Roller-Derby: Frauen auf Rollen – und ohne Gnade

Rempeln, blocken, umwerfen: Die Munich Rolling Rebels sind ein ziemlich ungewöhnliches Team. Ihr rasanter Sport wird nur von Frauen betrieben.
Myriam Siegert |
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Drängeln, rempeln, blocken: Um die gegnerischen Spielerinnen aufzuhalten, ist voller Körpereinsatz gefragt.
Munich Rolling Rebels 6 Drängeln, rempeln, blocken: Um die gegnerischen Spielerinnen aufzuhalten, ist voller Körpereinsatz gefragt.
Strategiebesprechung vor dem Match: Auf den Trikots prangen die „Künstlernamen“ der Spielerinnen.
Munich Rolling Rebels 6 Strategiebesprechung vor dem Match: Auf den Trikots prangen die „Künstlernamen“ der Spielerinnen.
Um auf Rollen und Stoppern rennen zu können, braucht es viel Übung. Die Munich Rolling Rebels trainieren dreimal in der Woche.
Munich Rolling Rebels 6 Um auf Rollen und Stoppern rennen zu können, braucht es viel Übung. Die Munich Rolling Rebels trainieren dreimal in der Woche.
Raus aus der stickigen Turnhalle: Bei schönem Wetter wird auch mal draußen trainiert - bevorzugt auf der Theresienwiese.
Munich Rolling Rebels 6 Raus aus der stickigen Turnhalle: Bei schönem Wetter wird auch mal draußen trainiert - bevorzugt auf der Theresienwiese.
Raus aus der stickigen Turnhalle: Bei schönem Wetter wird auch mal draußen trainiert - bevorzugt auf der Theresienwiese.
Munich Rolling Rebels 6 Raus aus der stickigen Turnhalle: Bei schönem Wetter wird auch mal draußen trainiert - bevorzugt auf der Theresienwiese.
Das Logo der Münchner Roller-Derby-Mannschaft: den Munich Rolling Rebels.
Munich Rolling Rebels 6 Das Logo der Münchner Roller-Derby-Mannschaft: den Munich Rolling Rebels.

Rempeln, blocken, umwerfen: Die Munich Rolling Rebels sind ein ziemlich ungewöhnliches Team. Ihr rasanter Sport wird nur von Frauen betrieben.

München - Rumms! Nina Thiele wirft sich mit voller Wucht bäuchlings auf den Turnhallenboden. Das hat ziemlich schmerzhaft ausgesehen. Doch sie steht blitzschnell auf und saust auf ihren Rollschuhen weiter.

Rumms. Die Nächste hat sich hingeworfen. „Superman“, eine Übung zum Stoppen aus voller Fahrt und richtigem Fallen, heißt das waghalsige Manöver, das acht junge Frauen an diesem Abend in einer Neuhauser Turnhalle trainieren.

Die Mädels betreiben eine spezielle Sportart: Roller-Derby. Nina Thiele und ihre Kolleginnen gehören zum ersten und einzigen Münchner Roller-Derby-Team, den Munich Rolling Rebels. Das Team besteht aus 36 Frauen zwischen 19 und 40 Jahren.

Ein harter und anstrengender Sport, das sieht man auf den ersten Blick. Ohne Helm, Knie- und Ellenbogen- und Zahnschutz geht hier nichts. Und noch etwas fällt auf: Roller-Derby ist ein Frauen-Sport. Der einzige Mann in der Halle ist Trainer Mike.

Das Training geht weiter. Die Mädels drehen ihre Runden in der Halle. Sie legen sich in die Kurven, kreisen dabei mit den Armen, gehen in die Hocke, drehen den Oberkörper. Sie fahren auf einem Bein und rückwärts. „Jetzt machen wir Ballett“, ruft der Trainer durch die Halle. Alle Mädels stehen, laufen und hüpfen auf den Stoppern der Rollschuhe. Das geht in die Beine. Jetzt bloß nicht umknicken.

Beim Roller-Derby fahren zwei Mannschaften auf einem ovalen Kurs mit- und zugleich gegeneinander. Es geht darum, Punkte zu machen, indem eine Spielmacherin die Spielerinnen der gegnerischen Mannschaft überrundet. Die Gegner versuchen, sie davon abzuhalten – auch indem sie sie zu Fall bringen. Das sieht manchmal recht brutal aus. Ist es auch.

Die Mannschaftskolleginnen der Spielmacherin versuchen, die gegnerischen Läuferinnen aufzuhalten. Die Frauen bremsen sich gegenseitig aus und rempeln sich um. „Blocken“ heißt das im Fachjargon. Ein Vollkontaktsport auf Rollschuhen.

Der Trend zu diesem rasanten Frauensport ist in den letzten Jahren aus den USA nach Europa geschwappt. Erst nach Großbritannien und Skandinavien, seit ein paar Jahren gründen sich auch in Deutschland immer mehr Teams.

