Rückblick: Die Döner-Morde in München

Die Dönermorde haben mehr als zehn Jahre lang auch ganz Bayern in Atem gehalten. Das Wichtigste zu den Münchner Morden 
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Acht der neun Opfer die zwischen 2000 und 2006 in ihren Geschäften ermordet wurden.
dapd Acht der neun Opfer die zwischen 2000 und 2006 in ihren Geschäften ermordet wurden.

Die Dönermorde haben mehr als zehn Jahre lang auch ganz Bayern in Atem gehalten. Das Wichtigste zu den Münchner Morden

Zwischen 2000 und 2006 sind ohne erkennbares Motiv acht türkischstämmige Männer und ein Grieche - zwei davon in München - erschossen worden. Die AZ hat ausführlich darüber berichtet.

 

Lesen Sie hier das Wichtigste zu den Münchner Morden - so berichtete damals die AZ.

AZ vom 30.08.2001: Obsthändler mit einem Kopfschuss hingerichtet: Familienvater direkt neben Polizeidirektion erschossen (Ralph Hub)

Habil C. hat seinen kleinen Gemüseladen gleich neben der Polizeidirektion in der Bad Schachener Straße. Kurz vor elf Uhr tauchte gestern in seinem Geschäft ein Mann auf, zog eine Waffe und jagte dem 38- jährigen Familienvater eiskalt eine Kugel in den Kopf. Danach flüchtete der Mörder in einem dunklen Wagen. "Es ist unfassbar, Habil hatte keine Feinde, er war ein freundlicher und liebenswerter Mensch", schluchzt sein Freund Ilyas T.

Jeden Morgen hat der 38- Jährige bei ihm in der Großmarkthalle mit angepackt. Danach fuhr er mit frischem Obst und Gemüse wieder zurück nach Ramersdorf. Vor etwa einem Jahr hatte Habil C. die Räume, in dem früher ein Sicherheitsdienst war, angemietet und mit seiner Frau einen Obst- und Gemüseladen eröffnet. "Habil war nicht reich, das Geschäft hat kaum etwas abgeworfen", sagt Ilyas T. Gestern war Habil C. alleine im Laden. Seine Frau Pinar (37) und Tochter Deniz (14) machen seit gut einer Woche Urlaub in der Türkei. Deshalb hatte Habil auch keine Zeit, bei seinen Freunden in der Großmarkthalle vorbei zu schauen.

Kurz vor zehn Uhr rief er dort allerdings noch einen Kollegen an. "Wir haben Witze über sein Leben als Strohwitwer gerissen", sagt Nafiz S. "Ich habe ihn gefragt, wie es so ist, alleine Zuhause ohne Frau und Tochter." Habil C. hatte beste Laune, machte aber plötzlich einige merkwürdige Andeutungen. Er sprach geheimnisvoll von einer Frau, die er angeblich erst kürzlich kennengelernt habe. Mehr verriet er nicht. "Ich hab das alles nicht so ernst genommen", sagt Nafiz S. "Wir haben dann auch gleich das Thema gewechselt. Er hat noch zwei Kisten Trauben für den nächsten Tag bestellt und aufgelegt."

Gegen halb elf Uhr betrat ein Kunde den Laden in der Bad Schachener Straße. Habil C. war wie immer, freundlich und hilfsbereit. Morat (20): "Ich habe eine Flasche Wasser gekauft und bin dann ins Fitness-Center gegangen." Wenig später tauchte der Mörder auf. Er hat den 38-Jährigen mit einem gezielten Kopfschuss regelrecht hingerichtet. Zwei Frauen beobachteten, wie ein dunkelhäutiger Mann zur Tatzeit aus dem Geschäft lief und in einen Wagen sprang, der davor wartete. Angeblich saß ein weiterer Mann hinter dem Steuer. Der Mann im Wagen - vermutlich ein Ford oder Mercedes - gab Gas und brauste davon.

