Ritter Rost wird auf Hochglanz poliert

Am Sonntag kann man den Restauratoren des Nationalmuseums bei der Arbeit zuschauen.
von  Abendzeitung

Am Sonntag kann man den Restauratoren des Nationalmuseums bei der Arbeit zuschauen.

Es ist kaum zu fassen, dass die Haare echt sind. Aus dem vertrockneten Kopf der „Moorleiche aus dem Dachauer Moos“ sprießt ein dunkelbrauner, voller Schopf, wie ihn sich manche Lebende vielleicht wünschen würde. Allerdings ist diese Dame seit 700 Jahren tot – was nicht heißen soll, dass sie uns nichts mehr zu sagen hätte.

Die findigen Restauratoren der Archäologischen Staatssammlung haben sich mit Forensikern und Biologen zusammengetan und herausgefunden, dass der Frau ihrerzeit eine zweifelhafte Ehre zuteil wurde: Die ebenfalls noch völlig intakten Haarbänder sind aus dem Fell von Lamas oder Alpakas gefertigt, ihre Trägerin starb wohl im Zuge eines lateinamerikanischen Opferkults, wie ihn etwa die Inkas betrieben. Wie es die Mumie nach Oberbayern verschlagen konnte, wird im Moment untersucht – und wer jetzt noch denkt, ein Job im Museum sei langweilig, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.

Alle anderen können am Sonntag zwischen 11 und 17 Uhr den Restauratoren der Archäologischen Staatssammlung, des Bayerischen Nationalmuseums und der TU München im gemeinsamen Neubau hinter dem Nationalmuseum bei der Arbeit über die Schulter schauen. Und dürfen dabei nicht nur ihre Fortschritte an der Moorleiche, sondern auch an einer Ritterrüstung oder einem assyrischen Steinrelief bewundern.

Die Dinge so zu erhalten, wie sie sind, ist nur allzu oft Schwerstarbeit

Dabei ist der Begriff der Restaurierung schon ein wenig irreführend: „Wir ergänzen bei Fundstücken nur, wenn wir uns des ursprünglichen Erscheinungsbilds sicher sind“, sagt Constanze Thomas, die bei den Archäologen arbeitet. Andernfalls würde zum Beispiel ein Kunststoffmodell eine wahrscheinliche oder vermutete Ergänzung deutlich machen.

Noch ein wenig enger gefasst sind die Aufgaben von Thomas' Kollegen beim Bayerischen Nationalmuseum. Sie machen in ihren weiten, offenen Hallen Werke aus dem Depot fit für Ausstellungen, bereiten Leihgaben vor oder überprüfen Neuerwerbungen. „Bei uns steht die Konservierung im Vordergrund“, sagt Ute Hack, Leiterin der Restaurierungsabteilung.

Und die Dinge so zu erhalten, wie sie sind, ist nur allzu oft Schwerstarbeit. Im Raum, der sich der Steinkunst widmet, begrüßt die heilige Elisabeth von Thüringen den Besucher. Dass sie mit Schweiß, Ketten und elektrischen Hebevorrichtungen auf ihren Platz gehievt wurde, sieht man ihrem Lächeln nicht an. Daniel Jöst arbeitet hier, er war früher Steinmetz, bevor er sich an der Uni Hildesheim zum Diplom-Restaurator ausbilden ließ. „Das war eine logische Konsequenz. Als Steinmetz ist man eben auf die wenigen Aufträge vom Bau oder von Friedhöfen angewiesen“, sagt er.

Restaurierung, oder besser: Konservierung, ist eben auch eine Geduldsfrage

Daniela Karl ist in der Abteilung Gemälde/Skulptur damit beschäftigt, den Firnis von einem Bild Ludwigs des Gütigen abzunehmen. Drei oder vier Tage wird sie brauchen, um das gesamte Antlitz mithilfe von Wattestäbchen und Lösungsmitteln vom Belag zu befreien. Eine stupide Arbeit? „Nein, die Aufgabe empfinde ich als sehr angenehm. Im Vergleich zu anderen Tätigkeiten sieht man hier deutlich das Ergebnis der investierten Zeit.“

Restaurierung, oder besser: Konservierung, ist eben auch eine Geduldsfrage. 28 Angestellte widmen sich dieser Arbeit beim Nationalmuseum, es ist zählenmäßig die stärkste Abteilung des Hauses. Doch Ute Hack, die auch Kurse an der Uni gibt, registriert beim Nachwuchs eine fragwürdige Tendenz: „Manchmal sind unter den Zuhörern gerade mal zwei junge Männer – es hat sich wohl herumgesprochen, dass man als Restaurator keine Familie ernähren kann.“ André Brutillots Baby ist ein acht mal vier Meter großer Wandteppich. Seit drei Wochen ist er mit OP-Handschuhen und Mundschutz dabei, das Ungetüm von schlechtem Flickwerk zu befreien, bis Jahresende will er damit fertig sein. Drei Monate Aufwand, nur, um die schlampige Arbeit eines Möchtegern-Vorgängers ungeschehen zu machen. Bis zur Neueinrichtung des Nationalmuseums müssen die Restaurierungsarbeiten beendet sein, bis dahin widmet sich Brutillot nur diesem einen Stück. Diese Neueinrichtung ist für das Jahr 2011 geplant. Doch auch bei ihm keine Spur von Monotonie: „Ich mache das gerne. Jede Stelle, an der ich arbeite, ist anders.“

Bei Constanze Thomas in der Archäologischen Staatssammlung geht es um mehr als Risse und Schönheitsfehler. Neben der Mumie aus Südamerika steht ein Gefäß, wie es Dr. Frankenstein nicht morbider hätte gestalten können. Ein gebogenes, weiches, dunkles Etwas schwimmt in Formalin oder einer anderen gelblich glibbernden Schmiere. Körperteile? Geheimnisvolle DNA-Experimente? Klein-Lebewesen? Nichts davon: In dem Behälter steckt ein Schwert, das sich durch lange, unsachgemäße Lagerung verformt hat. Manchmal ist Zerstörung noch spannender als Restaurierung.

Tim Slagman

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