Rücksichtslose Fahrradfahrer in München: Eine lebensgefährliche Plage
Mit seiner Polemik gegen Radl-Rambos hat der Kabarettist Christian Springer offenbar einen Nerv getroffen. Selten hat die AZ so eine Flut von Leserbriefen erreicht. Eine Auswahl.
München - Kabarettist Christian Springer richtet einen Offenen Brief an die Münchner Radler, vor denen er seiner Aussage nach Angst hat. Die Reaktionen der AZ-Leser ließen nicht lange auf sich warten – eine Auswahl.
Zwecklos
Ich bin eine alte Radlfahrerin und bin froh, dass mal einer den Radlern die Meinung sagt. Sehr oft kommen mir Radler auf der falschen Seite entgegen, das ist öfters gefährlich, manchmal steige ich auch ab. Wenn ich die mal anrede, zum Beispiel "falsche Seite", kommt: "Halt’s Maul" oder "Geh halt zu Fuß, Oma" – oder Stinkefinger. Ich sage schon nichts mehr, das ist zwecklos.
Monika Kloske
Genügend Platz
Seit einiger Zeit muss ich als Fußgänger auf dem Gehweg den Radlern ausweichen, trotz Radweg, breiter Straße etc., also genügend Platz für die Rambos. Letzte Woche zum Beispiel war ich am Marienplatz und wollte von der Weinstraße zur U-Bahn-Station ein kurzes Stück den Marienplatz überqueren und wurde dabei beinahe von einem Radl über den Haufen gefahren, gebremst hat er nicht, andere Fußgänger mussten ihm auch ausweichen. Ganz besonders beliebt ist bei dieser Spezies, mal schnell quer über die Straße auf den Gehweg direkt zum Supermarkt-Eingang zu rasen, Fußgänger sind dabei nur im Weg, dann fahrn mer sie halt zamm. Am schlimmsten sind die, die dabei auch noch mit dem Handy telefonieren. Ich könnte viele Beispiele bringen über diese so armen Radfahrer in unserer Stadt mit noch mehr Radwegen und noch mehr Privilegien.
Monika Rödler
Alternative Fakten
Der Autofahrer Christian Springer unterfüttert sein Wehklagen mit alternativen Fakten. Die genannten "fast zwei Drittel der Unfälle, an denen Radfahrer schuld" seien, beruhen auf einem statistischen Trick, denn in ihnen sind auch die zahlreichen Alleinunfälle (an denen per Definition der Radfahrer schuld ist) enthalten, also wenn beispielsweise ein Radler auf vereister Fahrbahn stürzt. Bei Fahrradunfällen mit Autobeteiligung sieht die Sache völlig anders aus: Da sind die Pkw-Fahrer zu mehr als 75 Prozent die Haupt-Unfallverursacher, nachzulesen beim Statistischen Bundesamt. Der Radler tut also gut daran, vor Autofahrern Angst zu haben und nicht umgekehrt.
Thomas Schröder
Keine Lust auf's Radl: Dieser Münchner schwimmt zur Arbeit
Zu schmale Radwege
Erstaunlicherweise hat ausgerechnet der sonst von mir sehr geschätzte Kabarettist Christian Springer einen unangemessen großen Raum in der AZ bekommen, um sich zu einem Thema zu äußern, von dem er gar nichts oder wenig versteht.
Auf beiden Straßenseiten sieht er breite Radwege. Das ist wünschenswert, aber leider nicht überall vorhanden. Tatsache ist, dass sehr viele Radwege zu schmal oder gar nicht vorhanden sind, so dass Radfahrer notgedrungen Fahrbahnen oder notfalls auch Gehwege befahren müssen.
Absolut recht hat er aber hinsichtlich der Radl-Rambos und Rennfahrer aller Altersklassen und Geschlechts. Diese stellen eine lebensgefährliche Plage für alle, besonders aber ältere Menschen und Kinder dar. Sie verwechseln den städtischen Verkehrsraum mit einer Mountainbike- oder Radrennstrecke. Dabei nehmen sie billigend in Kauf, langsamere Radler zu touchieren, abzudrängen oder zu Fall zu bringen. Dabei geben sie vor dem Überholen nicht einmal ein Klingelwarnzeichen. Meist schon deshalb nicht, weil ihre Sportgeräte gar keine Klingel haben. Was wir brauchen, sind mehr und ausreichend breite und gut asphaltierte Radwege mit sicheren Kreuzungen.
Noch dringender bräuchten wir rücksichtsvolle Menschen auf den Fahrrädern und in den Autos, die sich an Verkehrsvorschriften halten und Respekt vor allen anderen haben.
Bernhard Kroiss
Es geht doch
Aus ganzem Herzen gebe ich Herrn Springer recht, was die Rempel-Rumpel-Bürgersteig-Radler angeht! Auch ich sage den auf dem Bürgersteig radelnden Mitbürgern gerne, dass wir doch Radwege haben – und werde dann als alles Mögliche tituliert. Eine Ausnahme gestern: Der in falscher Fahrtrichtung fahrende Mann sagte mindestens dreimal "Entschuldigung". Erstaunlich, aber sehr erfreulich. Und er wechselte dann auch auf die andere Straßenseite – auf den Radweg, es geht doch!
