Riesen-Chaos vor Demjanjuk-Prozess

MÜNCHEN - Der Prozess des Jahres gegen den ehemaligen KZ-Aufseher wird zur Blamage für die Münchner Justiz: Korrespondenten aus der ganzen Welt ärgern sich über die Organisation. Eine Sprecherin gelobt Besserung.
Michel Friedman hat nur ein Wort für die Zustände vor dem Justizzentrum: „Unwürdig“ findet es der Anwalt und Journalisten, wie München mit den Berichterstattern aus aller Welt umging. Die Münchner Justiz hat sich mit der Organisation des Prozesses blamiert. Mit peinlichem Kopfschütteln nahmen die Auslandskorrespondenten schon die Beschilderung ihres Wartebereichs war: in die „Demjanjuk-Sammelzone“ wurden sie gepfercht.
Der Ärger war schon vorprogrammiert. 260 Journalisten wollten über den ersten Prozesstag berichten. Zu viele für den Schwurgerichtssaal. Deshalb hatte sich Richard Carter von der Agentur AFP schon um halb fünf Uhr morgens vor die Absperrung gestellt. „It's my job!“, kommentiert er die Strapaze.
Die Türen öffnen sich mit zwei Stunden Verspätung
Stundenlang mussten Prozessbeobachter in der Kälte ausharren. Um 7.15 Uhr sollen sie zumindest ins warme Innere des Justizzentrums gelassen werden. Doch nichts passiert. Schließlich kommt ein netter Polizist vor die Tür, lächelt – und verkündet, dass die Justizpressestelle die Journalisten zur falschen Uhrzeit herbestellt hat.
Stattdessen soll es erst gegen 9 Uhr losgehen – viereinhalb Stunden, nachdem AFP-Reporter Carter sich vor die Tür gestellt hat. Der Polizist erklärt noch recht freundlich: „Wir wissen von nichts.“ Laut Gerüchten soll der Sprengstoffspürhund nicht rechtzeitig da gewesen sein.
Inzwischen ist die Menschenmenge auf über hundert angewachsen. Sprechchöre formieren sich: „Aufmachen!“ „Buh!“ Oene van der Wal vom niederländischen Nachrichtenmagazin „Elsevier“: „Die ganze Organisation ist lächerlich, unprofessionell und chaotisch. Ich habe keinen guten Eindruck von der Münchner Justiz gewonnen.“
"Unprofessionelle Organisation"
Um neun Uhr endlich öffnet sich die Tür zur Sicherheitsschleuse – und ein Polizeibeamter mit kahl geschorenen Schläfen und rotem Kopf brüllt in bester Soldaten-Manier: „Haaaaalt!“ Inzwischen haben die Journalisten bereits eine Resolution verfasst: „Hiermit protestieren wir aufs Schärfste gegen die unprofessionelle Organisation.“
Schon im Vorfeld hatte es Ärger gegeben: Lange Zeit hatte es geheißen, man könnte in einem Nebenraum die Verhandlung per Video verfolgen. Bis die Erkenntnis durchsickerte, dass das in deutschen Prozessen nicht erlaubt ist.
Zurück in der Schlange: Wer es nach drinnen schafft, macht Bekanntschaft mit der Personenkontrolle. Wie beim Flughafen geht es durch einen Metalldetektor. Wer sich das sparen will, geht um das Gerät herum und gelangt durch eine Seiten-Tür in den zweiten Sicherheitsbereich – einfach so, ohne Kontrolle. Soviel zur Sicherheit. „Keiner weiß was“, kommentiert der nette Polizist von vorhin.
Der Vorsitzende Richter entschuldigt sich
Das Gedränge geht weiter. „Gleich schlag’ ich dir eine rein!“, brüllt der Ton-Techniker des ZDF entnervt. In einer zweiten Kontrolle wird jeder Prozessbeobachter abgetastet. Um 10.30 Uhr ist auch die AZ endlich im Gerichtssaal. Um 11 Uhr, mit einer Stunde Verspätung, startet der Prozess. „Wir haben die Dauer der Einlassprozedur nicht einschätzen können“, sagt der Vorsitzende Richter Ralph Alt. Dann wundert er sich, dass der ganze Saal lacht.
Justizsprecherin Barbara Stockinger bestätigt der AZ die Panne mit dem Sprengstoffspürhund und räumt ein: „Es hat organisatorische Mängel gegen, das tut uns leid Morgen wird es besser.“
vth, anp, jot,