S-Bahn: Alkoholverbot spaltet München
Ab 11. Dezember ist Biertrinken im MVV untersagt. Gut so? Die AZ erklärt die Regel und die Debatte darum.
München - Das war’s dann mit dem so genannten Fahrbier: In der S-Bahn ist es künftig verboten, Alkohol zu trinken. In U-Bahn, Bus und Tram gilt das bereits seit 2009. Hier die wichtigsten Fragen:
Ab wann gilt das Verbot? Ab dem 11. Dezember. Dann tritt der neue Fahrplan mit anderen Tarifbestimmungen in Kraft.
Was genau ist untersagt?
Das Konsumieren von Alkohol. Die Weinflasche im Einkaufskorb darf man weiter mitnehmen, auch das Tragl Bier zum Flaucher. Und: Wenn man schon ein bisschen was intus hat, nimmt einen die S-Bahn laut MVV-Auskunft trotzdem mit – solange man nicht andere Fahrgäste belästigt.
Wer kontrolliert das?
Das ist noch unklar und soll bis Mitte November geklärt sein. Denkbar ist, dass die Bahnwache durch die Waggons geht.
Was kostet ein Verstoß?
Auch das steht noch nicht fest. In Hamburg gilt das Verbot seit 1. Oktober. Wer dagegen verstößt, muss 40 Euro zahlen.
Warum zieht die S–Bahn erst jetzt nach?
Die Gesellschafter der Bahn hatten bereits im September für das Verbot gestimmt, wollten es erst nach der Wiesn kommunizieren. Lange hatte die Bahn sich gesperrt, weil sie in Regional- und Fernzügen Alkoholika in den Bordrestaurants anbietet.
Die Regel aus Hamburg hat die Debatte angeregt. Der Städte- und Gemeindebund hatte sich dafür stark gemacht. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: „Die Entscheidung ist wichtig, weil die Gefahr, Opfer von unter Alkoholeinfluss stehenden Randalierern zu werden, vermindert werden kann."
Was soll das Verbot?
Die Bahn will das Sicherheitsgefühl stärken. Sprich: Fahrgäste fühlen sich unwohl, wenn ihnen jemand mit Bierflasche gegenübersitzt.
Was ist mit Bahnhöfen?
Für sie gelte das Verbot nicht, sagt ein Bahnsprecher. Aber: In U-Bahnhöfen ist Alkohol wie auch in U-Bahn, Bus und Tram bereits verboten.
Wer trinkt in Zügen?
Ungeklärt. „Wahrgenommen werden oft Jugendliche und junge Erwachsene”, sagt Jörg Wolstein von der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen.
Ist das Verbot sinnvoll?
Diese Frage spaltet München. „Ein flächendeckendes Alkoholverbot ist nicht durchsetzbar”, sagt Alexander Reissl, SPD-Fraktionschef im Stadtrat. Aber: „Die S-Bahn hat längere Strecken als die U-Bahn, und in 20 bis 40 Minuten kann man sich gut einen antrinken.” Das Verbot sei logisch.
Sinnvoll hält es auch Suchtexperte Wolstein: „Restriktive Maßnahmen können helfen. Allerdings werden die Jugendlichen nicht weniger trinken, nur wo anders.” Eine Sprecherin aus Hamburg sagte, dort sei das Verbot akzeptiert. Es wirke präventiv, und man habe wenige Bußgeldbescheide ausstellen müssen.
Nico Reppe (36), Angestellter im Mini Markt:
„Ich finde das gut. Oft wird unter Alkoholeinfluss randaliert. Ich denke aber nicht, dass es sich auf unser Geschäft auswirkt.“
Maria Danylyuk (39), Angestellte k presse und buch:
„Alkoholkonsum in der S-Bahn ist für unsere Kinder doch kein Vorbild. Das finde ich besonders schlimm.“
Sica Rosario Angelo (30), Student:
„Ich bin absolut dafür. Oft liegen in der S-Bahn umgeschüttete Bierflaschen, das ist unhygienisch und stinkt.“
Martin Schrage (31), wissenschaftlicher Assistent:
„Ich finde ein gänzliches Verbot nötig, man sieht immer mehr randalierende, angetrunkene Jugendliche.“
Benjamin I. (23), Schreinerlehrling:
„Ich bin dagegen, etwas zu trinken gehört zur persönlichen Freiheit. Wenn man keine Leute anpöbelt, sehe ich da kein Problem.“
Cornelia Mäckl (49), Angestellte:
„Manche führen sich sehr aggressiv auf, wenn sie getrunken haben. Sie schmeißen dann auch mit Flaschen, das ist gefährlich.“
Gerold Höfer (42), Beamter:
„Wenn sich jeder unter Alkoholeinfluss beherrschen könnte, wär’ es vielleicht in Ordnung. Aber viele schlagen halt über die Stränge.“
Adelheid Boeck (85), Rentnerin:
„Ich wurde selber schon angepöbelt und finde das Verbot gut. Das gibt es ja schon lange in der U-Bahn, warum noch nicht in der S-Bahn?“
Wer sich für den Fortbestand der Alkohol-Erlaubnis im MVV einsetzt, muss damit rechnen, niedergebuht zu werden: Der Gestank! Die Gefahr! Das Generve! Schon recht. Hier soll weder übelriechenden Säufern, pöbelnden Chaos-Kids noch rüpelnden Wiesn-Touristen das Wort geredet werden. Aber gehört das Alkoholverbot wirklich mit Hurra begrüßt?
In den so genannten „Beförderungs- und Tarifbestimmungen“ steht bereits seit Jahren, dass „Personen, die unter dem Einfluss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel stehen“, von der Beförderung ausgeschlossen sind – genauso übrigens wie Personen, die Gewaltbereitschaft zeigen, die „verschmutzt“ sind oder „übel riechen“.
Und? Hilft’s? Wenn also die Reglementierer durchgreifen und den ohnehin geplagten S-Bahn-Pendler schützen wollen – warum dann nicht gleich richtig? Wünschenswert wäre etwa, laute Selbstgespräche (erst recht solche mit religiösem Motiv) zu untersagen. Was ist mit Flatulenzen und Füßehochlegen? Mit Rädern und deren verschwitzten Besitzern? Was mit sabbernden Hunden und lauten Handyfonierern?
Im Miteinander, erst recht in der Enge einer S-Bahn, sind Rücksichtnahme und Anstand gefragt. So etwas hat selten ein Gesetz erzwungen.
Michael Schilling, AZ-Lokalchef