S-Bahn: Der zweite Tunnel kommt
Ein Gutachten zeigt: Der Südring hat mehr Nachteile als eine zweite S-Bahn-Röhre. Bis 2018 zu den Olympischen Spielen sollen die zwei neuen Gleise von Laim bis Ostbahnhof in Betrieb sein
Eines der umstrittensten Verkehrsprojekte Münchens ist gestern einen entscheidenden Schritt weiter gekommen: Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) und OB Christian Ude (SPD) präsentierten die jüngste vergleichende Studie zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke und zur einzig verbliebenen Alternative, dem Ausbau des Bahn-Südrings. Klares Ergebnis: Der Südring ist endgültig aus dem Rennen.
Seit mehr als 15 Jahren wird über den dringendst benötigten Bypass fürs Münchner S-Bahnnetz gerungen, diskutiert und gestritten. Immer wieder wurden Prognosen zu Baubeginn und Fertigstellung auf den Markt geworfen. Wahr geworden ist noch keine.
Aber jetzt soll es klappen. Zu vernichtend ist aus Sicht der Tunnel-Befürworter die Klatsche, die sich das Projekt Südring-Ausbau und seine Befürworter eingefangen haben. Denn im Vergleich zu der zweiten, weitgehend parallel zur ersten Stammstrecke verlaufenden Röhre stinkt diese Alternative komplett ab. Sagen die Projekt-Gutachter.
Eine kleine Auswahl von Argumenten gegen den Südring: Sie entlastet die Stammstrecke nur zu einem zu geringen Maß.
Sie bringt keine bessere Erreichbarkeit der Innenstadt.
Sie wäre erst frühestens 2023 fertig.
Sie wäre mit 1,36 Milliarden Euro zu teuer.
Und wegen eines mangelhaften Nutzen-Kosten-Verhältnisses ist sie „volkswirtschaftlich nicht sinnvoll“ – sprich: Es gäbe keine staatlichen Zuschüsse.
Die 1,36 Milliarden wären nach bisherigem Planungsstand nur rund 200 Millionen weniger, als die zweite Röhre kosten soll. Die könnte dafür aber auch mit knapp 50000 Fahrgästen pro Tag deutlich mehr Menschen vom Auto auf die Schiene locken als der S-Bahn-Südring (39000 Fahrgäste pro Tag). Und: Sie würde nach den neuesten Gutachten die bestehende Stammstrecke doppelt so stark entlasten.
Um auf so eindeutige Zahlen zu kommen, wurde in den letzten Monaten aber noch einmal kräftig umgeplant. Zunächst sollte sich der Tunnel unter Haidhausen teilen, ein Ast zum Ostbahnhof, einer zum Leuchtenbergring führen. Aktueller Stand: Es bleibt bei einem Tunnel, der führt direkt und ohne Halt vom Marienhof in einem großen Bogen zum Ostbahnhof.
„Der zweite S-Bahn-Tunnel bringt im Gegensatz zum Südring einen ausreichenden volkswirtschaftlichen Nutzen“, lobte OB Ude gestern das von ihm seit jeher unterstützte Projekt. Mit einem Nutzen-Kosten-Faktor von 1,15 erreiche der Tunnel eine positive Bewertung – und bekommt Zuschüsse aus Berlin. Der Südring liegt dagegen bei bescheidenen 0,8.
Zwei für die Stadt und die Bahn positive Nebeneffekte hätte der zweite Tunnel außerdem: Für den neuen, unterirdischen Halt Hauptbahnhof müssten wesentliche Teile des bestehenden Bahnhofs-Bauwerks abgerissen werden. „Das bietet eine große Chance für den Neubau“, sagt Ude – der ja ebenfalls seit Jahrzehnten gefordert und geplant wird. Und: In der neuen Röhre könnte auch die Express-S-Bahn zum Flughafen fahren.
Minister Zeil kündigte gestern Nachmittag an: „Wir werden die Planungen für den zweiten Tunnel mit Hochdruck weiterführen. Der angestrebte Zeitplan lässt keine Verzögerungen mehr zu.“ Nicht zuletzt deswegen, weil klar ist, dass in absehbarer Zeit keine Zuschüsse aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz mehr fließen werden.
Allen Gegnern schrieb der Minister ins Stammbuch: „Wer weiter auf den Südring setzt und mit ihm die Zukunft des öffentlichen Verkehrs in München gestalten will, der läuft Gefahr, am Ende nichts zu bekommen.“ Nur mit der zweiten Röhre könne München fit für die Zukunft gemacht werden.
Mit dem OB formulierte Zeil eine Wunschvorstellung für die Fertigstellung der zusätzlichen Stammstrecke. Die klingt aber nach den bisherigen Erfahrungen trotz aller positiven Bewertungen des Projekts ganz schön ambitioniert. Spätestens 2018, rechtzeitig zu den angestrebten Olympischen Winterspielen, sollen die beiden zusätzlichen Gleise von Laim bis zum Ostbahnhof führen.
Rudolf Huber, Willi Bock
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