Ryan Dolan: „Ich wollte ich selbst sein“

München - Der irische Sänger und Songwriter Ryan Dolan nahm 2013 am Eurovision Song Contest teil. Am Sonntag von 19 bis 20 Uhr tritt der 29-Jährige beim CSD auf dem Marienplatz auf.
AZ: Herr Dolan, Sie waren ganz wild darauf, in München aufzutreten, warum?
RYAN DOLAN: Ich war letztes Jahr zum ersten Mal in meinem Leben in Deutschland: in Köln. Das war fantastisch. Deshalb wollte ich zurückkommen und mehr von diesem Land sehen.
Die meisten Münchner dürften Sie vom Eurovision Song Contest (ESC) 2013 kennen. Sie wurden damals Letzter – genau wie heuer die deutsche Teilnehmerin Ann Sophie.
Oh ja, ich hörte davon.
Wie ist das, wenn man sein Bestes gegeben hat– und dann miterleben muss, wie man bei der Punktevergabe immer weiter nach hinten rutscht?
Im ersten Moment war das schon sehr entmutigend. Aber ich habe nicht lange gebraucht, um drüberweg zu kommen. Der ESC war trotzdem ein Meilenstein meiner Karriere. Ich wurde anschließend zu Eurovision-Partys und -Festivals in ganz Europa eingeladen. Ja, am Anfang war es hart – aber heute denke ich kaum noch daran.
Haben Sie einen Tipp für unsere Sängerin Ann Sophie?
Mach Dich nicht verrückt! Das ist nicht das Ende der Welt. Die Zukunft hält noch viele Möglichkeiten für Dich bereit!
Sie selbst haben sich nach dem ESC geoutet. Warum?
Ich hatte das Gefühl, dass ich meinen Fans gegenüber nicht offen genug war. Ich wollte ehrlich sein – und ich selbst.
Wie haben Ihre Fans reagiert?
Vorher war ich ganz schön nervös und hatte Angst vor den Reaktionen. Aber es lief großartig. Ich habe viel Unterstützung erfahren und sogar noch Fans dazugewonnen. Ich hätte anschließend nicht glücklicher sein können.
Wusste Ihre Familie Bescheid?
Ja, schon seit langem. Die erste, der ich erzählt habe, dass ich schwul bin, war meine große Schwester – da war ich 13 Jahre alt. Mit 16 habe ich es meiner Mutter gesagt. Mit meinem Vater habe ich allerdings erst gesprochen, als ich 24 war. Insgesamt war mein Outing also ein langer Prozess.
Im katholischen Irland stand Homosexualität bis 1993 unter Strafe.
Ja, das stimmt. Aber Anfang der 1990er war ich noch sehr jung und habe gerade erst angefangen, meine Sexualität zu entdecken. Die Generation vor mir hatte allerdings eine ziemlich harte Zeit. Aber zum Glück hat sich in dieser Hinsicht viel verändert und die Situation für Homosexuelle wird Jahr für Jahr besser.
Haben Sie selbst Diskriminierung erlebt?
In meiner Schulzeit wusste noch niemand von meiner Homosexualität – außer mir. Und dieses Wissen hat dazu geführt, dass ich sehr verschlossen war, sehr schüchtern, und große Probleme damit hatte, Freundschaften zu schließen. Ich habe ja immer etwas vor den anderen versteckt und konnte deshalb nicht ich selbst sein. Aber gemobbt oder angegriffen wurde ich nie – auch nicht nach meinem Outing.
Ihre Landsleute haben vor kurzem in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit die Zulassung der Homo-Ehe durchgesetzt. Sie haben das Referendum unterstützt. Haben Sie auch mit diesem Ausgang gerechnet?
Wenn ich ehrlich sein soll: nein. Es gibt immer noch sehr viele konservative Menschen in Irland. Deshalb habe ich nicht daran geglaubt, obwohl sich in den letzten zehn Jahren wirklich viel verändert hat. Aber es ist wirklich großartig, dass Irland jetzt das erste Land ist, das die Hochzeit von Homosexuellen erlaubt, weil seine Bürger es so wollten. Es ist wichtig für die Jugend, dass sie sehen: Homosexualität ist okay, die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter ihnen.
Der Christopher Street Day in München steht 2015 unter dem Motto „Familie ist, was wir draus machen“. Wie sieht Ihre Familie aus?
Ich habe drei Brüder und drei Schwestern und natürlich meine Eltern. Obwohl wir nicht in derselben Stadt wohnen, stehen wir uns alle sehr nahe und sehen uns oft. Meine Angehörigen haben mich immer unterstützt. Ich denke, da habe ich wirklich sehr großes Glück.
Und wie steht’s mit einer „eigenen“ Familie?
Ich habe einen festen Partner und würde schrecklich gerne heiraten und auch Kinder haben – aber noch nicht jetzt.
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