Rentner Bruno: Sein schwerer Weg zurück ins Leben

Gut zwei Monate ist es her, dass Bruno N. im U-Bahnhof Arabellapark halb totgeprügelt wurde. Die AZ hat den 76-Jährigen besucht. Wie es ihm heute geht.
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Nur das Pflaster erinnert noch an die Tritte: Rentner Bruno N. aus Bogenhausen.
N. Job Nur das Pflaster erinnert noch an die Tritte: Rentner Bruno N. aus Bogenhausen.

Gut zwei Monate ist es her, dass Bruno N. im U-Bahnhof Arabellapark halb totgeprügelt wurde. Die AZ hat den 76-Jährigen besucht. Wie es ihm heute geht.

MÜNCHEN Der Wirbel um Roland Kochs gründlich misslungene Kampagne hat sich gelegt, die Plakate der Münchner CSU mit der brutalen Prügelszene hängen nicht mehr. Knapp zwei Monate sind vergangen, nachdem der pensionierte Schulleiter Bruno N. im U-Bahnhof Arabellapark von zwei Jugendlichen fast zu Tode geprügelt und anschließend „für den Wahlkampf benutzt“ wurde, wie es Bruno N. ausdrückt. Die öffentliche Aufmerksamkeit hat nachgelassen. Doch der Weg des Rentners zurück in die Normalität ist hart und beschwerlich. „Ich leide noch sehr unter den Folgen“, berichtete der 76-Jährige bei einem Besuch der AZ.

Äußerlich ist von den Verletzungen nicht mehr viel zu sehen: Das lebensbedrohliche Blutgerinnsel unter seinem Ohr hat sich zurückgebildet. Der dreifache Schädelbruch ist verheilt. Nur ein Pflaster klebt noch über dem rechten Auge. „Aus ästhetischen Gründen”, sagt Bruno N. Dorthin hatte ihn der Grieche Spiridon L. (17) mit voller Wucht getreten. Zurück blieben zwei Löcher. „Ich war zehn bis 15 Sekunden im Nirwana.“

Alles kostet unendlich viel Kraft

Die Tritte und Schläge wirken im Verborgenen nach. Vor dem Überfall war Bruno N. er ein sehr aktiver Pensionär: Reiselustig, kontaktfreudig, gern gesehener Stammgast in seiner Lieblingsgaststätte in der Nähe des Marienplatzes. „Früher war ich berüchtigt dafür, dass ich immer der Letzte war, wenn ich abends Freunde traf.“ Jetzt kostet ihn alles unendlich viel Kraft. Jeder Einkauf, der Gang zur Uni, wo er sich über interessante Vorlesungen im Semester informiert. Jeder neue Tag beginnt mit enormer Anstrengung. „Nach dem Aufstehen muss ich erst meine Bücher im Regal fixieren, sonst dreht sich alles.“

Von seinem Apartment bis zum Fahrstuhl muss Bruno N. einen langen Gang bewältigen. Wer ihn sieht, könnte denken, er sei beschwipst. „Ich gehe wie ein Teddybär, ich torkele“, beschreibt er sich selbst. Während er das sagt, lächelt Bruno N. Er will nicht immer daran denken. An die 13 Sekunden, festgehalten auf einem Video, das ganz Deutschland kennt. „Ich bin der Boxsack auf dem Boden“, beschreibt er die Sequenz. „Die Kerle wollten mich wirklich killen.“ Bruno N. will abschließen, vergessen, wieder leben wie vorher. Doch die Folgen lassen es nicht zu.

"Kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht mehr so"

39 Jahre lang hatte er junge Menschen unterrichtet, davon fünf Jahre in Ungarn. Er konnte sich immer verlassen auf sein Gedächtnis. Jetzt passiert es ihm ständig, dass er vergisst, was er gerade noch tun wollte. „Mein Kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht mehr so gut.“ Seine Kraft reicht nur noch für einen halben Tag. „Um 14 Uhr ist mein Akku leergebrannt, dann muss ich mich für eineinhalb Stunden hinlegen.“ Im Januar verbrachte der 76-Jährige mit seinem Patenkind und dessen Eltern eine Woche im Schwarzwald. Er wollte sich erholen, auf andere Gedanken kommen. „Ich habe die meiste Zeit im Bett gelegen.“

Voraussichtlich im Juni wird der Prozess gegen Spiridon L. und den Türken Serkan A. (20) beginnen. Welche Strafe die Täter bekommen, sei ihm egal, sagt Bruno N. „Ob die fünf oder acht Jahre bekommen, ist mir völlig wurscht. Ich habe keine Rachegefühle. Ich empfinde keine Genugtuung. Das ist Sache der Justiz. Das ist nicht die Aufgabe eines Lehrers, der Opfer wurde.“ Bruno N. will nicht als Nebenkläger auftreten. „Ich mache meine Aussage und dann gehe ich wieder.“ Nach dem Urteil wird es hoffentlich einfacher. Mit dem Vergessen.

Nina Job

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