Scharfe Kritik an Privatflügen in München: "Superreiche jetten durch die Welt, als gäbe es kein Morgen"

Immer mehr Menschen fliegen in Privatjets von Oberpfaffenhofen zum Airport München. Greenpeace fordert angesichts der Folgen fürs Klima ein Verbot von Privatflügen.
Guido Verstegen
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Eine kleinere Privatmaschine startet am Münchner Flughafen. (Archivbild)
Eine kleinere Privatmaschine startet am Münchner Flughafen. (Archivbild) © imago/MIS

München - Frankreich verbietet alle inländischen Verbindungen, die mit dem Zug in weniger als zweieinhalb Stunden zu erreichen sind. In Deutschland sind kurze Flugverbindungen dagegen äußerst beliebt – auch zwischen dem Flugplatz Oberpfaffenhofen und dem knapp 50 Kilometer entfernten Flughafen München.

Greenpeace-Studie: Immer mehr private Flüge zwischen München und Oberpfaffenhofen

Das Geschäft mit Privatjets boomt seit Ausbruch der Pandemie offenbar. Laut einer Studie der Umweltschutzorganisation Greenpeace hat sich die Zahl der Flüge mit Privatjets zwischen 2020 und 2022 in Europa nahezu verfünffacht.

Zwischen dem Munich Airport und dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen auf dem Gebiet der Gemeinden Gauting, Gilching und Weßling im Landkreis Starnberg gab es den Greenpeace-Zahlen zufolge im Jahr 2020 noch 32 private Flüge, doch 2022 stieg ihre Zahl demnach auf 133.

"Das Verkehrsaufkommen zwischen dem Flughafen München und Oberpfaffenhofen fällt gemessen am Gesamtvolumen des Flughafens München sehr gering aus. Es liegt bei 0,076  Prozent", teilt ein Munich-Airport-Sprecher auf AZ-Anfrage mit und weist in einer Aufstellung den Anteil der "gesichert messbaren Privatjets" aus.

Im Privatjet in 20 Minuten von Oberpfaffenhofen nach München

Der restliche Verkehr zwischen dem Erdinger Moos und dem Landkreis Starnberg setze sich aus Werks-, Trainingsflugverkehr, Wartungsverkehr, Privat-Chartern und Hubschrauber-Flügen der Landes- sowie Bundespolizei und des Militärs zusammen.

So betrug die Gesamtzahl der Flüge zwischen München und Oberpfaffenhofen 2020 laut Flughafen-Zählung 133 – und 191 im Jahr 2022. Davon gesicherter messbarer privater Reiseverkehr waren demnach 17 Flüge in 2020 und 29 in 2022. Im laufenden Jahr 2023 (Stand: 21. November) gab es bis dato 171 Flüge zwischen München und Oberpfaffenhofen und 17 Bewegungen mit Privatjets. Das Gesamtvolumen an Starts/Landungen am Munich Airport betrug 146.833 Flüge (2020) respektive 285.028 Flüge (2022).

Private Charter-Flüge, wie man sie bei den entsprechenden Anbietern im Internet buchen kann, sind in dieser Aufstellung allerdings nicht extra ausgewiesen. Greenpeace teilt dazu mit: "Der Flughafen München gibt in seiner Definition an, dass Privat-Charterflüge ausgeschlossen wurden. Diese sind in unseren Daten enthalten, denn auch hier handelt es sich um klassische Privatflüge."

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Greenpeace: Zahl der Privatjetflüge in Deutschland stieg 2022 um 76 Prozent auf gut 58.000

Wer etwa am 8. Dezember mit einem Midsize-Jet für sechs bis zehn Personen von Oberpfaffenhofen in Richtung München abheben will, zahlt 4.300  Euro und ist dabei 20 Minuten unterwegs, ergibt eine Beispiel-Abfrage der AZ. Fährt man mit dem Auto, braucht man ohne Stau rund 45 Minuten. Steigt man auf öffentliche Verkehrsmittel um, dauert’s ungefähr 90 Minuten – gesetzt den Fall, die S-Bahn kommt pünktlich.

"Tatsächlich ist die Zahl der Privatflugreisen während der Pandemie sprungartig angestiegen. Schon in 2021 wurde das Vor-Pandemie-Niveau wieder erreicht. Uns selbst liegen keine Daten für die Gründe vor, aber es mag unter anderem an diesen Faktoren liegen: Während der Linienflugverkehr während der Pandemie stark eingeschränkt und reguliert wurde, konnten Privatflüge ungestört weitergeflogen werden", so Greenpeace-Mobilitätsexpertin Lena Donat zur AZ.

"Wahrscheinlich war es während der Pandemie auch vielen unangenehm, eng gedrängt in einem Flugzeug zu sitzen." Wer es sich leisten konnte und wollte, sei dann wohl auf Privatflüge umgestiegen. Aber, sagt Donat: "Es kann nicht sein, dass wenige Superreiche durch die Welt jetten, als gäbe es kein Morgen, während die katastrophalen Folgen der Klimakrise nicht mehr zu übersehen sind. Es geht dabei nicht um medizinische Notfälle und andere Ausnahmen."

