Roman Libbertz: Künstlerleben statt Kanzlei

Roman Libbertz hätte als Anwalt arbeiten können wie sein Vater Lutz. Doch er will stattdessen lieber kreativ sein. Über einen, der sich verändert hat.
von  Stephanie Schönberger
In der Goldenen Bar ist Roman Libbertz gerne, denn er mag das Haus der Kunst in der Prinzregentenstraße. Was er nicht mag: Arroganz und Traurigkeit.
In der Goldenen Bar ist Roman Libbertz gerne, denn er mag das Haus der Kunst in der Prinzregentenstraße. Was er nicht mag: Arroganz und Traurigkeit. © Daniel von Loeper

München - Draußen lässt der Sommer auf sich warten. Drinnen, im Café Pini in der Klenzestraße 45, erzählt ein dunkelhaariger, junger Mann vom Sommer, dem Leben in der Nacht, von der Liebe und von Neapel, wo er einst auf der Suche nach sich selbst war. 31 Jahre war er damals alt und sein Leben hatte den Rhythmus verloren. Inzwischen läuft für Roman Libbertz – Jahrgang 77, Schriftsteller, Dichter, Maler, Fotograf, Regisseur, Allroundtalent, Münchner Kind – wieder alles im Takt. In seinem eigenen. Im Oktober erscheint sein neues Buch „Lieben lassen“, eine Gemeinschaftswerk mit Ariane Sommer.

Früher, in der Vor-Neapel-Zeit, hat Libbertz nicht nur das Münchner Nachtleben bunter gemacht. Er war unter anderem Veranstaltungschef im P1, und das bereits mit 19 Jahren, stellte zu Sommerfesten Christbäume als Deko auf und lacht heute freundlich darüber, dass die älteren Herrschaften auf diesen „Kinderfasching“, wie er es nennt, so abfuhren. In Vollmondnächten brachte er deutschlandweit Menschen zum Tanzen. Luna Lounge hieß diese Reihe, die er gemeinsam mit einem Partner veranstaltete.

Er war jung, hatte das Geld – und irgendwann die Nase voll. Wollte nicht mehr mitspielen, weil er die „Mischung aus Overkill und Langeweile“ zunehmend unerträglich fand. „Ich habe mich selbst in ein Klischee begeben, das ich nicht mehr sein wollte.“ Außerdem habe er immer gesagt, mit 30 sei Schluss mit dem Nachtleben, weil es ab da „peinlich wird und albern“. Auch auf den Alkoholkonsum habe er keine Lust mehr gehabt. Vielleicht auch, weil er schon in seiner Kindheit oft mit Betrunkenen „interagierte“, wie er es nennt.

Roman Libbertz ist der Sohn des Models Uschi Mood und des Juristen Lutz Libbertz, dem Medien gerne den Zusatz „Promi“ vor den Anwalt setz(t)en. Wie es denn so war, schon als Kind Kontakt zur Münchner Prominenz gehabt zu haben? Da lächelt er fein und sagt: „Ich habe sie ja nur dann kennengelernt, wenn sie was ausgefressen hatten.“ Und der Vater sie retten sollte. „Sie waren immer sehr nett zu mir gewesen.“ Auch auf den Partys, die gemeinsam gefeiert wurden, auch dann, wenn der eine oder andere sehr tief ins Glas geblickt hatte.

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Mehr Liebe, weniger Gewalt – das will er vermitteln

Wenn Libbertz davon erzählt, klingt das ein bisschen belustigt – aber in keiner Weise herablassend. Er nennt auch keine Namen, stellt niemanden bloß, nicht mal andeutungsweise. Das liegt ihm nicht.

Er will niemanden traurig machen, erklärt er. „Das ist für mich der schlimmste Zustand überhaupt.“ Die Welt sei schon gewaltsam genug, „da muss ich sie nicht noch schlechter machen“. Roman Libbertz sagt: „Ich will immer, dass es allen Leuten gut geht.“

Ein Zyniker würde jetzt natürlich die Augen verdrehen – und Roman Libbertz damit doch Unrecht tun. Er wirkt, wenn er von seinen Beweggründen und seiner Sicht auf die Welt erzählt, sehr echt und ehrlich bemüht, gegen eine Welt anzuhalten, die oft so verloren wirkt. Vielleicht, weil er ein Mensch zu sein scheint, der die Hoffnung auf ein Happy End noch nicht aufgegeben hat. Weil da ja noch die Liebe ist.

