Rosi Griesbacher (77): "Fußball gegen die Angst"
München - Wenn es draußen kalt und grau ist, ist das Warten auf die Zukunft besonders schwer. Dann liegen Sami (16), Madschid (17) und Khaled (15, Namen geändert) auf ihren Stockbetten, starren die Decke an und denken an das Grauen daheim.
Die Brandbombe, die Madschids Elternhaus zerborsten und seine Geschwister getötet hat. Die vermummten Terrorkämpfer, die Sami aus dem Haus zerren und zum Attentäter machen wollten. Den Racheschwur der Nachbarn, die Khaled erhängen wollen, um eine Tat seines Bruders zu sühnen, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Sami, Madschid und Khaled – sie sind nur drei von 190 jungen Buben, die ganz allein, ohne ihre Eltern, vor Krieg oder Verfolgung in Syrien, Somalia oder Eritrea geflohen und nun, nach monatelanger Flucht, in München angekommen sind.
Diese „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“ (umFs) hat die Stadt in den zwei Häusern Nr. 19 und 20 in der Freimanner Bayernkaserne in Obhut genommen. In diesem Münchner Erstaufnahme-Lager sollten sie eigentlich maximal drei Monate bleiben und dann umgesiedelt werden – in eine feste Betreuung in einem anderen Landkreis. Doch wegen des ungebremsten Zustroms an Flüchtlingen müssen viele dieser Jungendlichen in dem Lager deutlich länger bleiben (AZ berichtete).
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„Die Kinder sind völlig aus der Bahn geworfen, sie brauchen eine Tagesstruktur, Aufgaben und auch Ablenkung, bis klar ist, was mit ihnen geschehen soll“, sagt Rosi Griesbacher (77), die seit 15 Jahren für die CSU im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann sitzt.
Die rührige Dame, die 23 Jahre in der Staatskanzlei gearbeitet hat, dem historischen Trachtenverein und dem „Deutsch-Amerikanischen Frauenclub“ angehört, hat nun einen Weg gefunden, den Kids zu helfen: durch Fußballspielen! „Wer raus gehen muss zum Training, wer im Team spielen kann und eine Aufgabe hat, der muss vielleicht nicht gar so viel grübeln.“ Tagelang hat sich Rosi Griesbacher ans Telefon gehängt, Freunde, Bekannte und Menschen mit Geld angerufen – und schließlich die Münchner Fußballvereine kontaktet. Erfolgreich. Kürzlich hat der FC Bayern 22 rote und gelbe Bayern-Trikots geliefert, dazu ein halbes Auto voller Fußbälle. Auch die Spielvereinigung Unterhaching und der SC Bogenhausen spendierten jeweils eine Garnitur Trikots für die Flüchtlings-Kids. Und gerade hat eine Frau aus Bogenhausen eine erste Ausstattung perfekt gemacht. Für 1000 Euro kaufte sie Stollenschuhe, Kicker-Strümpfe und Wechsel-Trikots. „Ein Traum, so eine große Freude bei den Buben, das können Sie sich gar nicht vorstellen“, sagt Rosi Griesbacher.
Nun hat sich auch ein städtischer Mitarbeiter gefunden, der die Jugendlichen täglich trainiert – auf dem Bolzplatz hinter den „umF“-Häusern. Letzte Woche hat der Schwabinger BA-Chef Werner Lederer-Piloty das erste offizielle Turnier angepfiffen: Neuankömmlinge gegen Flüchtlings-Kids, die schon länger in München sind. „Für uns ist das eine Frage der Menschlichkeit, diesen Buben ihr Leben hier möglichst human zu gestalten“, sagt er.
Nebenbei hat Piloty auf dem Rasen „Riesentalente“ entdeckt. „Ich würde den Vereinen ja ernsthaft raten, sich hier mal nach Nachwuchs umzuschauen. Wer ganz allein eine monatelange Flucht durchhält, kann schon deshalb nur zu den Besten gehören.“
Freilich sammelt Rosi Griesbacher weiter. „Alles, was mit Sport zu tun hat, macht den Kindern und Jugendlichen Freude und hilft ihnen durch die Tage: Turnschuhe, Räder, Skateboards, Rollerblades, und vieles mehr.
Wer solche Spiel- und Sportgeräte spenden will, kann sie rund um die Uhr an der Heidemannstraße 50 (auf der Wache am Eingang) abgeben. Oder auch Geld spenden, damit die Mitarbeiter vor Ort Sporteräte kaufen können (Spendenbescheinigung möglich): FC Bayern Kaserne e.V.; Iban: DE 38 710610090000677183; Raiffeisenbank Altötting.
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