Geschichte vom „Troadkipperer“ zugetragen. Foto: az
Als er später in den Speicher ging, entdeckte er Massen von Mäusen. Da kaufte er sich Katzen. Doch für jede tote Maus kamen zehn neue nach. Der Geizige verlor den Verstand. Am Ende war er bankrott und musste sein Haus versteigern. Da stieg er auf den Dachboden – und erhängte sich. Doch auch im Tod fand er keinen Frieden: Als riesige, schwarze Katze treibt er immer noch sein Unwesen . . .
Station 5: Der unheimlich dicke Mann am Maxtor
Erstmals wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von einem seltsamen Spuk berichtet, der vielen Menschen des Nachts im Umkreis der Prannerstraße: Plötzlich taucht ein unmäßig dicker Mann auf, mehr breit als hoch, fast den gesamten Bürgersteig einnehmend, der die nächtlichen Spaziergänger begleitet, oft bis nach Hause, ob es ihnen passt oder nicht.
Das Maxtor heute: Weil es auch zwei Löwen schmücken, sagen einige Münchner „Löwentor“ dazu. Foto: az
Er wird beschrieben mit einem leichenblassen, teigigem Gesicht, er spricht kein Wort, bedrängt seine Opfer zwar auch nicht weiter, aber er bleibt ihnen auf den Fersen, egal, was man tut . . .
Station 6: Die verlorene Seele am Jungfernturm
Die Turmreste gehören zu den einzigen oberirdisch erhaltenen Resten der inneren Stadtmauer. Der Jungfernturm war ein Geschützturm, der Ende des 15. Jahrhunderts über dem Zwinger errichtet wurde. Im Zuge der Entfestigung wurde der Turm 1804 abgetragen.
Es heißt, dass einst in diesem Turm die gefürchtete „Eiserne Jungfrau“ aufgestellt war, eine Statue, die der zum Tode Verurteilte küssen musste, bevor sich unter ihm eine Falltür öffnete, durch die er verschwand – auf Nimmerwiedersehen. Es heißt auch, besagte Jungfrau hätte mit Dornen gespickte Arme gehabt, die sich um den Delin- quenten geklammert hätten, bis er qualvoll starb. Die Schreie der zum Tode Verdammten sei immer wieder zu hören gewesen.
Der Reste des Jungfernturms und der inneren Stadtmauer. Foto: az
In diesem Turm hätte ein geheimes Gericht stattgefunden, mit dem die Obrigkeit unliebsame Personen ohne Rechtsgrundlage aus dem Weg schaffte. Ein unheimlicher Einspänner holte die Personen ab und brachte sie zuerst in die Residenz zum Verhör und dann zum Jungfernturm, wo sich ihre Spur verliert.
Tatsächlich fand man Mitte des 18. Jahrhunderts eine Falltüre, die in ein Verlies führte. Dort entdeckte man zwei vermoderte Leichen. Nachts ist es noch heute unheimlich am ehemaligen Jungfernturm. Es heißt, dass hier immer wieder eine seltsame Gestalt mit einem dreieckigen Hut und einem Zopf auftaucht, der immer wieder mit den Händen ringend zum Himmel blickt – um dann plötzlich zu verschwinden.
Vielleicht der Geist einer der Täter, die hier Unschuldige zur Strecke brachten? Niemand weiß es genau.
Station 7: Die schwarze Frau
Die schwarze Frau der Wittelsbacher ist eine Geistererscheinung. Sie geht zurück auf die Geschichte der Gräfin von Orlamünde. Eine geborene Herzogin von Meran, die im Jahre 1293 als Witwe des Grafen Otto von Orlamünde auf der Plassenburg bei Kulmbach lebte.
Sie liebte den Burggrafen Albrecht den Schönen von Nürnberg. Als sie ihn drängte, ihr seine Hand zu reichen, sagte er, dass dazu vier Augen zu viel auf der Welt wären. Er meinte damit die vier Augen seiner Eltern, welche in die Verbindung nicht einwilligen wollten.
Die Gräfin glaubte, dass er ihre zwei Kinder aus erster Ehe meinte und ermordete den Buben und das Mädchen. Vom Burggrafen verlassen wegen dieser blutrünstigen Tat, sperrte man die Gräfin in das Gefängnis in Hof, wo sie auch starb.
Auf dieser Montage schwebt die Schwarze Frau durch die Residenz. Foto: az
Seither soll sie als Schreckgespenst auf der Plassenburg herumirren – und im bayerischen Königshaus Todes- und Unglücksfälle ankündigen.
Zu Zeiten des Märchenkönigs Ludwig II. sollen sich Stücke aus dem Besitz der Gräfin in der Residenz befunden haben, das heißt Schmuck mit Edelsteinen in wertvoller, altertümlicher Fassung, sowie eine Spitzengarnitur von wunderbarer Schönheit. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 1886, dem Todestag des Märchenkönigs, soll die Schwarze Frau in der Residenz und auch in der Ahnengalerie in Schloss Schleißheim umgegangen sein. Soldaten und Schlossbeamte beschworen, den Geist einer schwarz verschleierten Frau gesehen zu haben.
Station 8: Hexenspuk am Falkenturm
Dort, wo die Falkenturmstraße auf die Maximilianstraße trifft, befand sich der Falkenturm, der seit dem 16. Jahrhundert als Gefängnis diente.
1863 wurde er bei der Anlage der Maximilianstraße abgebrochen. An diesen Turm schlossen sich Hexenturm und Hexenbastei an. In diesem Turm soll auch Theresia Kaiser, eine der letzten Hexen von München, 1701 ihrem letzten Stündlein entgegengesehen haben. Weil sie die Avancen ihres Arbeitgebers, dem Schreiber des Hofbeamten, nicht nachgeben wollte, wurde die 17-Jährige als Hexe angeklagt, zum Tode verurteilt und in den Turm geworfen.
Hier stand das Gefängnis: die Falkenturmstraße in der Altstadt. Kleines Foto: der Falkenturm nach einem Gemälde Heinrich Schönfelds von 1840. Foto: az
Es heißt, dass in der vorletzten Nacht vor ihrer Hinrichtung der Teufel in Gestalt einer Fledermaus zu Theresia ins Verlies flog. Wärter fanden das Mädchen nackt und besinnungslos. Ihr Armesünderhemd war verschwunden. Am anderen Morgen machte man eine grausame Entdeckung: Der Schreiber wurde stranguliert aufgefunden, mit jenem Hemd!
Theresia wurde exekutiert. In der Nacht darauf erschien das Mädchen einem der Wachposten, gleichzeitig stürzte sich eine riesige Fledermaus auf ihn – und warf ihn in den Stadtgraben.