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René Benko zerstört das Lebenswerk dieser Hoteliersfamilie in München: "Die Tür zugemacht und das war's"

Hochfliegende Pläne hatte René Benkos Signa mit dem großen Areal zwischen Hauptbahnhof und Stachus in München. Heute ist es eine Bauruine. Das Lebenswerk der Familie Schröder, die dort über 40 Jahre lang das Hotel Luitpold führte, ist zerstört.
von  Nina Job
Bis 2021 ein Hotel, heute Bauruine: das Haus in der Schützenstraße 14.
Bis 2021 ein Hotel, heute Bauruine: das Haus in der Schützenstraße 14. © Daniel von Loeper

München - Es ist fast nichts mehr übrig von ihrem Lebenswerk. An der Fassade hängt noch der blaue Schriftzug mit einem roten Pfeil, der den Weg wies zum Eingang. Daneben türmt sich neben dem einstigen Hotel Luitpold ein Schuttberg. Davor steht ein hoher Bauzaun. Bis vor kurzem prangte ein großes Signa-Logo darauf.

43 Jahre lang haben Helene und Wolfgang Schröder das Drei-Sterne-Hotel betrieben. 2021 mussten sie es verlassen – weil die Signa alle Gebäude an der Schützenstraße aufgekauft hatte, um dort groß zu bauen. Doch gebaut oder abgerissen wird hier nicht. Das große Areal ist eine der vielen Bauruinen, die die Signa in deutschen Städten hinterlassen hat, nachdem der verschachtelte Immobilien- und Handelskonzern von René Benko wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist. Die Hoteliersfamilie Schröder aus München ist eines ihrer Opfer.

43 Jahre Hotelchefin: Helene Schröder hätte das Hotel Luitpold gern ihrem Sohn Frank und dessen Bruder übergeben.
43 Jahre Hotelchefin: Helene Schröder hätte das Hotel Luitpold gern ihrem Sohn Frank und dessen Bruder übergeben. © job

Hotel Luitpold in München: René Benko zerstörte das "Lebenswerk" von Familie Schröder

"Wir haben unser ganzes Herzblut in das Haus gesteckt", sagt die heute 80-jährige Helene Schröder. 41 Zimmer mit 79 Betten hatte das Hotel Luitpold, alles eingerichtet im altbayerischen Stil. "Wir hatten viele Stammgäste, die jedes Jahr kamen zum Oktoberfest, zur Bauma und zur Modewoche." Eigentlich hätten die Söhne Frank und Michael das Hotel einmal übernehmen sollen. Doch dann kam die Signa – und zerstörte die Pläne.

"Unser Lebenswerk wurde zerstört", sagt Helene Schröder. "Und wofür?", fragt ihr Sohn Frank (60). "Nun wird noch nicht mal abgerissen und neu gebaut. Alles vergammelt. Es zerreißt uns das Herz." Seine Eltern waren noch jung, als sie Hoteliers wurden. Helene Schröder hatte die Hotelfachschule Kermess in Pasing besucht, danach zog sie nach Düsseldorf, wo sie ihren späteren Mann Wolfgang kennengelernte. Kurz nach der Geburt des ersten Sohnes – Frank war drei Monate alt – zog die Familie nach München.

1978 übernahmen die Schröders das Hotel Luitpold in der Schützenstraße in München

"Ich war 20, mein Mann 22", erzählt Helene Schröder. Zuerst bewirteten sie in München ein Stübchen in der Brienner Straße, etwa zwei Jahre später stellte sich ihr Mann im Hotel Luitpold vor. Er bekam den Job an der Rezeption. Und dort blieb "der Scheffe", wie ihn die Mitarbeiter später nannten, bis zum letzten Tag. "Er hat das geliebt, die Gäste mit netten Sprüchen zu bespaßen", sagt seine Frau.

1978 übernahmen die Schröders das Hotel vom vorherigen Betreiber und wurden Mieter der Familie Breiter, deren Hutgeschäfte in München jeder kennt. Ihnen gehörte das Gebäude. "Für meine Eltern war das Hotel ihr Ein und Alles", sagt Frank Schröder. "Sie haben 20 Jahre lang keinen Urlaub gemacht. Die Arbeit hat sie jung gehalten."

Frank Schröder: "Wir hätten die Tradition des Hotel Luitpold gern fortgeführt"

Er selbst begann schon mit 16 in der Küche auszuhelfen. Sein Bruder lernte im Hotel Königshof und wurde stellvertretender Empfangschef im Oriental und später Empfangschef im Hotel Atlantik in Hamburg. "Wir hätten die Tradition des Hotel Luitpold gern fortgeführt", sagt der ältere Bruder. Doch es kam anders als gedacht.

