Scharfe Kritik nach Baum-Kahlschlag in München: "Hätte andere Lösungen gegeben"

Trotz breiten Protests aus dem Viertel werden im Westend in München 27 Bäume gefällt. Die von der Stadt geplanten Ersatzpflanzungen genügen den Öko-Aktivisten nicht.
von  Anna-Maria Salmen
Sie protestieren gegen die Baumfällungen im Westend: Die Aktivisten Tsungi und Paula an der Ecke Westend-/Schrenkstraße.
Sie protestieren gegen die Baumfällungen im Westend: Die Aktivisten Tsungi und Paula an der Ecke Westend-/Schrenkstraße. © Hannes Magerstädt

Westend - Es wirkt wie die Ruhe vor dem Sturm: Reste von Schneebergen liegen an den Straßenrändern, kaum jemand ist an diesem eisigen Vormittag draußen unterwegs. In den Menschen, die sich an der Ecke zwischen Westend- und Schrenkstraße versammelt haben, brodelt es jedoch.

Der Grund ist der kleine Park, dessen Bäume auf der anderen Straßenseite in den Himmel ragen – noch, denn 27 von ihnen werden nun gefällt, 13 davon fallen wegen ihrer Größe unter die Baumschutzverordnung. Die Stadt plant hier den Bau eines neuen multikulturellen Jugendzentrums mit Sporthalle, Jugendwohnungen und Angeboten für die Kinderbetreuung. Auch eine neue Geschäftsstelle des Kreisjugendrings München Stadt soll hier entstehen.

Protest gegen Baumfällungen im Westend in München ohne Erfolg

Bis zuletzt hatten die Umweltschützer protestiert, doch ohne Erfolg. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat kürzlich in einer Stadtratssitzung den Beginn der Fällungen angekündigt.

Auch im Herbst ein Idyll: Die Platane bildet den Mittelpunkt einer Baumgruppe, die im Westend bei Bürgern sehr beliebt ist.
Auch im Herbst ein Idyll: Die Platane bildet den Mittelpunkt einer Baumgruppe, die im Westend bei Bürgern sehr beliebt ist. © Daniel von Loeper

Noch im Sommer war der Kösk-Garten – benannt nach dem bis vor Kurzem angrenzenden Kreativtreff, der mittlerweile in die Ludwigsvorstadt umgezogen ist – eine grüne Ruheoase im dicht besiedelten Westend. Der Park war ein Treffpunkt für Anwohner und Besucher, "es war einer der angenehmsten Orte in der Stadt", sagt Herbert Gerhard Schön vom Bund Naturschutz.

Seiner Auffassung nach hätte es durchaus Alternativen für die Planung gegeben. Insbesondere die Büroflächen, die seinen Angaben zufolge die Hälfte des Neubaus ausmachen, stören Schön. "Wenn man nur die Einrichtungen für die Kinder und Jugendlichen bauen würde, würde das bisher schon bebaute Areal reichen. Dann könnten die Bäume erhalten werden und man hätte einen schönen Vorgarten."

War während den wärmeren Monaten immer sehr beliebt: Der Kösk-Garten vor dem Gebäude. (Archiv)
War während den wärmeren Monaten immer sehr beliebt: Der Kösk-Garten vor dem Gebäude. (Archiv) © Andrea Huber

Initiative "Kösk-Garten retten": "Hätte andere Lösungen gegeben"

York Runte von der Initiative "Kösk-Garten retten" ist ebenfalls davon überzeugt, dass es für die Büros andere Lösungen gegeben hätte, wie er sagt. Es gebe ohnehin so viel Leerstand in Bürogebäuden. Statt ihn zu nutzen, betoniere man das letzte Grün in einem dicht bebauten Viertel. "Es ist offensichtlich, dass der politische Wille gefehlt hat", stimmt Reiner Lang vom Bund Naturschutz zu.

