Reptilien ziehen in JVA Stadelheim ein
In die Haftanstalt Stadelheim ziehen nächste Woche mehrere Reptilien ein. Durch die Pflege der Tiere sollen junge Häftlinge Verantwortung lernen.
München - Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim bekommt neue Insassen. Insassen, die überhaupt nichts angestellt haben – und denen es zudem völlig egal ist, dass sie fortan im Gefängnis sitzen. Hauptsache, sie werden artgerecht behandelt, ihr neues Zuhause ist schön sauber und die Speisekarte stimmt: Nächste Woche werden eine Bartagame und mehrere Leopardgeckos in Bayerns größtem Kittchen einziehen, eine Kolonie Landschildkröten soll später folgen.
Durch die Pflege der Tiere sollen junge Häftlinge lernen, Verantwortung zu übernehmen. Angestoßen haben das Projekt Anstaltslehrerin Ursula Franz und Markus Baur, Leiter der Auffangstation für Reptilien in der Kaulbachstraße. „Es gab schon einmal eine Bartagame in der JVA, aber die ist irgendwann an Altersschwäche gestorben“, erzählt der Fachtierarzt. Ihr zweistöckiges Terrarium blieb in einem Gefängnis-Klassenraum zurück.
Bei einem Besuch in Stadelheim erklärte Baur einer Gruppe von zwölf jungen Häftlingen, wie man Reptilien richtig hält – und wie man den alten Behälter in zwei neue, modernere umbauen könnte. „Die Jungs waren total interessiert und wollten gar nicht in die Mittagspause gehen“, sagt er. „Sie wissen, dass sie Mist gebaut haben und freuen sich darauf, etwas Anständiges zu machen.“
Mittlerweile sind die Terrarien renoviert. Die jungen Häftlinge wissen, dass die Behälter regelmäßig gesäubert und die Bewohner täglich gefüttert werden müssen. „Außerdem müssen die Verstecke der Geckos mit Wasser besprüht und feucht gehalten werden. Sonst trockenen die Tiere aus“, erklärt der Experte. „Leopardgeckos sind Wüstenbewohner, die in Freiheit in kühlen Höhlen leben.“ Die Reptilien-Truppe der JVA hat auch diese Lektion gelernt – die Tiere können kommen. Von den rund 30 Bartagamen, die derzeit in der Auffangstation auf ein neues Zuhause warten, will Markus Baur ein besonders robustes Männchen für Stadelheim aussuchen.
Sollte trotz allem ein vierbeiniger Gefängnis-Insasse erkranken, sind der Tierarzt und sein Team zur Stelle. „Das Futter und die Ausstattung der Terrarien zahlt die JVA. Aber die Tiere bleiben im Besitz der Station und werden natürlich auch von uns behandelt.“
Verhaltensforscher sind sich sicher, dass die Sorge um Tiere das Sozialverhalten vieler Häftlinge verbessert. In den vergangenen Jahren sind deshalb in mehreren deutschen Anstalten ähnliche Projekte gestartet worden: In der Bremen züchten „schwere Jungs“ Hängebauchschweine, Schafe und Hühner. In der Jugendanstalt Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) werden Wollschweine gehalten. Im bayerischen Ebrach gehen die Häftlinge jeden Sonntag mit den Hunden des Gefängnispfarrers spazieren.
Wenn auch in Stadelheim alles gut läuft, soll das Reptilien-Projekt noch ausgeweitet werden. Gemeinsam mit den Insassen will Markus Baur im Gefängnishof ein Landschildkröten-Gehege anlegen. Die Leitung der Justizvollzugsanstalt habe bereits Grünes Licht gegeben, sagt er.
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