Reizende Aussichten beim "House-Running"
München - Das vielleicht mal vorneweg: Es ist meine erste Woche bei der Abendzeitung – und schon werde ich in 40 Meter Höhe geschickt. Nennt man so etwas Karriere?
Das, was ich ausprobieren soll, heißt House-Running. In der Redaktionskonferenz hatte irgendwie ganz plötzlich jeder einen anderen Termin zu besetzen – also blieb dieser dann für mich.
Houserunning – das ist neben Fallschirmspringen, Hubschrauber selber fliegen, Gleitschirm-Tandemflügen und Ballonfahren eines jener Abenteuer, auf die sich die Agentur des selbst ernannten Erlebnisexperten Jochen Schweizer spezialisiert hat. Es gilt als Spaziergang in senkrechter Lage – und soll einen Adrenalin-Rausch garantieren.
Ich soll also das Münchner Hotel „Rilano 24/7“ hinunter spazieren. An der Außenfassade. Claudia Beitsch und Dennis Lehnert, bekannt aus der ZDF-Expedition „Der Wettlauf zum Südpol“, sind auch dabei. Ich bin schon mal nicht allein.
Rauf darf ich noch den Lift benutzen. Runter soll ich wirklich zu Fuß? Auf dem Dach angekommen, bekomme ich erste Zweifel an meinem Auftrag. Doch für lange Überlegungen bleibt keine Zeit. Ruckzuck steht da ein Team und legt uns die Spezialausrüstung an. Dazu gibt’s entsprechende Erklärungen: Mit dem Gesicht abwärts blickend und einem zusätzlichem Seil als Sicherung sollen wir das Tempo selbst bestimmen dürfen.
In den Gesichtern des Expeditionsduos neben mir erkenne ich Anflüge von Angst und Zweifel. In mir spüre ich den Blutdruck steigen. Nervöses Händekneten wird zur Gruppenbeschäftigung. Die Aussicht auf Berge und Wälder ist herrlich, immerhin.
Letzte Sicherheitsinstruktionen, dann ein Klopfen auf die Schulter. Es ist das vereinbarte Zeichen, auf die Kante des Daches zu steigen. Das Seil halte ich zwischen den Händen fest umklammert. „Jetzt einfach nach vorne fallen lassen“, höre ich den Sicherheitsmenschen hinter mir sagen. Hat er wirklich „einfach“ gesagt?
Ich nehme das letzte bisschen Mut zusammen – und lasse mich vornüber fallen. Nein, ich schreie nicht mal. Ich habe das Gefühl zu schweben. „Einen Schritt vor den anderen“, flüstere ich mir selbst zu: „Und immer leicht am Seil ziehen.“ So, wie man es mir aufgetragen hat.
Kaum habe ich angefangen, mich zu amüsieren und den Ausblick zu genießen, ist es vorbei. Ich bin unten. Mit Farbe im Gesicht. Und stolz. Das soll einer von den Redakteure erstmal nachmachen.
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