Chef der Wiesnwache verrät Razzia - und wird befördert
München – Nur eine Handvoll der höchsten Beamten an der Spitze des Polizeipräsidiums waren informiert. Eine Anfrage der Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze im Landtag brachte die Affäre um Geheimnisverrat nach zwei Jahren jetzt doch noch ans Licht. Trotz eines laufenden Strafverfahrens gegen den betreffenden Beamten wurde er zum Polizeidirektor ernannt.
Im Oktober 2018 machten Polizei, Zoll und Steuerfahndung eine Razzia im "Winzerer Fähndl". Die Ermittlungen richteten sich gegen den Chef einer Reinigungsfirma. Die Beamten durchsuchten das Festzelt und nahmen den Geschäftsführer der Reinigungsfirma fest.
Was zu diesem Zeitpunkt keiner ahnte, die Razzia war vorab verraten worden - von jemandem aus den eigenen Reihen. Der Wirt des Winzerer Fähndl hatte einen Tipp bekommen, wie die "SZ" zuerst berichtete. Nicht von irgendwem, sondern ausgerechnet vom Chef der Wiesnwache höchstpersönlich
Das Landgericht München verurteilte den Betreiber der Reinigungsfirma im Februar 2020 schließlich wegen Steuerhinterziehung, Vorenthaltens und Veruntreuens von Löhnen, vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, vorsätzlichen Bankrotts und vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflichten zu viereinhalb Jahren Haft.
Welche Rolle der Chef der Wiesnwache im Vorfeld der Razzia gespielt hatte, erfuhr die Öffentlichkeit in dem Verfahren allerdings nicht.
Der Polizeioberrat wird unauffällig ins Präsidium versetzt
Die Staatsanwaltschaft nahm 2018 unmittelbar nach der Durchsuchung des Festzelts zusammen mit dem LKA Ermittlungen gegen den Chef der Wiesnwache auf, wie Oberstaatsanwältin Anne Leiding auf Anfrage der AZ bestätigte. Das Polizeipräsidium wurde wenig später, im November 2018, über den Fall informiert.
Ohne groß für Aufsehen zu sorgen, löste das Präsidium den Chef der Wiesnwache 2019 ab. Seit Juli 2020 arbeitet der Beamte in der Abteilung Einsatz im Präsidium, wie ein Polizeisprecher gestern auf Anfrage mitteilte. Im April wurde der Ex-Chef der Wiesnwache zum Polizeidirektor befördert.
Wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses erging im August 2020 gegen ihn ein Strafbefehl. Den der Beamte auch akzeptierte. Der 50-Jährige bezahlte die festgesetzte Geldstrafe von weniger als 90 Tagessätzen. Damit gilt der Beamte nicht als vorbestraft. Dem Beamten bleibt ein öffentliches Gerichtsverfahren erspart, dem Präsidium negative Publicity.
Üblicherweise wird in so einem Fall zudem ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Ob es Konsequenzen für den 50-Jährigen hat, ist unklar. Das Präsidium wich Nachfragen aus und teilte lediglich mit, man prüfe den Vorfall. "Eine abschließende Entscheidung der Disziplinarbehörde zum Sachverhalt steht hierzu noch aus", so ein Sprecher. Der Sachverhalt werde "dienstaufsichtlich gewürdigt", so eine Stellungnahme des Innenministeriums.
Katharina Schulze: "Vorgang ist ungeheuerlich"
Katharina Schulze (Grüne) bezeichnete den Vorgang als "ungeheuerlich", wie aus "schlechteren Krimis". Es sei "ein Schlag ins Gesicht" aller an dieser Durchsuchungsaktion beteiligten Beamten. "Wie soll die Polizei erfolgreich gegen Kriminalität vorgehen, wenn ihr aus den eigenen Reihen Knüppel zwischen die Beine geworfen werden?"
Nach dem Skandal um antisemitische Nachrichten in einem Chat von USK-Beamten und dem Kokain-Skandal, in den rund 20 Beamte des Präsidiums verwickelt sein sollen, ist der Geheimnisverrat durch einen ranghohen Polizisten nunmehr der dritte Skandal im Präsidium seit Ende 2019.
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