Schampus-Nacht mit Sternchen: 40 Jahre Filmball
Romy Schneider als bespritztes Röllchen, Genscher als Tänzer und viel glamouröse Balz: Graeter erzählt die besten Filmball-Geschichten
München - Im Bankgebäude der Münchner Kreissparkasse am Sendlinger Tor, das aussieht wie die Talstation einer Bergbahn, wird seit gestern Abend Glanz verströmt, wenn auch zurückhaltend. Der deutsche Film ist zu Gast in Form einer Jubiläums-Ausstellung.
Deshalb liegt auch ein breiter roter Teppich über dem Steinboden in der großen Schalterhalle. Für die Ausstellung „40 Jahre Deutscher Filmball“ stellten die beiden Bankbosse Walter Fichtel und Andreas Frühschütz die Empore ringsherum zur Verfügung.
Farbige Bilder von gestern und heute zeigen auf etwas nüchternen Aufstellern und leider mit wenig Bildunterschriften versehen, was sich abspielte. Daneben hängen alte Kinoplakate mit einem grimmig dreinblickenden Stanley Kubrick zum Beispiel oder „Plattfuß“ Bud Spencer.
Auf einem Großfoto kommt auch eine Grimassen schneidende Spinat-Werbedame zu unverhofften Ehren, die auch mal beim Filmball war und dadurch auffiel, weil sie als einzige mit Bodyguards erschien. Vielleicht war das besser als gar kein Begleiter.
Als der Filmball laufen lernte, bestand die Glanz-Gala, die bis heute nur in München möglich ist, aus zwei Veranstaltungen mit jeweils den gleichen Hauptdarstellern, einer leicht rustikalen und einer feinen Soiree. Noch heute schwärmt die Szene vom „Mathäserball“, der zwei Nächte vor dem Filmball am Stachus stattfand.
Das Smokingfest im Saal der legendären „Mathäserstadt“ mit Bierschwemme und 1800-Plätze-Kino hatte seinen besonderen Reiz, weil unten die Stars „aufs Haus“ feierten und oben sich die Metzger und Lieferanten die Nähe zu ihren Idolen etwas kosten ließen. In der Mitte, bevor der Tanz begann, stand ein Schlaraffenland-Büffet. Den Kaviar-Verkauf übernahm die Top-Wirtin Rosa Reiss persönlich und kassierte sofort.
Bud Spencer und Terence Hill oder Klaus Kinski und Gerd Fröbe waren Gäste von Deutschlands größtem Filmproduzenten Horst Wendlandt, die Ballspesen von Uschi Glas oder Senta Berger übernahm die Constantin-Film. Jede Menge Filmsternchen, wie es sie heute gar nicht mehr gibt, durchkämmten den Ballsaal und waren auf der Jagd nach einer Rolle – und wenn es nur für diese Filmball-Nacht war.
Die flirrende Sybil Danning, Hauptdarstellerin in „Komm nur, mein liebstes Vögelein“ von Rolf Thiele, machte die Produzenten verrückt, einer gab sich und sein ganzes Vermögen hin. Terence Hill wird die Münchner Ballnächte nie vergessen, weil ihn ein ganzes Rudel Girls ins „Hilton“ verfolgte.
Bevor das Smoking-Fest im Hotel „Bayerischer Hof“ seinen Stammplatz fand, ging der Filmball auch im Deutschen Theater über die Bühne.
Neben den wichtigen Herren und Damen vom „Tesafilm“ glänzten Curd Jürgens, der die frühere Heinz-Bar berühmt machte, weil er dort seiner Frau eine Watschn gab, Jean Claude Brialy („Schrei, wenn du kannst“), auf dem Parkett mit Marisa Berenson, der beim Tanz ihr süßer Busen rausrutschte, Franz Josef Strauß mit Ruth Leuwerik, Eddie Constantin, Rudi Carrell, Maximilian Schell und Blacky Fuchsberger.
Ende der 60er erlebte Romy Schneider eine besonders rauschende Nacht. Das Deutsche Theater, zum Ballsaal umgebaut wie die Wiener Oper zum Opernball, war schon leer. Auf dem langen Tisch rechts vor der Bühne lag eine glücklich ergebene Romy und ließ sich juchzend wie zu Silvester ins Tischtuch einwickeln. Die verbliebenen Gentlemen orderten eine Batterie Champagner und spritzten auf die Schneider, wie es heute bei Formel-1-Piloten nach dem Grand-Prix-Sieg Sitte ist. Ein Taxi brachte Frottee-Tücher.
Bundesinnenminister Hans Dietrich Genscher war oft Filmball-Schirmherr und als fleißiger Tänzer bekannt. TV-Moderatorin Petra Schürmann hatte beim langsamen Fox so ihre Eindrücke und Uschi Glas verriet nach der Tanzrunde mit Genscher: „Wir waren so ins Gespräch vertieft, dass ich auf die Schritte nicht geachtet habe.“ Silvester Stallone war hinter Petra Schürmann her, die ihn mit Langustenschwänzen verführt hatte.
Als die Namen etwas kleiner wurden, weil die gastgebenden Filmverleiher ihre Tische nicht mehr mit Top-Stars schmücken wollten oder konnten, sorgte Bernd Eichinger an seinem Constantin-Tisch für Farbe. Er lud Regisseur Helmut Dietl und Starkomiker Otto Waalkes ein, die einmal ein zweifelhaftes Vergnügen hatten. Als Höhepunkt der Verehrung für seine damalige Lebensgefährtin Hannelore Elsner und aus Verachtung wohl für ein königliches Stimmungswasser, trank der von Filmmogul Leo Kirch protegierte Bernd Champagner aus Elsners Pumps.
In einem Eck amüsierte sich Lack-Fabrikant Helmut Hemmelrath, immer großzügig mit Damen wie Marisa Mell und Christine Kaufmann, der in Dietls „Kir Royal“-Serie als Klebstoff-Fabrikant Haffenloher verewigt wurde, dargestellt von Mario Adorf.
Den langjährigen Ball-Organisator Jochen Henkel löste der Münchner Kino-Besitzer Steffen Kuchenreuther ab, der als SPIO-Chef und als einziger im Frack das Elf-Stunden-Fest steuerte, bei dem jetzt Ministerpräsident Horst Seehofer oberster Gastgeber ist.
Als Film-Blaubart entpuppte sich Hans Wolfgang Jurgan, der „Degeto“-Chef, der in Zusammenarbeit mit Produzentin Regina Ziegler und TV-Star Christine Neubauer die ARD üppig mit Filmproduktionen versorgte. Auf dem Ball 2011 verwechselte der TV-Funktionär beim Gespräch mit Birgit Prochnow den Ballsaal mit dem Schlafzimmer.
Direkt daneben erlebten Regisseur Michael Radford, Karel Dirka, Filmanwalt Stefan von Moers und Kaschmir-Prinzessin Anna von Barcsay Jurgans Casanova-Qualitäten