Die Leiche von Habil C. wird aus dem kleinen Gemüseladen an der Bad Schachener Straße getragen. Fotos: Martha Schlüter Ilyas T. ist geschockt. Er war ein guter Freund des Ermordeten. Habil C. wurde mit einem Kopfschuss regelrecht hingerichtet. Murat T. (20) war kurz vor dem Mord im Laden, um einzukaufen.

 


 

AZ vom 17.06.2005: Die Bluttat – eine Hinrichtung (jkw, job)

 

Westend - Der Grieche Theodorous Boulgarides wurde regelrecht hingerichtet. Der Mörder kam am Mittwoch zwischen 18.15 und 19 Uhr in den Schlüsselladen des 41-Jährigen in der Trappentreustraße im Westend. Er zückte seine Waffe und schoss seinem Opfer mehrmals mitten ins Gesicht. Der Unternehmer hatte keine Chance. Blutüberströmt brach er zusammen. Er ist das siebte Opfer eines mutmaßlichen Auftrags-Killers. Mit der selbenWaffe wurden in den vergangenen fünf Jahren bereits sechs Männer in München, Nürnberg, Hamburg und Rostock getötet (AZ berichtete/ siehe auch Seite 11). Der Grieche lebte seit 25 Jahren in Deutschland.

Vor knapp vier Monaten hatte der ehemalige Bahn-Fahrkartenkontrolleur die Geschäftsräume in der Trappentreustraße an der Donnersberger Brücke übernommen. Der Vater von zwei Töchtern (15, 18) war Tag und Nacht mit der Renovierung beschäftigt. Am ersten Juni eröffnete er sein Geschäft „Schlüsselwerk“ mit 24-Stunden- Service. Theodorous Boulgarides war für den „Innendienst“ zuständig und telefonisch immer erreichbar. Sein deutscher Kompagnon führte die Aufträge aus. „Die Geschäfte liefen gut, er war sehr zufrieden“, berichtet ein Nachbar. Theodorous Boulgarides, der geschieden war, wohnte auch im selben Haus, direkt hinter seinen Geschäftsräumen.

Wenige Stunden, bevor er sterben musste, erzählte er einem Nachbarn, dass er Möbel für seine Wohnung bestellt hatte. „Außerdem hatte er sich Schuhe für 17 Euro gekauft. Darüber hat er sich total gefreut, er war super gelaunt“, berichtet Ali R. (Name geändert). Um 17.45 Uhr rauchte der 41-Jährige mit dem Wirt seiner Stammkneipe „Taverne Hellas“ eine Zigarette auf der Straße. „Er war freundlich wie immer,“ erinnert sich Georgios Liolios (46). „Theo kam jeden Tag zwei Mal zu uns, um sich Essen zu holen. Es ist erschütternd. Das Ganze ist nur zwei Meter von uns entfernt passiert. Und wir haben nichts mitbekommen! Wir hatten den Fernseher an wegen des Fußballspiels,“ so der Wirt.

Gegen 19 Uhr wurde Theodorous Boulgarides von seinem Partner gefunden. Der Grieche lag hinter dem Tresen, das Gesicht zerfetzt. Wirt Georgios Liolios: „Ich habe ihn auch gesehen. Er lag in einer riesigen Blutlache.“ „Wir haben es mit einem kaltschnäuzigen Verbrecher zu tun. Die Tat trägt Züge einer Hinrichtung“, sagt Oberstaatsanwalt Peter Boie. Der Grieche war aus nächster Nähe erschossen worden, es gab keine Kampfspuren. „Ein Raubmord ist so gut wie ausgeschlossen: Aus der Kasse fehlte kein Geld“, sagt Kriminaloberrat Harald Pickert. Die Kripo geht deswegen davon aus, dass kein Zusammenhang mit den beiden Raubüberfällen im Bordell Pascha in der Hansastraße sowie einem Getränkemarkt in der Zschokkestraße besteht, die ebenfalls am Mittwoch Abend verübt wurden.

