Reservierungen: Der erste Wiesn-Ärger

Wegen neuer Reservierungsregeln müssen die Wirte ihren Stammgästen teilweise absagen. Im Internet dagegen lassen sich jetzt schon Tische bestellen – für bis zu 10.600 Euro pro Buchung.
Toni Roiderer hat schon ein paar verschickt. Weitere Schreiben werden in der nächsten Woche rausgehen. Der Inhalt ist stets der gleiche, und die Adressaten sind „unsere Stammkunden“, wie es im Brief des Wiesnwirtes heißt.
„Wir wünschen unseren Stammgästen ein gutes neues Jahr – und fragen, ob Sie dieses Jahr wieder kommen wollen, dass wir uns alle Mühe geben, trotz der neuen Reservierungsregelung Platz für sie zu finden“, sagt der Wiesnwirte-Sprecher.
Eines weiß er aber jetzt schon: Alle wird er aber nicht unterbringen in seinem Hackerzelt.
Ein Grund dafür: Im Dezember hat der neue Wiesn-Chef Dieter Reiter (SPD) eine neue Reservierungsregel im Stadtrat durchgesetzt: Dieses Jahr müssen die Wirte 148000 zusätzliche Plätze frei lassen.
Unter der Woche sollen 25 Prozent aller Plätze frei sein, an Wochenenden und Feiertagen bis 15 Uhr die Hälfte der Plätze – und danach gilt für 35 Prozent ein Reservierungsverbot. Das soll für Spontan-Besucher die Chance auf einen Platz erhöhen. Wenig glücklich waren dabei die Wirte, die zu bedenken gegeben hatten, dass fast 90 Prozent ihrer Reservierungen aus München und der Umgebung stammen. 750 Tische fallen den großen Wiesnwirten täglich weg, im Hackerzelt sind es alleine 45.
„Das muss man diplomatisch regeln und bei einer Reservierung von acht Tischen vielleicht zwei wegnehmen, bei sechs einen“, sagt Roiderer. Jeder Wiesnwirt müsse da für sich einen guten Weg finden, „aber freuen tut sich natürlich keiner, wenn ihm ein Tisch weggenommen wird.“
Zuspruch bekommen die Wirte von unerwarteter Seite – der Berliner Agentur „Tab Ticketbroker“, die Wiesntische für horrende Summen anbietet: In der Preisliste für 2013 kostet etwa ein Tisch am Sonntagabend im Hackerzelt mit Bier und Hendl 1200 Euro, Samstagabend im Löwenbräu-Zelt oder in der Ochsenbraterei sind 2900 bis 3200 Euro fällig. Einen Doppeltisch für 26 Personen im Hofbräuzelt am mittleren Wiesnsamstag? 10600 Euro.
Von Zulieferern, meist Firmen, bekomme die Agentur ihre Tische, sagt Geschäftsführer Florian Kosak. Im dreistelligen Bereich bewege sich die Zahl dieser Reservierungs-Lieferanten. Kosak: „Dieses Jahr haben wir einen kleinen Aufschlag auf die Preise gegeben, um den Wegfall zu kompensieren.“ Verknapptes Angebot, höhere Preise. Kosak rechnet mit 15 Prozent weniger Tischen, die „Tab“ weiter vermitteln kann. „Genau lässt sich das noch nicht sagen, weil wir auch viele Tische bekommen, wenn Kunden spontan nicht gehen können.“
Auf das Angebot von dieser Agentur greift natürlich kein Münchner Normalo zurück, wenn er bei der Tischvergabe wieder einmal leer ausgeht – sondern zu über 90 Prozent sind es große Firmen. Agentur-Chef Kosak: „Für diese Betriebe ist der Tisch auf dem Oktoberfest noch der geringste Kostenfaktor, wenn sie Kunden nach München einladen, allein schon die Übernachtung im Fünf-Sterne-Hotel zur Wiesnzeit kostet mehr.“
Die Ferndiagnose aus Berlin: „Mit der neuen Regelung hat sich die Stadt keinen Gefallen getan“, sagt Kosak. „In diesem Fall gebe ich den Wirten recht: Es wird sich keine Familie drei Stunden vor ein Zelt stellen, um einen der freien Plätze zu ergattern.“
In diesen Tagen wird’s lange Gesichter geben, wenn Post vom Lieblingszelt kommt. „Durch die Reduzierung der Reservierungsmöglichkeiten ist zu befürchten, dass sich die Anzahl derer erhöhen wird, die sich mit der Weitergabe der Reservierungen zu überhöhten Preisen bereichern wollen“, heißt es im Schreiben der Familie Roiderer – eine Anspielung auf Angebote wie das von „Tab“. „Es gibt Anbieter, die unseriös arbeiten, von denen wollen wir uns klar abgrenzen“, so Kosak.
Münchner Normal-Gästen wird’s so oder so nicht zum Wiesntisch verhelfen.