Irmingard Füchsle
Die Stadt verroht
Danke, Herr Springer! Darf ich Sie und OB Reiter auf einen Spaziergang vom Odeonsplatz zur Theresienstraße einladen und über das Thema Radfahrer diskutieren? Glauben Sie mir, wir sind noch nicht an der Ecke Barer Straße angelangt, da mussten wir uns mindestens fünfmal dafür entschuldigen, dass wir als Fußgänger auf dem Gehweg gehen. Überqueren wir die Kreuzung bei Grün, dann wird es nahezu lebensgefährlich, denn dann schießen die Radl von sämtlichen Seiten, egal welche Farbe die Ampel zeigt, zwischen unseren Beinen hindurch. Spätestens jetzt schreien Sie, lieber Herr Springer, nach der Säge.
Ich unterstütze Sie dabei. Herr Bürgermeister, die Stadt München verroht – und welche Lösungen hat die Stadtverwaltung? Als lösungsorientierter Bürger arbeite ich gerne ehrenamtlich mit!
Patrizia Rauch
Kennzeichenpflicht!
Ich bin 54 Jahre alt und seit fast 25 Jahren im technischen Außendienst in München unterwegs. Dem Artikel über die Radl-Rambos kann ich nur zustimmen. Meiner Meinung nach müssen auch die Radfahrer kennzeichnungspflichtig werden. Nur so ist diesem Problem beizukommen. Leider... – ist aber so.
Andreas Blickle
Videoüberwachung
Ich habe alles wie Christian Springer erlebt und hatte bisher Riesenglück, dass es noch zu keinen schwerwiegenderen Zusammenstößen gekommen ist, denn die Rechtsprechung ist da leider haftungstechnisch absolut ungerecht unterwegs (gegen Kfz-Nutzer, Gefährdungshaftung). Ich wäre sogar für die Videoüberwachung, dann wären sicher massig zu Unrecht gegen Kfz-Nutzer ausgesprochene Urteile anders ausgesprochen.
Ahmet Tanriverdi
Egos groß wie SUVs
Ich denke, die Autofahrer sollten den Radlfahrern gegenüber mehr Respekt und Achtsamkeit walten lassen, schließlich schonen wir die Umwelt, benötigen weniger Platz und bewegen uns mit eigener Muskelkraft, ich zumindest.
Die Autofahrer hingegen benötigen ein Vielfaches an Gewicht, Platz und nicht erneuerbare Energie, verschmutzen die Luft und sind auch noch genervt, weil es so viele davon gibt. Die Radlfahrer, meist auch stolze Autobesitzer, nerven, weil ihr Ego dem Verhalten nach genauso groß ist wie ihr Auto und leider oft so groß wie die idiotischen SUVs, die eigentlich total asozial sind, nicht für die Stadt geeignet, und die Parkplatznot noch vergrößern.
M. Leuschner
Radweg ignoriert
Ich wohne in der Albert- Schweitzer-Straße. Da ist bei mir gleich eine Bushaltestelle mit drei Busfahrlinien, ich selber fahre lieber mit Bus und U-Bahn und auch Tram. Bei mir ist auch ein Radweg, beidseitig, es halten sich aber "nur" die älteren Personen dran – die jungen überhaupt nicht. Es ist schon paarmal ein Unfall mit Radfahrer und Bus passiert, bei denen die Leute ausgestiegen sind und die Radfahrer mit Tempo gekommen sind.
Petra Keilhofer
Nicht nur Rambos
Nur weil einer wie Springer Probleme mit der Kunst des Radfahrens hat und deswegen aus Prinzip Auto fährt, muss er nicht gleich alle Radfahrer als Radl-Rambos bezeichnen. Christian, fahr doch nur einmal mit dem Radl komplett durch München und versuche, diese Fahrt zu überleben.
An vielen Stellen gibt’s immer noch keine Radwege, oder sie sind zugeparkt, Fußgänger und Hunde laufen permanent auf dem oder über den Radweg, Autofahrer schauen kaum beim Abbiegen, viele Ampeln sind pro Auto geschaltet, plötzlich aufgehende Autotüren haben schon so manchen ins Jenseits befördert, etc. Es stimmt, dass es einige Uneinsichtige gibt, aber die gibt’s überall. Und zuletzt noch eine Frage an Christian: Weißt du, was die vielen weißen Räder an Kreuzungen bedeuten? Ich kenne praktisch keinen Fall, an dem ein Radlfahrer einen Fußgänger oder gar einen Autofahrer getötet hätte.
Dieter Ittmann
So haben Sie das alte München noch nie gesehen
Schilder für Pedelecs
Als Vielradlerin in München muss ich ebenfalls feststellen, dass diese rücksichtslosen Radler langsam überhandnehmen. Wenn es möglich ist (zum Beispiel beim Halt an der Ampel, wenn sie dann überhaupt anhalten), stelle ich so einen Rambo meist freundlich zur Rede. Die Reaktionen sind sehr interessant!
