Rechtes Drohschreiben ging auch an Münchner Juristin

München/Berlin - Erneut ist ein mit "NSU 2.0" unterzeichnetes, rechtsextremes Drohschreiben verschickt worden – unter anderem an eine Strafverteidigerin aus München.
Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtete, dass neben den bislang bekannten Fällen auch zwei weitere Frauen Ziel von Drohschreiben gewesen seien. Eine Berliner Kolumnistin sowie die Strafverteidigerin hätten der Zeitung gesagt, die hessische Polizei habe sie im vergangenen Jahr informiert, dass Briefe abgefangen worden seien, die derselben Quelle zugerechnet würden. Beide Frauen wollten zu ihrem Schutz anonym bleiben.
"NSU 2.0": E-Mails und Briefe abgefangen
Die "Welt am Sonntag" berichtete darüber hinaus, ein anonymer Verfasser habe am Freitag mindestens zwei E-Mails mit identischem Inhalt an insgesamt 15 Adressaten geschickt. Zu den Empfängern sollen demnach neben Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) auch die Linken-Politikerin Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar gehören, die schon früher Drohschreiben erhalten hatten. Auch nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ging eine neue derartige E-Mail an eine Reihe von in der Öffentlichkeit bekannten Empfängern.
Die "Welt am Sonntag" berichtete, in dem ihr vorliegenden Schreiben tauche erstmals der Name des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel auf. Ein Sprecher des hessischen Innenministeriums in Wiesbaden sagte, bei solchen Drohmails entscheide die zuständige Staatsanwaltschaft, was der Öffentlichkeit mitgeteilt werden könne. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
Auch Deniz Yücel erhielt Drohschreiben
Yücel sagte der "Welt am Sonntag": "Ich finde es verstörend, dass ich erst durch die Recherchen meiner Welt-Kollegen von diesem Drohschreiben erfahren habe." Weder die Polizei in Hessen noch in Berlin, wo Yücel lebt, hätte sich bislang mit ihm in Verbindung gesetzt. Wegen des Vorgehens der türkischen Justiz gegen Yücel stand der Journalisten immer wieder in den Schlagzeilen - jüngst wurde er in Abwesenheit wegen Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu zwei Jahren und fast zehn Monaten Haft verurteilt. Das Urteil stieß auf scharfe Kritik der Bundesregierung.
Der Sprecher des hessischen Innenministeriums sagte, mit rechtsextremistischen E-Mails bedrohte Bürger, die überwiegend in Hessen lebten, würden vom Landeskriminalamt des Bundeslandes kontaktiert. Es bewerte die Bedrohung und treffe "die entsprechenden Schutzmaßnahmen". Bei Bürgern anderer Bundesländer würden gegebenenfalls die dortigen zuständigen Behörden informiert.
Rechtes Netzwerk in der Polizei?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt in Deutschland bereits wegen mehrerer Fälle von rechtsextremen Drohschreiben. Einige der E-Mails waren mit "NSU 2.0" unterzeichnet. In drei Fällen waren zuvor persönliche Daten der Betroffenen von hessischen Polizeicomputern abgefragt worden.
Inzwischen schließt Landesinnenminister Beuth nicht mehr aus, dass es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei geben könnte. Ein Sonderermittler wurde eingesetzt.
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