Welcome-Center: München sagt dem Fachkräftemangel den Kampf an – und fürchtet die AfD

München - Vier Mitarbeiter könnte er sofort gebrauchen, sofort anstellen, sagt Olaf Zimmermann. Er führt seit fast 30 Jahren eine Heizungs- und Sanitärfirma in München. "Gerade sagen wir Aufträge ab und das tut uns sehr weh." Aber neue Mitarbeiter zu finden, sei schwer. Zimmermann setzt deshalb auch auf ausländische Fachkräfte. Und das macht die Sache nicht leichter.
Fachkräftemangel in München: Anstellungen scheitern an bürokratischen Prozessen
Einmal habe er einen Peruaner anstellen wollen, der in Italien lebte. Eineinhalb Jahre habe er nichts mehr von dem Mann gehört, erzählt Zimmermann. "Dann kam plötzlich die Nachricht: Ich hab jetzt die Papiere, ich kann anfangen." In Italien habe dieser Prozess gerade mal ein Vierteljahr gedauert. Ein anderer Mitarbeiter, der ursprünglich aus Syrien stamme, dürfe keinen Führerschein machen, weil er noch keinen richtigen Aufenthaltstitel hat. Wieder andere dürften nicht mit zum Betriebsausflug, weil der Pass fehlt.
Um all diese Probleme muss sich der Chef der Heizungsfirma momentan selbst kümmern. Das kostet Zeit, das kostet Nerven. Die Grünen im Münchner Stadtrat wollen, dass das besser wird. Sie beantragen deshalb, dass die Stadt ein "Welcome-Center" schafft. Dieses soll Fachkräften aus anderen Teilen Deutschlands oder aus dem Ausland den Start in München erleichtern.
Vom Handyvertrag bis zum Bankkonto: Das "Welcome-Center" in München soll helfen
"Das Welcome-Center soll bei allen Belangen helfen", sagt Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne). Die Menschen, die sich in München ein neues Leben aufbauen wollen, sollen nicht mehr von einer Behörde zur nächsten geschickt werden, sondern unkompliziert Hilfe finden – egal, ob es darum geht, wie sie einen Aufenthaltstitel oder ein neues Konto, eine Wohnung oder einen Handyvertrag bekommen. So erklärt Julia Post die Idee. Sie ist in der Grünen-Fraktion für Wirtschaftsthemen zuständig und kandidiert für den Landtag.
Beide Frauen sind überzeugt, dass sich Deutschland das Hin- und Herschicken, das Warten-Lassen von Menschen, die hier einen Job anfangen wollen, nicht mehr leisten kann. Schließlich fehlen nicht nur der Sanitärfirma von Olaf Zimmermann die Mitarbeiter. Mehr als jedes zweite Unternehmen in Deutschland kann nicht mehr alle offenen Stellen besetzen, rund zwei Millionen Arbeitsplätze bleiben deshalb vakant. Davon geht die Deutsche Industrie- und Handelskammer aus.
Das Welcome-Center soll deshalb ein Ort sein, an dem sich die Menschen wohlfühlen, der gut erreichbar und einladend ist, beschreibt Katrin Habenschaden.
Neue Mitarbeiter sollen dafür nicht eingestellt werden, vielmehr sollen die vorhandenen Beratungsangebote dort gebündelt werden. Wie viele Menschen in dem Center einmal arbeiten sollen, können Habenschaden und Post noch nicht sagen.
In Stuttgart gibt es bereits ein "Welcome-Center"
Das Welcome-Center muss das Kreisverwaltungsreferat einrichten. Die Chefin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne) freut sich darauf: "Ich kann mir keinen besseren Ort für ein Welcome-Center vorstellen." Vorbild soll Stuttgart sein. Dort gibt es bereits ein Welcome-Center, in dem zehn Personen arbeiten, die alle möglichen Fremdsprachen beherrschen. Ziel ist, dass auch in München die Menschen Hilfe in ihrer Muttersprache finden.
Habenschaden ist zuversichtlich, dass das klappt. Schließlich sprechen die KVR-Mitarbeiter auch viele verschiedene Sprachen, meint sie. Sorge bereitet ihr die AfD. Menschen aus dem Ausland werden sicher genau hinschauen, ob sie sich dort niederlassen wollen, wo eine rechte Partei in Umfragen bei um die 20 Prozent liegt, meint sie. "Die AfD ist die größte Gefahr für unsere wirtschaftliche Zukunft."