Bedingt durch die mittlerweile vielen Pedelecs ist die Geschwindigkeit dieser Verkehrsgenossen ziemlich rasant, so dass die Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer steigt. Bei Einigen hat man den Eindruck, dass sie ihr Gefährt nicht ganz beherrschen. Ich wäre dafür, dass zumindest die Pedelecs mit Nummernschildern versehen werden.
Heide Körner
Keine Hoffnung
Es ist mittlerweile ein Glücksfall, wenn man Radlern begegnet, die sich vorausschauend und rücksichtsvoll verhalten. Ich bin Autofahrer und Radfahrer und außerdem Fußgänger mit Hund, was mich schon zum natürlichen Feind der Rambos macht. Letztere erwarten nämlich, dass man jederzeit und an jedem Ort Platz macht, und das bitte blitzartig, denn Ausweichen oder gar Bremsen sind Verhaltensweisen, die in der Vorstellung dieser Leute so gut wie nicht vorkommen.
In den letzten beiden Wochen ist es mir mit viel Glück gelungen, drei Beinaheunfälle zu vermeiden. Ich habe keine Hoffnung, dass man ohne Verpflichtung für ein Nummernschild am Fahrrad eine Verbesserung erreichen kann.
Hermann Miltz
UPDATE: Die Zuschriften zum Thema nehmen kein Ende: hier kommt der zweite Schwung:
Wofür Radwege?
Endlich kommentiert auch mal ein prominenter Verkehrsteilnehmer das Verhalten dieser Spezies von Radfahrern, welche glauben, sich nicht an Verkehrsregeln halten zu müssen.
Leider kommt es häufig vor, dass trotz vorhandener Radwege die Straße befahren wird. Dies ist vor allem bei Fahrern mit Rennrädern der Fall. Vielleicht sollte sich auch einmal der ADFC dieses Missstandes annehmen. Jörn-Erik Gubitz
Fehlanzeige
Für die meisten Radfahrer gelten weder Ampeln noch sonst irgendwelche Verkehrsvorschriften. Benutzung der Radwege, wenn man mal Lust dazu hat. Dass auf Radlstraßen auch rechts vor links gilt – Fehlanzeige. Daher Kennzeichnung der Radler und bei Rot wie die Autofahrer bestrafen.
Michael Wutz
Einfach rücksichtslos
Seit 30 Jahren fahre ich Taxi in der Landeshauptstadt. Ich kann mich leider Herrn Springer nur anschließen. Wo gibt es, dass der Autofahrer vorm Radler Angst haben muss? So rücksichtslos, wie sie fahren, ist das nicht hinnehmbar. Wofür haben wir Radwege, wenn die nicht benutzt werden? Als Autofahrer müsste man mindestens acht Augen haben, um die Radfahrer sehen zu können.
Bilal Sahin Lang
Alles Suizidversuche
Seit fünf Wochen bin ich Lieferfahrer für eine italienische Kuchenbäckerei in München. Von 7.30 bis 10.30 Uhr verteile ich Gebäck im Privatwagen (Golf). Mein größtes Problem aber ist, dass ich nicht mehr einschätzen kann, von woher ein Radfahrer seinen Suizidversuch startet und mich in Teilschuld hineinradeln könnte. Wo bitte soll ich mit "Umdenken" denn beginnen?
Dieter Wenzlawski
Spätpubertärer Frust
Ich kann den Inhalt Ihres offenen Briefes nur bestätigen. Ich füge noch hinzu, dass es sich bei diesen Radl-Rambos sehr häufig um Männer zwischen 35 und 50 Jahren handelt. Die lassen ihren spätpubertären Frust auf dem Fahrrad ab. Meist kann man sie schon an ihrer äußeren Erscheinung erkennen. Sie demonstrieren damit, dass man ihnen besser ausweicht, weil sie sonst jeden über den Haufen fahren. Wären sie nicht so gefährlich, könnten sie einem leid tun. Das Dumme ist nur, dass auch die rücksichtsvollen Radler oftmals mit den Rambos in einen Topf geschmissen werden und das ist schade.
Cordula Zickgraf
Raser und Deppen
Ich bin mit dem Auto am Stachus nach rechts in die Adolf-Kolping-Straße abgebogen, habe mehrfach kontrolliert, ob Radler kommen, konnte aber wegen eines sichtblockierenden abgestellten Bauwagens nichts erkennen, und dann beschimpfte mich der heranrasende Radfahrer als Deppen, obwohl er selber gesehen hat, dass da ein Bauwagen stand!
Ich besitze ein Pedelec und habe mich aus freien Stücken der Kennzeichen- und Versicherungspflicht unterworfen.
Manfred Nehmer
Schreiben Sie Ihre Meinung an leserforum@az-muenchen.de oder hier direkt als Artikel-Kommentar.
- Themen:
- Odeonsplatz
- Statistisches Bundesamt