Rentnerin Brigitte: „Ich spare ja schon, wo ich nur kann“

Brigitte D. hat immer viel gearbeitet – trotzdem bekommt sie nur eine kleine Rente. Dass nun die Miete für ihre Sozialwohnung steigt, bereitet ihr große Sorgen.
von  Julia Lenders
Katze Peppina ist der einzige Luxus, den Brigitte D. sich leistet – dabei bringt sie jede Tierarzt-Rechnung in Schwierigkeiten.
Katze Peppina ist der einzige Luxus, den Brigitte D. sich leistet – dabei bringt sie jede Tierarzt-Rechnung in Schwierigkeiten. © Sigi Müller

München - Brigitte D.’s langer Weg in die Altersarmut beginnt im Jahr 1997. Die Münchnerin ist 53 Jahre alt, als sie arbeitslos wird. Der Filmverleih, in dem sie zwölf Jahre lang als Empfangssekretärin beschäftigt war, macht dicht – und sie steht auf der Straße. BrigitteD. tut, was sie kann. Sie schreibt rund 100 Bewerbungen. Vergeblich. „Mit dem Jugendwahn, der überall herrscht, hieß es bloß noch: zu alt, zu alt, zu alt.“ Der gelernten Großhandelskauffrau bleibt in den darauffolgenden Jahren nichts übrig, als sich von Aushilfsjob zu Aushilfsjob zu hangeln. „Das Arbeitsamt konnte mir auch nichts mehr vermitteln“, erzählt sie. Nicht nur finanziell, auch psychisch macht ihr der Jobverlust zu schaffen. „Ich habe mich so nutzlos gefühlt“, erinnert sich Brigitte D., „einfach nicht mehr anerkannt.“

 Sieben Jahre später, mit 60, rutscht sie schließlich in Hartz IV. „Ich bin immer ein Mensch gewesen, der nicht auf so was angewiesen sein wollte“, sagt sie. „Man hat ja seinen Stolz.“ Inzwischen ist die Münchnerin 68 Jahre alt – und bezieht eine kleine Rente von 871,57 Euro. Per Definition gilt sie damit als arm. Laut städtischem Armutsbericht ist das in München jeder Alleinstehende, der von weniger als 1000 Euro netto leben muss. Auf staatliche Hilfe kann sie trotzdem nicht zählen. Mit ihrem Einkommen liegt sie ganz knapp über den gültigen Grenzen.

Bevor Brigitte D. arbeitslos wurde, hatte sie immer gearbeitet. Von ihrem 16. Lebensjahr an. Nach ihrer Ausbildung beim Möbelhaus „Form im Raum“ war sie bei BMW, den bayerischen Wasserkraftwerken, bei der Firma Hilti und einer Bauträgergesellschaft. Selbst als ihr Sohn zur Welt kam, setzte sie nur kurz aus. Lediglich als sie wegen ihres früheren Ehemanns zwei Jahre lang in Nürnberg lebte, hatte Brigitte D. keinen Job.

„Ich finde das ungerecht“, sagt sie. „Kein Politiker redet davon, dass man viel gearbeitet hat, aber trotzdem nur eine kleine Rente bekommt.“ Die 68-Jährige weiß sich jedoch zu helfen: Sie improvisiert. Kleidung kauft sie nur aus zweiter Hand. Auch die Matratze, die sie sich vor einigen Jahren besorgt hat, war gebraucht. Das Ding hat’s eigentlich hinter sich. Doch Brigitte D. beschränkt sich notgedrungen darauf, von einer neuen Matratze – samt neuem Bett – zu träumen.

Oft kocht die Rentnerin gemeinsam mit einer Freundin, sodass sich die beiden die Kosten fürs Essen teilen können. „Wir helfen uns untereinander“, berichtet sie von ihrem Freundeskreis. Urlaub, Theater- oder Konzertbesuche sind zwar nicht drin. „Aber zum Glück gibt es in Neuhausen viele kostenlose kulturelle Veranstaltungen“, sagt die patente, lebenslustige Frau.

Apropos Urlaub: Früher, als es ihr finanziell noch besser ging, fuhr Brigitte D. gerne nach Italien – auch um dort Sprachkurse zu besuchen. „Das habe ich geliebt!“, schwärmt sie. Auf ihrem Anrufbeantworter grüßt sie die Menschen mit einem fröhlichen „Buongiorno“. Auch ihre Katze Peppina ist eine Italienerin. „Sie ist mir als Baby einfach auf den Arm gesprungen, hat geschnurrt – und da war es um mich geschehen.“ Inzwischen ist der letzte Italien-Urlaub viele Jahre her, und Peppina eine ältere Katzen-Dame. Sie ist, wenn man so will, Brigitte D.’s einziger Luxus. Denn jede Tierarzt-Rechnung bringt die Halterin in die Bredouille. „Sparen kann ich für solche Fälle nichts, ich lande am Monatsende immer bei Null.“

Ab Januar wird das Budget sogar noch knapper. Das Haus, in dem Frau D. lebt, ist saniert worden. Jetzt hat es Balkone, neue Fenster und Heizkörper – sowie höhere Mieten. Im neuen Jahr muss Brigitte D. auf die bisher 400 Euro, die sie pro Monat für ihre Sozialwohnung bezahlt, nochmal 65 Euro drauflegen. Wie das funktionieren soll, ist ihr noch nicht ganz klar. „Ich spare ja jetzt schon, wo ich kann.“ Sie wird sich wohl trotz ihres fortgeschrittenen Alters nach einer Möglichkeit umschauen müssen, etwas dazu zu verdienen. Wobei der Job körperlich nicht belastend sein darf. Brigitte D. hat Bandscheibenprobleme und chronische Schmerzen. Erst vorige Woche war sie in der Notaufnahme, weil sie es nicht mehr aushielt.

Ein Schock war für Brigitte D. nicht nur die Mieterhöhung, sondern auch eine Stromnachzahlung, die im November plötzlich im Briefkasten lag. Während der Sanierung des Miethauses hatte sie zeitweise keine Heizung. Deshalb wurden auch die monatlichen Abschlagszahlungen gesenkt. Gleichzeitig aber bekam die Rentnerin einen Radiator zur Verfügung gestellt, damit sie nicht frieren muss. „Und der hat Strom gefressen.“ Jetzt muss sie eine Rechnung in Höhe von 526,51 Euro abstottern.

Brigitte D. hat sogar schon überlegt, aus dem teuren München wegzugehen. Doch zum einen könnte sie einen Umzug gar nicht finanzieren. Und zum anderen möchte sie in der Nähe ihrer Freunde bleiben. „Ich unterhalte mich einfach gerne“, sagt sie. Dann erzählt Brigitte D. noch ein bisschen. Nicht davon, was in ihrem Leben besser hätte laufen können. Sondern davon, was sie alles daran mag.

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