Rentnerin (68): So wollten mich Telefon-Betrüger abzocken

„Sie haben gewonnen!“ Mit einem solchen Anruf beginnt die Masche oft – und endet im Betrug. Hildegard M. werden 59000 Euro versprochen, sie ruft die Polizei. Die AZ sagt, wie man sich schützt
München - Der Betrüger ruft zurück. „Ja? Hier Biegert. Sie haben angerufen.“ Die AZ fackelt nicht lange: „Herr Biegert, mehrere Menschen haben sich bei uns gemeldet. Sie sollen ihnen Gewinne versprochen haben. Aus einer Verl...“ Klick. „Biegert“ legt auf.
Der Mann kommt aus Hessen. Jedenfalls hat sein Anschluss die Vorwahl 0561: Kassel vielleicht – oder eine der umliegenden Städtchen wie Vellmar, Baunatal oder Fuldabrück. „Biegert“ sitzt also in der geografischen Mitte Deutschlands, wildert zur Zeit aber auch 474 Kilometer weiter südlich – etwa im Hasenbergl.
Dort wohnt Hildegard M. Auch sie hat mit „Biegert“ gesprochen. Er versprach der 68-Jährigen unglaubliche Summen. Alles nur, um ihr Geld abzuluchsen. Einer Bekannten nahmen die Betrüger um „Biegert“ 900 Euro ab – durch den „Paysafe“-Trick. Den gibt es in München jeden Tag. Tausendfach, sagt die Polizei. In verschiedensten Varianten. Im Hasenbergl ist gerade die Masche mit den Zahlungskarten fürs Internet aktuell. Hildegard M. kümmert sich um viele alte Menschen im Viertel.
Sie kennt „mindestens zehn, 15“ Menschen, die von „Biegert“ angerufen wurden. „Das geht grad irgendwie rum.“ Hildegard M. hört von der Masche zum ersten Mal im April von ihrer 87-jährigen Bekannten: In der Mitte des Monats ruft eine unbekannte Frau die 87-Jährige an. „Sie haben gewonnen“, sagt sie. Voriges Jahr habe sie an einer Verlosung teilgenommen und sei gezogen worden. Damals habe sie sich für den Gewinn von 50000 Euro entschieden, sagt die Frau. Die bekäme sie jetzt. „Seien Sie morgen um 13 Uhr daheim.“
Am nächsten Tag ist der Mann namens „Biegert“ am Apparat. „Er hat gesagt, dass die Security-Firma das Geld bringt. In 500-Euro-Scheinen“, sagt Hildegard M. Die Seniorin müsse nur noch eines tun, um das Geld zu bekommen: Sie soll zur Tankstelle gehen und „Paysafe“-Karten kaufen. Mit denen kann man im Internet bezahlen.
Die Karten gibt es an Kiosken, Tankstellen oder in Supermärkten im Wert von zehn, 15, 20, 25, 30, 50 und 100 Euro. Auf ihnen ist ein Code aufgedruckt. Gibt man den beim Bezahlvorgang ein, ist das so viel wert wie Geld. Genau dieses Geld wollen viele Betrüger haben. Mittlerweile warnt auch „Paysafe“ auf seiner Webseite vor solchen Versuchen.
Die 87-Jährige tut, was „Biegert“ ihr sagt – und kauft für 900 Euro „Paysafe“-Codes, die sie ihm durchgibt. Als sie fertig ist, sagt der Mann, die Codes seien ungültig. Man könne ihr den Gewinn leider nicht auszahlen. Hildegard M. ist empört, als die Frau ihr das erzählt. „Erst dachte ich: Wie kann man nur so dumm sein?“ Dann hat sie Mitleid: „Sie hat nur eine kleine Rente. Und jetzt hockt sie auf 900 Euro Schulden.“ Zwei Tage später ruft die Bande bei Hildegard M. an. „Biegert“ verspricht ihr erst 59000 Euro. „Beim zweiten Mal waren’s 38000 Euro. Oder ein Audi“, sagt Hildegard M. Sie erstattet Anzeige und holt die Kripo beim zweiten Anruf zu sich. „Die konnten alles gleich mithören.“
Reinhold Bergmann kennt solche Tricks. Der Pressesprecher der Münchner Polizei ermittelte selbst neun Jahre gegen Trickbetrüger. „Solche Fälle passieren sicher tausendfach in München – jeden Tag“, sagt er. „Die überziehen die Bevölkerung damit“. Die Masche sei immer die gleiche: „Vor der Auszahlung soll man sich finanziell engagieren.“ Varianten gibt es viele: Manche Betrüger versuchen es per Telefon. Andere per Fax. Per E-Mail. Oder mit der Post.
Sie versprechen hohe Gewinne. Oder beziehen sich auf aktuelle Aktionen wie zum Beispiel Radio-Umfragen. So kommen sie schnell ins Gespräch. Manche beziehen sich auch auf angebliche Verlosungen vom Vorjahr. „Gerade ältere Menschen können sich da oft nicht mehr daran erinnern“, sagt Bergmann. „Da fangen viele an zu grübeln und können es nicht definitiv ausschließen.“ Und glauben dann dem Anrufer.
Die Betrüger verlangen Codes von Firmen wie „Paysafe“ oder „Ukash“. Manchmal sollen die Opfer Geld über „Western Union“ überweisen. Das läuft völlig anonym, sagt Bergmann: „Und das Geld ist weg.“ Nicht immer geht es um hohe Summen. 900 Euro wie bei der Bekannten von Hildegard M. sei ein großer Betrag. „Manchmal sind es nur 30, 40 Euro“, sagt Reinhold Bergmann. „Da macht es dann die Masse aus.“