Gestern Nachmittag gab das Bundeskriminalamt die beunruhigende Nachricht bekannt: Das Projektil stamme „zweifelsfrei“ aus der Waffe, mit der bereits sechs Geschäftsleute in ganz Deutschland kaltblütig ermordet worden waren: Eine tschechische Pistole Ceska, Kaliber 7,65 mm. Theodorous Boulgarides ist somit das siebte Opfer des unheimlichen Killers. Die Taten tragen die Handschrift eines Auftragsmörders: Er reist offenbar gezielt an, tötet und verschwindet wieder. Er mordet am helllichten Tag. Er schießt gezielt auf den Kopf seiner Opfer, er hinterlässt kaum Spuren. Der Täter konnte immer unerkannt entkommen. Abweichend von seinen bisherigen Morden ist, dass er dieses Mal einen Griechen erschoss. Die anderen Opfer waren Türken – kleine Geschäftsleute, die mit Döner, Blumen, Obst oder Gemüse handelten.

Erst vor einer Woche, am 9. Juni, hatte der Unbekannte in Nürnberg einen Dönerbudenbesitzer erschossen. Möglicherweise war der Killer dieses Mal mit seinem Komplizen gesehen worden: In unmittelbarer Nähe des Tatortes hatten kurz vor dem Mord zwei Männer auf Fahrrädern an einer Litfaßsäule Halt gemacht, um einen Stadtplan zu studieren. Anschließend stellten sie ihre Räder neben der Dönerbude des Opfers ab. Kurz bevor sie wieder davon radelten, verstaute einer der Männer etwas in seinem Rucksack – die Mordpistole? Die Nürnberger Kripo richtete bereits in der vergangenen Woche eine 40-köpfige Sonderkommission „Halbmond“ ein.

Nach dem Mord an dem Griechen riefen die Münchner Kriminaler eine Soko „Theo“ ein – insgesamt 60 Ermittler jagen jetzt den oder die Killer. Die Ermittler haben den Verdacht, dass einige der Opfer Verbindungen zu türkischen Drogenhändlern in den Niederlanden hatten. Offenbar „unterstützt“ der Rauschgiftring auch türkische Geschäftsleute mit Krediten. Auch das Münchner Opfer soll Schulden gehabt haben – ein Motiv für die Tat? Die Mordkommission (? 29100) sucht nach Zeugen. Genau vor dem Laden ist eine Bushaltestelle der Linien 133 und 53. Harald Pickert: „Vielleicht hat jemand die Tat oder den Täter gesehen.“ Ersten Ermittlungen zufolge war der Grieche noch kurz nach 18 Uhr gesehen worden, als er sich vor dem Geschäft mit einem Mann unterhielt und heftig gestikulierte. Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen, wurden 20 000 Euro Belohnung ausgesetzt.

 


 

AZ vom 18.06.2005: Hakennase, kantiges Kinn - so soll der Täter aussehen Kripo München gibt Phantombild heraus - Belohnung von 20 000 ausgesetzt

München - Bei der Jagd nach dem mysteriösen Serien-Killer hat die Polizei jetzt ein Phantombild veröffentlicht. Die Fotomontage zeigt einen Mittdreissiger mit dichtem schwarzen Haar, Hakennase sowie einem kantigem und breiten Kinn.

Dieser Mann wurde kurz vor dem dem jüngsten Mord an einem Schlüsseldienst-Mitarbeiter am Mittwoch in der Trappentreustrasse im Westend gesehen. Zeugen berichteten, er hab sich vor dem Geschäft mit Theodorous Boulgarides, dem späteren Opfer, unterhalten. Abgesehen von diesen Zeugenaussagen ist die übrige Spurenlage am Tatort eher dürftig, betonte Oberstaatsanwalt Peter Boie.

"Bei den vergangenen sechs Morden gab es immer eine Mauer des Schweigens", sagt Josef Wilfling, Leiter des Mordkommissariats. "Wir hoffen, diesmal ist es anders. Jeder kleine Hinweis kann relevant sein", so Wilfling. Die Ermittler suchen dringend weitere Zeugen (Tel. 2910-0). Inzwischen wurde eine Belohnung in Höhe von 20 000 Euro ausgesetzt.

 

 

 

 

 

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