Die Grafik-Designerin Nina Thiele hat das Münchner Team gegründet. Eher zufällig begleitete sie vor zwei Jahren einen Bekannten zu einem Roller-Derby-Spiel. „Ich wusste sofort, das will ich auch machen“, sagt Nina Thiele.

Sie suchte nach anderen Interessierten, organisierte Hallen fürs Training. Inzwischen gehört die Mannschaft offiziell zur Rollsportabteilung des TSV 1860. Dreimal wöchentlich wird trainiert. Hart trainiert.

Der Sport ist kompliziert und erfordert Kraft, Ausdauer, Koordination und eine gute Balance. „Die erste Frage, die fast immer kommt, ist: ,Wo ist denn der Ball?’“, sagt Teammitglied Rabea Radzuweit und lacht. „Es ist eine der wenigen Mannschaftssportarten ohne Ball“, erklärt Nina Thiele. „Vielleicht finden Frauen den Sport deshalb so anziehend".

Das Wichtigste an der Sportart sei der Teamgeist, da sind sich alle einig. Außerdem Spaß daran zu haben, etwas Verrücktes zu machen. Die Trikots der Mädchen sind kreativ gestaltet. Jede kann sich ein individuelles Outfit zusammenstellen – einerseits damenhaft, andererseits punkig. Da gibt es Hotpants und Miniröcke, zerissene Nylonstrumpfhosen und bunte Ringelsöckchen zu sehen. Dazu das gewisse Styling – rote Lippen, Haartollen und Zöpfe im Stil der 40er Jahre. So finden Elemente aus beiden Urspungszeiten des Sport zusammen.

Setzen die Frauen die Helme auf, tritt alles Mädchenhafte in den Hintergrund. Dann übernimmt das Alter Ego.

Beim Roller-Derby tragen die Spielerinnen Künstlernamen. „Man hat sozusagen ein Alter Ego. Manchen hilft das dabei, andere umzurempeln.“ Denn Zimperliesen sind hier falsch, man muss einstecken können. Blaue Flecken gehören dazu. „Grundsätzlich gilt: Es gibt kein ,Sorry’ auf dem Spielfeld“, sagt Nina Thiele. „Viele Mädels haben anfangs Probleme, andere zu blocken. Vielleicht ist das anerzogen.“

Bei so einem rabiaten Sport haben die Mädels mit Vorurteilen zu kämpfen. „Die meisten denken erst einmal an so etwas wie Schlammcatchen“, erzählt Nina Thiele. „Aber das Klischee von den sexy Girls auf heißen Rollen ist mir immer noch lieber als das von gewaltbereiten Kampfweibern.“

„Dabei ist das Schöne an dem Sport, dass es völlig egal ist, ob man groß oder klein, dick oder dünn ist“, sagt Nina Thiele. „Es gibt für jeden die richtige Spielerposition. Breite Hüften sind kein Nachteil. Sagt einem die Gegnerin beim Match ,Dein Hintern macht mir Angst’, dann ist das etwas Gutes."

Die Münchnerinnen fingen fast alle bei Null an. „Es hilft, wenn man vorher schon Eislaufen oder Inlineskaten kann, aber unbedingt notwendig ist es nicht“, sagt Nina Thiele.

Wie bei jedem Sport neigen manche auch hier zum Materialwahn. Nach dem Training wird gefachsimpelt: über die richtigen Skates, Rollen und Stopper. Dass man zum Roller- Derby die guten alten Rollschuhe braucht, verwundert auf den ersten Blick. Nina Thiele erklärt: „Mit Inline-Skates ginge das nicht. Man hätte keinen festen Stand und könnte sich nicht so gut in die Kurve legen.“ Deswegen sollen die Schuhe auch nicht über den Knöchel reichen.

„Leider muss man die Skates in Amerika bestellen“, sagt Nina Thiele. „Was die Ausrüstung betrifft, gibt es dort eine ganz andere Infrastruktur.“ Sie hat sich ihre Rollschuhe von einem befreundeten Flugbegleiter einfliegen lassen.

Die Roller-Derby-Teams sehen sich als eine große Familie. Man trifft sich bei den Spielen anderer Mannschaften, eine Party danach ist obligatorisch. Oft kommen amerikanische Spielerinnen, die hier Urlaub machen, spontan vorbei und trainieren mit. Auch Rabea, die beruflich viel unterwegs ist, rollert dann bei anderen Teams mit.

Man kümmert sich umeinander und pflegt den Sport. Bei der Mannschaft aus Stuttgart, den Stuttgart Valley Girlz, dem einstmals ersten Team in Deutschland, gab es einen Crash-Kurs für die Anfänger aus München. Gegen sie sind die Münchnerinnen im Juni zu ihrem ersten ernsthaften Match angetreten.

Am 8. September empfangen die Rebels die Harbor Girls Hamburg zu ihrem ersten Heimspiel in München. Zuschauen lohnt sich!

Mehr Infos unter www.munichrollingrebels.de

 

 

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