Richter hilft Raser

Ein lebensgefährliches Fahrmanöver auf der Autobahn, ein gereckter Mittelfinger: Dennoch kam der Übeltäter mit einem Freispruch davon. Weil der Amtsrichter zuließ, dass ein Double auf dem Stuhl des Angeklagten Platz nahm.
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Viel Bewegung und Kontrolle auf der Garmischer Autobahn
Mike Schmalz Viel Bewegung und Kontrolle auf der Garmischer Autobahn

Ein lebensgefährliches Fahrmanöver auf der Autobahn, ein gereckter Mittelfinger: Dennoch kam der Übeltäter mit einem Freispruch davon. Weil der Amtsrichter zuließ, dass ein Double auf dem Stuhl des Angeklagten Platz nahm.

MÜNCHEN Ein lebensgefährliches Fahrmanöver auf der Autobahn, ein gereckter Mittelfinger: keine Kavaliersdelikte im Straßenverkehr. Dennoch kam der Übeltäter mit einem Freispruch davon. Weil der Amtsrichter zuließ, dass ein Double auf dem Stuhl des Angeklagten Platz nahm...

Garmischer Autobahn, kurz vor München: Stephan D. und seine Freundin fahren mit ihrem Golf auf der linken Spur, das Tempo wird auf 100 km/h reduziert. Da sieht der Jurist im Rückspiegel „schemenhaft etwas Schwarzes heranrasen. Ich riss das Steuer nach links und kam dabei gefährlich nahe an die Leitplanke“. Ein Ferrari schießt rechts am Golf vorbei, fast berühren sich die Außenspiegel, zieht nach links und rast davon. An der Ampel am Autobahnende steht der Ferrari, Stephan D. steigt aus, erklärt dem Fahrer, er werde ihn anzeigen. Die Reaktion: der Mittelfinger.

Die Falle des Richters

Vier Monate später identifiziert der Jurist den Fahrer bei der Polizei. Er erkennt ihn in einer Auswahl von acht ähnlich aussehenden Personen. Wieder acht Monate später findet die Verhandlung statt. Stephan D. soll als Zeuge sagen, ob der Mann neben dem Verteidiger – rötlich-blondes Haar, Sommersprossen – der Fahrer ist.

„Ich weiß, wo bei der Hauptverhandlung der Angeklagte zu sitzen hat“, so der Anwalt zur AZ. Aber er weiß nicht, dass der Richter ihm auf Anregung des Verteidigers eine Falle gestellt und einen Doppelgänger zugelassen hat: Es gibt keine Warnung, keinen Hinweis auf diese Finte. Stephan D. bestätigt, dass er den Mann erkennt.

Ein Fall von "Zeugentäuschung"?

Und das war’s dann. Freispruch, Verfahren beendet. „Der Staatsanwalt erklärte, ich müsse mir jetzt keine Sorgen machen, wegen Falschaussage belangt zu werden“, so Stephan D. „Das ist Zeugentäuschung“, sagt ein Strafrechtler im Bayerischen Rundfunk.

Auch die Staatsanwaltschaft München will den Fall noch einmal prüfen, der Leitende Oberstaatsanwalt Anton Winkler hat inzwischen die Akten angefordert und will sich heute äußern.

Rudolf Huber

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