"Der alarmierende Anstieg der Privatflüge ist das Gegenteil dessen, was die Klimawissenschaft fordert. Der CO2-Ausstoß im Verkehr muss drastisch sinken. Zu den eigentlich nötigen Maßnahmen gehört auch ein Verbot von Privatjets", sagt Greenpeace-Mobilitätsexpertin Lena Donat.
"Der alarmierende Anstieg der Privatflüge ist das Gegenteil dessen, was die Klimawissenschaft fordert. Der CO2-Ausstoß im Verkehr muss drastisch sinken. Zu den eigentlich nötigen Maßnahmen gehört auch ein Verbot von Privatjets", sagt Greenpeace-Mobilitätsexpertin Lena Donat. © Greenpeace Deutschland/Gordon Welters

Lena Donat: "Klimaschädliche Privatjets sind die rücksichtsloseste Form der Mobilität"

Ein Großteil der Privatflüge seien nachweislich Freizeitflüge "und auch die beruflichen lassen sich ersetzen durch Videokonferenzen, Zugfahrten oder Linienflüge", so Donat. Klimaschädliche Privatjets seien die rücksichtsloseste Form der Mobilität. "Sie gehören verboten."

Emissionen von Privatjets seien bislang in der EU nicht reguliert, obwohl sie pro Passagier fünf- bis 14-mal so viele Treibhausgase verursachten wie kommerzielle und 50-mal mehr als eine Zugfahrt auf der gleichen Strecke.

Ein Verbot von kurzen Privatflügen hält Grünen-Bundespolitiker Stefan Gelbhaar für rechtlich schwierig. Er gibt aber zu bedenken: "Privatjet-Flüge werden von der Allgemeinheit mit bezahlt – durch die mitgenutzte Infrastruktur und vor allem durch die Schäden an Gesundheit, Klima und Umwelt", so der verkehrspolitische Sprecher seiner Partei, der "FAS".

 Flieger stößt bei Inlandsflug durchschnittlich 271 Gramm CO2 pro Person pro Kilometer aus

Diese Belastungen müssten minimiert und könnten etwa durch höhere Flughafengebühren ausgeglichen werden. Für die verbleibenden Flüge sollten sich die Privatjetnutzer bemühen, mehr nachhaltigen Treibstoff zu tanken, so der Grüne. "Sie haben die finanziellen Mittel, endlich mal Initiativen für eine E-Fuels-Produktion anzustoßen."

Laut Umweltbundesamt kann man mit einem kompletten Flugverzicht eine halbe Tonne CO2 pro Jahr einsparen.
Laut Umweltbundesamt kann man mit einem kompletten Flugverzicht eine halbe Tonne CO2 pro Jahr einsparen. © Umweltbundesamt

Laut Umweltbundesamt produzieren Bahn und Reisebus weniger als ein Viertel der Treibhausgase eines Fluges. So stößt bei einem Inlandsflug ein Flieger durchschnittlich 271 Gramm CO2 pro Person pro Kilometer aus. Bei der Bahn liegt der Wert nur bei 46 im Fernverkehr und 93 Gramm im Nahverkehr. Das Auto liegt knapp hinter dem Flugzeug (im Schnitt 162 Gramm CO2 pro Person pro Kilometer).

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  • Der wahre tscharlie am 09.12.2023 18:46 Uhr / Bewertung:

    "Immer mehr Menschen fliegen in Privatjets von Oberpfaffenhofen zum Airport München. "

    Oh Mann, oh Mann.......
    Dazu eine Studie von "Oxfam".
    "Superreiche schädigen das Klima weit mehr als der Rest der Menschheit".
    ""Eine kleine Elite gönnt sich einen Freifahrtschein für die Zerstörung unseres Klimas": Oxfam zeigt in einer Analyse ein starkes sozial-ökologisches Ungleichgewicht auf. "

  • sircharles am 09.12.2023 15:35 Uhr / Bewertung:

    Die Bayern mit dem Zug, die Löwen dürfen fliegen - in die 4. Liga!

  • Monaco_Flote am 10.12.2023 02:32 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von sircharles

    Die Blauen sind mir ehrlich egal 😂 ob die jetzt gegen Hachjng spielen oder gegen Buchbach am Ende verlieren sie gegen beide 😂 aber du hast natürlich Recht für die Blauen muss natürlich das Gleiche gelten, aber immerhin machen sie nicht auch so penetrant auf Umweltschutz wie der große Bruder. Das muss.man Ihnen lassen und ich denke das kann man den Roten auch zu Recht anlasten.
    Für den Provinzverein ausbder Harlschinger Hauptstr interessiert sich doch eh keiner zwinkern

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