S-Bahn-Chaos: Alle in derselben Bahn
Der öffentliche Nahverkehr stellt die Münchner und Pendler bald täglich vor eine philosophische Frage: Wenn das Chaos zur Regel wird, was wäre dann die Ausnahme? Der Fahrplan? Offiziell nicht: Die Pünktlichkeitsstatistik von U- und S-Bahn verzeichnet ähnlich hohe Werte wie sie einst Honecker auf SED-Parteitagen erzielen konnte, kollidiert aber mit der persönlichen Wahrnehmung und den Erfahrungsberichten der AZ-Leser.
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Das Krisenmanagement ist vom routinierten Zusammenbrechen des Nahverkehrs überfordert, wenn man die Zeichen der Desinformation richtig deutet. Immerhin üben sich die Fahrer vermehrt in Offenheit: Sätze wie „Warum wir hier stehen, weiß ich auch nicht“, oder „Liebe Fahrgäste, ich habe keine Ahnung, wann es weitergeht“ sind zwar nur Anzeichen völliger Hilflosigkeit, erhöhen aber das Solidaritätsgefühl: Wir sitzen alle in derselben Bahn.
Am Freitag nimmt das wochenlange Wochenendchaos seinen geplanten Lauf, danach folgen wohl Herbst- und Winterchaos. Und dann wird der Marienhof wieder begrünt, gewissermaßen als Zeichen, dass es nie eine zweite Stammstrecke geben wird. Im September 2013 feiert die S-Bahn die neue Haltestelle Freiham, es müssen neue Wohngebiete und Fahrgäste erschlossen werden. Wie aber bekommt man endlich die Politiker dazu, dass sie die Dringlichkeit von Ausweichstrecken erkennen? Vielleicht müssten sie einfach mit uns fahren – in derselben Bahn.