Ab etwa 2013 hatte die Signa begonnen, in München nach und nach Grundstücke und Gebäude in Bestlage aufzukaufen. Mit der Übernahme von Galeria Karstadt Kaufhof gingen auch zwei große Nachbargebäude des Hotels ins Eigentum von Signa-Tochtergesellschaften über: das frühere Hertie-Haus am Hauptbahnhof und der dahinterliegende Karstadt-Komplex aus den 70er-Jahren. Er steht seit Juli 2023 leer, nachdem Galeria und der damalige Insolvenzverwalter beschlossen hatten, diesen Standort zu schließen.

René Benko wollte auf dem Areal beim Hauptbahnhof großflächig abreißen und neu bauen lassen

Das denkmalgeschützte Hertiehaus gegenüber dem Hauptbahnhof wollte die Signa sanieren, den Rest abreißen und großflächig neu bebauen: mit einem großen dreiteiligen Büro-Glaspalast. Die Planung des Stararchitekten David Chipperfield sah nur noch im Erdgeschoss Einzelhandelsflächen vor. Auch das Hertie-Haus sollte nach der Sanierung vorwiegend zum Bürohaus umfunktioniert werden. Dieser Plan, dass die Signa das frühere Warenhaus künftig anders nutzen wollte, wurde erst kürzlich bekannt. Sie hatte einen Umnutzungsantrag gestellt.

Für den geplanten Abriss der Gebäude aus den 70ern und die großflächige Neubebauung fehlte der Signa am Ende nur noch das Breiter-Haus mit dem Hotel Luitpold. Im November 2021 wurde eine Auflassung ins Grundbuch eingetragen, drei Monate später ging der Verkauf über die Bühne: nach AZ-Informationen für eine zweistellige Millionensumme. Alexander Breiter, Geschäftsführer der Adalbert Breiter GmbH, wollte sich nicht zum Kaufpreis äußern, da "die Kaufsumme der Schweigepflicht" unterliege.

Im Oktober 2021 kam das Aus für das Luitpold Hotel in München: "Ich war im Schockzustand"

Das Familienunternehmen Breiter hatte Glück, damals war die Signa noch nicht zahlungsunfähig. "Es ist alles korrekt und anständig gelaufen", sagte Alexander Breiter zu AZ. "Wir haben keine schlechten Erfahrungen mit der Signa gemacht." Familie Schröder hingegen traf es in mehrerlei Hinsicht hart. Während Corona hatte das Hotel monatelang schließen müssen. Seit März 2020, erzählt Helene Schröder, konnten die Hoteliers sich selbst kein Gehalt mehr zahlen.

Am 15. Oktober 2021 war ihr letzter Tag im Hotel. "Wir haben die Tür zugemacht, das war's", sagt die 80-Jährige. "Ich hab' noch die Bettwäsche abziehen lassen und alles ordentlich zurückgelassen. Ich war im Schockzustand." Geblieben sind ihr Erinnerungen und Fotos – und ein Buch, das ihr die Angestellten zum Abschied geschenkt haben. Eine Angestellte war 24 Jahre dabei, eine andere 20 Jahre. Die Mitarbeiter hatten "Herrn und Frau Schröder" zur Hochzeit und der Taufe ihrer Kinder eingeladen, die Hoteliers wiederum hatten regelmäßig gemeinsame Ausflüge mit den Angestellten unternommen.

Zum Abschied haben die Mitarbeiter den Hoteliers ein Buch selbst gestaltet.
Zum Abschied haben die Mitarbeiter den Hoteliers ein Buch selbst gestaltet. © job

Zehntausende Euro müssen die Ex-Hoteliers noch zahlen

"Zur Erinnerung an dein Team", steht auf dem Titel des Buchs, die Seiten sind voller handschriftlicher Dankesbriefe. Zwei Jahre und etwas mehr als drei Monate ist der Abschied nun her. Verwunden haben ihn die Schröders nicht. Sie meiden die Schützenstraße, den Ort mit dem Haus, in das sie so viel Energie, Arbeit, Zeit und Engagement gesteckt hatten. "Es tut weh, zu sehen, wie dort alles verkommt – für nichts", sagt Frank Schröder.

Zu allem Überfluss muss die Familie nun auch noch mehrere Zehntausend Euro Corona-Hilfen zurückzahlen, die sie bekommen hatten, während sie schließen mussten. Geld, das sie nicht mehr erwirtschaften können ohne ihr Hotel.

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