Rettet die Münchner Bäume!

Zwischen ihnen wandeln, in ihrem Schatten sitzen und entspannen, unter ihnen im Herbst bunte Blätter und Kastanien zum Basteln sammeln: Bäume gehören zu einem angenehmen selbst in der Großstadt einfach dazu – vom nicht ganz unwichtigen Aspekt der Sauerstoffproduktion mal ganz abgesehen.
In München stehen etwa 800 000 Bäume, hinzu kommen die auf den Anlagen der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung. Es werden aber immer weniger, kritisiert der Bund Naturschutz Bayern – und fordert mehr Bäume.
„So eine Forderung von so einer breiten Basis war noch nie da“
Denn die prägten nicht den ästhetischen Charakter, sondern seien auch zentrales Element des Klimas einer Stadt. „Wenn wir den Klimaeffekt abpuffern wollen, sind Bäume der entscheidende Faktor“, sagt Jürgen Gerhards, Baumschutzbeauftragter des BA 19.
Dafür haben sich der Bund Naturschutz (BN) und viele Bezirksausschüsse (BA) in einem Arbeitskreis zusammengetan und ein Forderungs-Paket erarbeitet – parteiübergreifend. „Das ist eine richtig erfolgreiche Aktion geworden“, sagt Angela Burkhardt-Keller, „dass eine solche Forderung von so einer breiten Basis kommt, war in der Form noch nie da.“
Das Paket – bestehend aus 21 Anträgen – beinhaltet Forderungen nach verbessertem Baumerhalt, Baumschutz und Management des Baumbestands. Im Dezember ging das Antragspapier raus an alle Bezirksausschüsse. Der BA 18 hat es noch 2016 beschlossen, andere BAs haben es zur Behandlung in ihre Unterausschüsse gegeben oder Sondersitzungen angesetzt.
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„Wir sind ganz optimistisch“, sagt Rüdiger Schaar (SPD), Mitglied des Arbeitskreises und des Unterausschusses Umwelt vom BA 21. Mit Rückmeldungen aller BAs rechne man spätestens April. Dann soll das Paket an den Stadtrat übergeben werden. „Ich rechne bis Ende 2017 mit einer konkreten Antwort der Stadt“, sagt Schaar.
Im Kern geht es in den Anträgen um die möglichst umfangreiche Erhaltung alter Baumbestände und die Ausweitung der städtischen Grünflächen mit Baumbestand, außerdem ein professionelles Baummanagement. Fast 26 000 Einzelfällungen habe es zwischen 2010 und 2015 auf privatem Grund gegeben und mehr als 5000 auf öffentlichem – das liege auch am großen Bedürfnis nach Nachverdichtung. Dem gegenüber stünden nur etwa 22 000 Nachpflanzungen – ungeprüfte. Der Unteren Naturschutzbehörde müsse man nur eine Rechnung vorlegen. „Und die BAs haben gar keine Chance, das zu kontrollieren“, sagt Schaar.
Man wolle aber nicht nur auf die Verwaltung schimpfen, sagt Bernhard Dufter (Grüne) vom BA 12. „Die Politik muss die große Bedeutung des Themas weitergeben. Wir appellieren an die Stadträte, mehr Ressourcen freizumachen.“
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Eine zentrale Forderung ist ein Kataster, das alle Bäume in der Stadt erfasst – auf privatem und öffentlichem Grund, und eine Kontrolle erleichtert. Die Parkverwaltung des Englischen Gartens pflegt bereits ein eigenes, ebenso die Stadtwerke.
Wer einen Baum fällt und keinen nachpflanzt, zahlt pauschal 750 Euro
Für Neubauten wünscht sich der Arbeitskreis eine Baumpflanzung als Bestandteil jeder Baugenehmigung.
Außerdem sollten die Ausgleichszahlungen für einen gefällten Baum ohne Nachpflanzung, „massiv angehoben“ werden. Derzeit liegt die pauschal bei 750 Euro – „das steht in keinem Verhältnis zum Wert eines Baums“, sagt Dufter. Auch des immateriellen Wertes: schöner Anblick, Schattenwurf, Feinstaub-Bindung, Lebensraum für Insekten, Vögel, Nagetiere. Und dieses nicht ganz unwichtigen Aspekts der Sauerstoffproduktion.
München ist vogelfeindlichste Großstadt
Nun schon zum siebten Mal in Folge ist München bei der bundesweiten Zählung „Die Stunde der Vögel“ auf dem letzten Platz gelandet.
Aus München Stadt und Land wurden den Organisatoren, den Naturschutzverbänden LBV und Nabu, insgesamt mehr als 47 000 Vögel gemeldet – pro Zählort entspricht das aber im Schnitt noch nicht einmal 20 Vögeln im Stadtgebiet, im Landkreis immerhin 25. Im Vergleich der deutschen Großstädte ist nur Duisburg vogelärmer.
Der deutsche Durchschnitt liegt bei etwa 35.
Selbst der Sperling hat’s schwer in der Stadt.
In ganz Deutschland wurden heuer etwa 20 Prozent weniger Vögel gezählt als sonst. Die absoluten Zahlen beunruhigen die Naturschützer nicht so sehr, teilt der LBV mit. Sie seien auf ausbleibenden Zuzug von Vögeln aus Norden und Osten zurückzuführen und ein reiches Nahrungsangebot in den Wäldern, weshalb viele Vögel nicht zu Futterstellen in Städten und Dörfern kamen.
„Wenn aber seit Jahren in München deutlich weniger Vögel beobachtet werden als in allen anderen deutschen Großstädten, greifen solche Erklärungen nicht mehr“, klagt Sophia Engel, Ornithologin beim LBV. Zum Beispiel zähle der LBV von Jahr zu Jahr weniger Sperlinge in München – dabei sei kein Vogel besser angepasst an das Zusammenleben mit dem Menschen.
Die Naturschützer fordern darum den Erhalt und Schaffung von Brutplätzen, vogelfreundliche Gehölze und insektenfreundliche Blumenwiesen als Standard. „Mehr Natur in der Stadt ist möglich“, sagt Engel. Hier seien Politik und Bürger gefordert.