Rechnungshof-Bericht: Wo unser Geld versinkt

Der Jahresbericht des Obersten Rechnungshofs liegt jetzt vor. Er zeigt, wo Steuern vergeudet werden – oder gar nicht erst kassiert. Das kommt auch in München vor.
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Das Fazit des Rechnungshof nach der Jahres-Bilanz: Bayern soll mehr sparen und gleichzeitig mehr investieren.
dpa Das Fazit des Rechnungshof nach der Jahres-Bilanz: Bayern soll mehr sparen und gleichzeitig mehr investieren.

München - Die rund 130 Prüfer vom Obersten Rechnungshof (ORH) sind vermutlich nicht die beliebtesten Beschäftigten des Freistaates. Ihre Aufgabe besteht nämlich darin, der Staatsregierung und ihren Behörden auf die Finger zu schauen – und in die Kasse. Die Steuer-Schlampereien, die der ORH aktuell aufdeckt, mögen in der Vergangenheit schon grotesker gewesen seien.

Ein Ärgernis bleiben sie allemal – etwa wenn Millionen für Motorsäge-Kurse ver(sch)wendet werden (siehe unten). Der Rechnungshof mahnt die Staatsregierung zum Sparen, auch wegen neuer Belastungen in der Flüchtlingskrise. Wobei Finanzminister Markus Söder (CSU) da gleich bei einem seiner Lieblingsthemen angekommen ist. Er sagt: „Die Flüchtlingszahlen müssen runter – und die Kosten für Asyl auch.“ Die Geldverschwendung in Behörden freilich auch, gell?

 

Gärtnerplatztheater - Teure Miete für einen alten Fiat

 

Das Gärtnerplatztheater bildet Rücklagen, über deren Sinn das Kunstministerium und der Rechnungshof uneins sind.

Gewöhnlich rügt der Rechnungshof überhöhte Aufgaben und Verschwendung. Im Fall des Staatstheaters am Gärtnerplatz ist das umgekehrt: Hier bleibt Geld übrig, das als Rücklage angespart wird.

Von 2010 bis 2014 stiegen die Mittel, die das Gärtnerplatztheater ausgeben konnte, von 34,6 Millionen Euro auf 40,4 Millionen – also um fast 17 Prozent. Da sich die Ausgaben aber bis 2013 kaum verändert hatten und auch 2014 erst 35,5 Millionen Euro betrugen, entstanden Jahr für Jahr sogenannte „Ausgabereste“: 2014 blieben fünf Millionen Euro übrig, von denen das Finanzministerium 2013 eine Million wieder einkassierte.

Weitere Informationen zum Fall des Gärtnerplatztheater gibt es hier.

 

Finanzamt München – Wo Arbeit (und Geld) liegen bleibt

 

Der ORH beklagt eine Reihe teils deutlicher Mängel bei Finanzämtern, bei der Steuerfahndung und bei Betriebsprüfungen. Beispielsweise bemängeln die obersten Kassenprüfer "erhebliche Arbeitsrückstände" in einzelnen Bereichen des Finanzamts München. So führe eine zu geringe Prüfdichte bei kleineren und mittleren Arbeitgebern zu jährlichen Steuerausfällen in Millionenhöhe. Zudem seien Anfang 2015 noch 141.000 Einsprüche unerledigt gewesen.

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Defizite sieht der ORH auch bei der Außenprüfung sogenannter bargeldintensiver Betriebe (etwa Gastronomie, Friseure). Der ORH mahnt: "Die festgestellten Arbeitsrückstände müssen zügig abgebaut werden." Schließlich treibe allein das Münchner Finanzamt "36 Prozent des bayerischen Steueraufkommens" ein.

 

Staatliche Forstverwaltung – Millionen für Motorsäge-Kurse

 

Was es alles (noch) gibt im Freistaat: Seit 2011 hat die staatliche Forstverwaltung flächendeckend 3.360 meist zweitägige Motorsägekurse für Waldbesitzer angeboten. Dafür wurden fast 83.000 Arbeitsstunden aufgewendet. Die von den Prüfern ermittelten Gesamtkosten belaufen sich auf mehr als 3,2 Millionen Euro. Die Kurse seien notwendig, um Unfälle zu vermeiden, heißt es bei der Behörde.

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Der Oberste Rechnungshof sieht das allerdings anders: "Nach Auffassung des ORH ist es nicht Aufgabe einer staatlichen Verwaltung, Privatpersonen in Theorie und Praxis der Handhabung technischer Geräte zu unterweisen." Das Angebot der Forstverwaltung gehöre deshalb eingestellt.

 

Staatsgemäldesammlungen – Zu viel Gehalt für die Mitarbeiter

 

An den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (dazu gehören etwa die Pinakotheken) mit ihren 1.000 Mitarbeitern haben die Prüfer ebenfalls etwas auszusetzen: Bei der Überprüfung von 200 Personalfällen, heißt es im Bericht, habe es 277 Beanstandungen gegeben: "Hauptursache dafür waren die mangelhaften Feststellungen der Entgeltgruppen."

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Der Rechnungshof ermittelte Fehlzahlungen von insgesamt 5,8 Millionen Euro, vor allem Über- und nur in geringem Umfang Unterzahlungen an die Mitarbeiter. Pro Monat gingen so rund 48.000 Euro flöten. Der Fall sei eilig, denn Überbezahlungen können nur binnen einer Frist von sechs Monaten zurückgefordert werden. Die Verwaltung räumt übrigens ein, es gebe einen "bestehenden und tradierten Strukturmangel".

 

ORH-Fazit – Bayern soll mehr sparen und zugleich mehr investieren

 

Der ORH fordert die Staatsregierung zu mehr Sparsamkeit auf. Das Ziel, sämtliche Schulden bis zum Jahr 2030 abzubauen, könne "nur im Zusammenwirken von Ausgabendisziplin und Schuldentilgung erreicht werden".

Deshalb sei die Ausgabensteigerung in künftigen Haushalten zu begrenzen, und es müssten auch weiterhin Schulden getilgt werden. Insgesamt lobt der ORH, dass die Regierung bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2015/16 mit einem positiven Finanzierungssaldo geplant habe – dass also die geplanten Ausgaben die geplanten Einnahmen nicht übersteigen. Der Nachtragshaushalt für dieses Jahr sehe nun aber ein negatives Saldo von 2,1 Milliarden Euro vor. Das werde mit nicht vorhersehbarem Mehrbedarf im Asylbereich begründet; Hintergrund sind die hohen Flüchtlingszahlen. Insoweit seien die Gründe dafür nachvollziehbar.

Gleichzeitig beklagt der ORH allerdings auch zu geringe Investitionen und mahnt: "Das Unterlassen von Investitionen kann zu einem dauerhaften realen Vermögensverlust führen. Für das Staatsvermögen sind zu geringe Investitionen in die Infrastruktur gleichbedeutend mit einer öffentlichen Verschuldung."

Das ruft die Opposition auf den Plan. Der "unverantwortliche Sanierungsstau" sei eine verdeckte Staatsverschuldung, die Finanzminister Markus Söder (CSU) kommenden Generationen aufbürde, erklärte SPD-Haushaltsexperte Volkmar Halbleib: Es mache keinen Sinn, Schulden zu tilgen, wenn zugleich "der Zustand der Staatsstraßen und Brücken ständig schlechter wird".

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