„Mehr Liebe ist der Schlüssel“ heißt seine Facebook-Gruppe, deren über 2000 Mitgliedern er meist einmal pro Woche ein Gedicht schickt, in dem er pointiert seine Gedanken zur Befindlichkeit der Welt äußert. „Lieben lassen“ ist auch der Titel seines neuesten Werks, das er zusammen mit Ariane Sommer, dem ehemaligen Boulevard-Schmetterling, geschrieben hat.

Es erzählt von Sehnsüchten, der Angst vor Emotionen, von Lust und Einsamkeit und natürlich dem Wort mit den magischen fünf Buchstaben. „Liebe“, sagt Roman Libbertz, „ist das ultimative Loslassen.“ Und dafür braucht es, sagt der Autor: „Vertrauen, Verständnis, Mitgefühl.“

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Dass Roman Libbertz später einmal kreativ arbeiten würde, war schon in der Kindheit zu erahnen. Er habe immer schon gerne gemalt und geschrieben, erzählt er. Und wenn die Eltern auf der Wiesn waren, hat er heimlich Freunde zu „Schieberpartys“ zu sich nach Obermenzing eingeladen. Bis die Eltern wieder nach Hause kamen, waren alle Spuren beseitigt, die einen Verdacht hätten erwecken können.

Er war Einzelkind und seine Erziehung sei sehr frei gewesen. Warum und ob die Eltern dabei einem Erziehungskonzept gefolgt sind – er weiß es nicht. Er wirkt ein bisschen ambivalent bei der Einschätzung, ob er die Freiheit gut finden soll oder ob mehr klare Grenzen besser gewesen wären.

Vielleicht war es die Zeit, überlegt er. Zuckt mit den Schultern. Eine Zeit, als Eltern noch nicht wie Hubschrauber auf Rettungsmission um die lieben Kleinen kreisten. Er sei bereits mit neun Jahren alleine mit der S-Bahn bis nach Pasing gefahren, zum Elektro Egger, wo es Computerspiele gab.

Oder in die Münchner Innenstadt, in die Kaufingerstraße, weil dort der „WOM“ war, wo er Musik hören wollte. Weil er aber noch zu klein war, um auf die Plattenteller zu schauen, hat er einfach einen der Erwachsenen gefragt, ob er ihn hochheben könnte. Bei der Erinnerung daran muss er lachen. Heute, sagt er, würde ihm wahrscheinlich niemand mehr diesen Wunsch erfüllen. Es könnte ja „Belästigung“ unterstellt werden.

Er wollte seinen Kern finden und kam doch zurück nach München

Nach dem Abitur am Luise-Schröder-Gymnasium hat Libbertz überlegt, was er studieren soll. Regie hätte ihn gereizt. Oder Psychologie. Geworden ist es dann Jura, weil er den Vater nicht traurig machen wollte.

Finanziert hat er sein Studium selbst. Mit seinen Veranstaltungen, als Tänzer für Reebok und als Model ging das gut. Erst als er mit 26 Jahren auch noch seinen ersten Buchvertrag vorweisen konnte, brachte er es übers Herz, dem Papa zu sagen, dass er nicht in dessen Fußstapfen treten werde. Der Vater hat die Nachricht verkraftet.

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Klar, sagt Libbertz, er hätte sich ins gemachte Nest setzen können. Aber das wollte er nicht. Da hätte ihm die Leidenschaft gefehlt. Und die Herausforderung, die er braucht. Auch das sei schon als Kind immer so gewesen. Er spielte Fußball, war gut. Fuhr Kart, war gut. Wechselte zum Tennis, war gut. Dann kamen die Jahre der Nacht. Und schließlich der Ausstieg. Raus aus München, ein dreiviertel Jahr nach Neapel. Eine neue Herausforderung.

Nicht einfach für einen, der sagt, er würde mit ihm unbekannten Orten „fremdeln“. Er wollte wissen, wie er damit zurechtkommt, alleine zu sein. Ob das die Freiheit ist. Kein geregeltes Leben mehr zu haben. Er wollte auch wieder an „den Kern von mir kommen“.

Als der Winter kam, ist er zurück nach München. Denn ganz loslassen kann er die Stadt, deren manchmal arrogante Art, deren hohe Mietpreise und deren FC Bayern er zwar nicht mag, dann halt doch nicht. Da sind die Theater, allen voran die Kammerspiele, die Sicherheit, das viele Grün und die Aufbruchsstimmung, die in den vergangenen zwei, drei Jahren zu spüren sei. München bewegt sich. Und schöner sei es in anderen deutschen Städten ja auch nicht. Egal, ob Sommer oder nicht.

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