Nun, da die Fällungen bereits beginnen, scheint der Kampf um den Kösk-Garten aussichtslos, Änderungen am Vorhaben sind kaum noch zu erwarten. Die Planungen seien bereits zu weit fortgeschritten, hatte ein Sprecher des Kommunalreferats im November auf AZ-Anfrage mitgeteilt.

ÖDP-Stadtrat Dirk Höpner hat per Antrag erfolglos versucht, die Bäume zu retten.
ÖDP-Stadtrat Dirk Höpner hat per Antrag erfolglos versucht, die Bäume zu retten. © Hannes Magerstädt

"Man hätte schon früher massiv intervenieren müssen", sagt Schön vom Bund Naturschutz, vor Jahren, als der Bebauungsplan aufgestellt wurde. Stattdessen wurde das Vorhaben mehrfach im Stadtrat behandelt und beschlossen, sogar einstimmig. Warum? "Ich glaube, wenn man heute darüber entscheiden würde, würde es anders ausgehen", sagt Dirk Höpner, Stadtrat von der Fraktion ÖDP/München Liste. Als die Pläne erstmals vorgestellt wurden, habe man die Dimension noch nicht erkannt. "Es hieß, da wird was Soziales gebaut." Das befürworteten alle.

ÖDP wollte mit zwei Anträgen im Stadtrat die Bäume retten

Als ihm die Tragweite der Baumfällungen bewusst wurde, stellte Höpner sich hinter die Initiative "Kösk-Garten retten". Der Stadtrat griff ihren Antrag auf: Die Büronutzung sollte an anderer Stelle untergebracht und die Bäume so erhalten werden. Zwei Mal jedoch wurde die Forderung im Stadtrat abgelehnt, zuletzt erst kurz vor der Fällung. Für Höpner absehbar: "Die Kollegen wollten unbedingt die Bebauung."

Die Stadt versucht indes, die Gemüter mit Ersatzpflanzungen zu beruhigen. Ein Sprecher des Kommunalreferats hatte im November auf die elf Bäume verwiesen, die vor Ort neu gepflanzt werden. Gisela Krupski kann darüber nur den Kopf schütteln. Für die Diplom-Biologin ist der bestehende Park ein kleines Biotop, wertvoll für zahllose Tiere, die sich dort angesiedelt hätten. "Das können neu gepflanzte Straßenbäume nicht so schnell ersetzen." York Runte von der Initiative "Kösk-Garten" retten stimmt zu. "Vielleicht sieht es in 30 Jahren wieder grün aus, aber jetzt wird erst mal mit Kübelpflanzen kompensiert."

"Kurios": Um die Ecke werden Bäume gepflanzt

Besonders kurios ist für Krupski, dass auf Wunsch des Bezirksausschusses in der Fäustlestraße, ums Eck des Kösk-Gartens, neue Bäume gepflanzt werden sollen. "Dabei wären hier doch welche vorhanden gewesen." Das kürzlich angekündigte Projekt der Stadt, 3.500 Bäume zu pflanzen, befürwortet sie zwar. Dennoch wird aus ihrer Sicht zu viel altes Grün beseitigt: In den vergangenen zehn Jahren wurden laut Bund Naturschutz in München mehr als 90.000 Bäume gefällt. Ersatzpflanzungen könnten das nicht annähernd ausgleichen, so die Umweltschützer.

Ganz aufgeben wollen die Aktivisten den Kösk-Garten trotz Kahlschlag nicht. Laut Runte könne man etwa in Erwägung ziehen, die alten Bäume nach der Fällung zumindest umzupflanzen. "Wir kämpfen weiter gegen diese Verwüstung", kündigt er an.

Auch Krupski will nicht nachlassen. In Zukunft möchte sie noch genauer verfolgen, wo auf städtischem Grund Ähnliches geplant sei, um sich dann rechtzeitig für Alternativen zu Fällungen einzusetzen. Sie sagt: "Architekten müssen endlich lernen, um Bäume herum zu planen."

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