„Schäume über vor Gefühlen“

Helg Sgarbi, Verführer und Erpresser der Milliarden-Erbin, steht ab Montag in München vor Gericht – ein Doppel-Portrait
von  Abendzeitung
Klatten und ihr Erpresser Helg Sgarbi.
Klatten und ihr Erpresser Helg Sgarbi. © az

Helg Sgarbi, Verführer und Erpresser der Milliarden-Erbin, steht ab Montag in München vor Gericht – ein Doppel-Portrait

Es ist wohl dieser gewisse Blick, der die Frauen schwach werden lässt. Ein Blick, wie ihn etwa Heinz Rühmann draufhatte, um die Frauen rum- und einen Haufen Geld auf sein Konto zu kriegen. Das war allerdings 1938 und nur im Kino. „Fünf Millionen suchen einen Erben“ hieß die Komödie, in der Rühmann den Gigolo mimt und dazu singt: „Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frau’n, weil ich so stürmisch und so leidenschaftlich bin, mir braucht nur eine ins Auge zu schau’n, und schon ist sie hin.“

Um wesentlich mehr Geld und dazu einen sehr realen Gigolo geht es dagegen derzeit im Fall der Susanne Klatten, die aber ebenfalls auf diesen gewissen Blick hereinfiel. Es seien die „faszinierenden blauen Augen“ dieses Helg Sgarbi gewesen, durch die sie sich als erstes zu ihrem späteren Liebhaber und Erpresser hingezogen gefühlt habe, zitiert der Mailänder „Corriere della Sera“ aus dem Aussageprotokoll der Milliardärin Susanne Klatten bei der italienischen Polizei. Weiter schildert der Bericht Sgarbi als einen Mann, der sich bescheiden mit einem Whisky in eine Ecke stellte, von wo er aber aus seinen traurigen Augen diese rührenden Blicke aussandte, ein ständiges SOS an die Damenwelt, bis sie ihm reihenweise in die Falle gingen.

Helg Sgarbi und Susanne Klatten sind extrem unterschiedliche Menschen

Helg Sgarbi (heute 44) und Susanne Klatten (46) – zwei extrem unterschiedliche Menschen, die sich da im Sommer 2007 begegnen. Sgarbi, Sohn einer großbürgerlichen Schweizer Familie, Reserveoffizier, Jurastudium, der für sich aber, nach anfänglicher Karriere im Banken- und Industriemanagement, spätestens ab 2001 eine bequemere und sicher auch einträglichere Erwerbsquelle entdeckt hatte: Herzensbrecher, Verführer, Betrüger und Erpresser.

Ob aus eigenem Antrieb oder angeleitet durch den Anführer einer obskuren italienischen Sekte, der Sgarbi sich zugewandt hatte, wird vielleicht der Prozess klären, der am Montag in München beginnt. Geheimnisumwittert gibt sich Sgarbi in seinem zweiten Leben. In diplomatischen Diensten stehe er, lässt er durchblicken, unterwegs im geheimen Auftrag für die Schweiz.

Ein Flair von James Bond, das bei den Damen durchaus ankommt. Ein Mann, sicher kein Adonis oder Kraftprotz, eher schmal, schüchtern vielleicht, aber gebildet, weltgewandt, einfühlsam und einfach betörend charmant. Ein Frauenversteher. Dazu umgeben von diesem verführerischen Touch von Einsamkeit.

Er sucht nicht die große Liebe - sondern das Geld

So macht sich Sgarbi auf seine Herzensbrecher-Touren durch die Wellness-Tempel der Society-Ladys. Doch er sucht nicht die große Liebe, sondern das große Geld. Seine Masche ist stets die gleiche. Auf romantische Nächte folgen schwülstige Liebesbriefe: „Liebste, erinnerst Du Dich? Als wir uns am Strand lustvoll ineinander verkeilten und Du laut stöhntest?“ Und die Damen erinnerten sich: „Schäume über vor Gefühlen für Dich. Bin in Dir, um Dich.“

Waren die Damen so weit, kam Sgarbis ganz große Nummer – die Mitleidstour: Er habe auf einer seiner Geheimmissionen mit seinem Auto ein Kind überfahren. Nun seien – wahlweise – US-Gangster, die Mafia, ein Zigeunerclan hinter ihm her. Nur mit Millionen könne er sich freikaufen. Und die Damen steuerten meist bereitwillig dazu bei. Mit Beträgen mal im sechsstelligen, mal im Millionenbereich. Nach Auszahlung musste Sgarbi dann wieder mal ganz schnell weg, ganz geheim, für immer...

Ein Windhund, ein Betrüger. Wie konnte eine Frau wie Susanne Klatten auf so einen hereinfallen? Diese clevere, sonst so streng disziplinierte Unternehmerin. Großaktionärin und Aufsichtsrätin von BMW. Die reichste Frau Deutschlands. Geschätztes Vermögen trotz internationaler Finanzkrise immer noch sechs bis acht Milliarden Euro, dazu an Dividenden aus Aktien weitere gut 100 Millionen. Pro Jahr. Aber eben auch eine gebürtige Quandt. Ein Name, der für die Tradition eines Familienimperiums steht, das Gewicht hat, nicht nur in Deutschland. Aber auch ein durch die Ausbeutung von Zwangsarbeitern im Dritten Reich belasteter Name. Ein Name wie ein Korsett.

Ihren Namen verschweigt sie

Den sie lieber verschweigt während ihres Studiums in England und der Schweiz. Den sie anfangs nicht einmal ihrem späteren Ehemann, dem Ingenieur Jan Klatten, verrät. „Freisein von dem Nachnamen“, erzählt sie heute in einem Interview der „Financial Times“, „das war eine ganz tolle Zeit, eine große innere Freiheit.“ Frei auch von den Schattenseiten des Reichtums. Konnte sie danach als Konzernchefin doch nie mehr sicher sein: Ist der wirklich wahrhaftig, der da gerade vor mir sitzt? Oder wieder einer, der in mir nur die Milliardärin sieht, das Geld? Ein verletzendes, auf Dauer auch zermürbendes Gefühl.

„Ich möchte jemanden ehrlich spüren und nicht am Maß des Geldes gemessen werden. Ich möchte als Mensch gesehen werden“, sagt sie und nimmt sich im Sommer 2007 eine Auszeit. Im Tiroler Wellness-Sanatorium Lanserhof. Dort, wo einer wie Helg Sgarbi nur wartet auf solche Frauen, die sich trotz all ihres Reichtums leer und einsam fühlen.

Fritz Janda

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