Roger Hodgson: Nur mit dem Herzen verändern wir die Welt
AZ. Herr Hodgson, Tollwood scheint Ihnen zu gefallen, Sie spielen hier zum dritten Mal.
ROGER HODGSON: An Tollwood mag ich sehr, dass es hier nicht nur um Musik und Party geht, sondern auch darum, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen. Das gibt mir ein ganz besonderes Gefühl, hier zu sein. Ich wünschte, es gäbe viel mehr von solchen Festivals.
Dieses Jahr weist das Festival auf die artgerechte Tierhaltung hin. Ist das ein Thema, das Sie interessiert?
Selbstverständlich. Man kann ja Fleisch essen, aber es gibt keine Entschuldigung dafür, Tiere so zu misshandeln wie in der Massenhaltung. Wir müssen sie nicht leiden lassen, das ist total falsch. Wenn mehr Menschen wüssten, wie viele Tiere gehalten werden, würden sie sich zwei Mal überlegen, ob sie dieses Fleisch essen.
Sie sind Vegetarier?
Nein, nicht mehr. Mit 21 Jahren habe ich beschlossen, kein Fleisch mehr zu essen, und das auch über zwei Jahrzehnte lang so gehalten. Ich esse aber jetzt doch hin und wieder Fisch oder Hähnchen. Das ist alles.
Sie sind ein weltbekannter Künstler, sehen Sie sich in der Verpflichtung, Botschaften unter die Menschen zu bringen?
Ich bin auch nur eine Stimme. Aber Sie haben schon recht. Jeder, der die Möglichkeit hat, auf Unrecht hinzuweisen, sollte seine Plattform nutzen. Das tue ich ja auch ein wenig bei meinen Konzerten. Tierhaltung zum Beispiel war mal ein riesiges Thema in Amerika und ist fast schon wieder vergessen, das macht mich wütend. Deswegen habe ich es bei meinen Konzerten dort auch wieder zur Sprache gebracht.
Bei uns ist das Thema eher von wachsender Relevanz.
Das ist auch ein Grund, warum ich Deutschland liebe. Hier werden die Dinge nicht so schnell wieder unter den Teppich gekehrt. Nehmen wir zum Beispiel die Debatte um genveränderte Pflanzen. Das ist einer der schlimmsten Eingriffe in die Natur, die man sich vorstellen kann. In Amerika muss man bei Nahrungsmitteln ja nicht einmal darauf hinweisen, dass sie genverändert sind.
Sie singen seit 40 Jahren auch politische Lieder, aber um die Welt steht es schlimmer denn je.
Ich glaube, wir müssen zum Kern der Probleme vorstoßen. Wir machen dauernd Band Aids für das eine oder andere Problem. Aber das Entscheidende ist das Herz. Würden wir uns mehr nach unserem Herzen richten, könnten wir nicht Menschen in Not verstoßen, Flüchtlinge abweisen, Kriege anzetteln. Wir müssen wieder lernen, mehr zusammen zu arbeiten als gegeneinander. Ich kenne das aus eigener Erfahrung: Mein Bewusstsein erlaubt es mir nicht, gewisse Dinge zu tun, seit ich angefangen habe, auf mein Herz zu hören. Das Herz ist der Ort, von dem aus die Welt verändert wird.
Fast unverändert aber ist Ihr Programm: Ihre Hits wie „Dreamer“, „School“ „Breakfast in America“ sind zeitlos.
Glauben Sie mir, dass ist auch für mich überraschend. Ich fand die Songs natürlich gut, als ich sie komponiert habe. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich sie vier Jahrzehnte später immer noch singen darf, dass auch eine ganz neue Generation diese Songs für sich entdeckt.
Sie wurden es nie müde, diese Hits zu singen?
Nein, es macht mir immer noch riesigen Spaß. Manchmal lass ich einen der Songs für drei, vier Shows weg. Und wenn ich ihn dann wieder ins Programm nehme, denke ich jedesmal: Großartig. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Konzerte geben darf. Für mich hat Musik eine heilende Kraft. Das Leben ist für die meisten Menschen nicht einfach. Wenn ich für zwei Stunden tausende von Menschen mitnehmen kann, mit ihnen singe und ihnen zeigen kann, dass es auch schöne Seiten im Leben gibt, dann ist das nicht nur Musik, sondern eine spirituelle Erfahrung.
Von dieser Erfahrung schwärmen Ihre Fans. Wie erzeugen Sie diese Stimmung?
Meine Begeisterung ist echt, nicht gespielt. Ich hatte nie Interesse an einer ausgefeilten Bühnenshow, ich wollte immer nur mit dem Publikum in Kontakt treten. Es geht dabei nicht um mich, ich bin nur der Diener der Musik, der hoffentlich diese magischen Momente liefert. Auch wenn es wenige so sehen: Musik ist spirituelle Nahrung, die wir den Menschen geben. Das geht aber nicht, wenn man sich für einen Superstar hält und sein Ego aufbläst. Daher ist es für mich wichtig, die Grenze zwischen mir und dem Publikum zu verwischen. Wir sind alle eins. Und wissen Sie, was mich besonders glücklich macht?
Nein.
In meine Konzerte kommen ganze Familien, diese Musik verbindet. Ich finde das unheimlich schön, denn ich bin nie mit meinen Eltern auf einem Konzert gewesen.
Supertramp hatte einen schleppenden Start, heutzutage muss eine Band sofort Erfolg haben – oder das war’s.
Schlimmer, heute machen sie ein Youtube-Video und das ist auch schon die einzige Chance, bekannt zu werden. Die Musikindustrie stirbt, weil niemand mehr für Musik zahlen will. Auch Künstler müssen essen, und sie brauchen Zeit, sich zu entwickeln. Wir hatten damals Glück und auch nach zwei schlechten Platten das Vertrauen unseres Labels. Dann haben wir ‘74 „Crime of the century“ rausgebracht und unsere Geschichte begann.
Roger Hodgson und Band spielen am 24. Juni um 19.30 Uhr auf dem Tollwood Festival, Karten 55 Euro, 0700-38 38 50 24
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