Rauschmittel bei Razzia gefunden: Wie tief reicht der Drogensumpf bei der Polizei?

München - Nach der jüngsten Razzia in den eigenen Reihen stehen Beamte der Münchner Polizei gewaltig unter Druck. "Es wurden dabei weitere Drogen und umfangreiches Beweismaterial sichergestellt", sagte die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München I, Oberstaatsanwältin Anne Leiding.
Drogen-Polizisten: Kommen noch weitere Verdächtige hinzu?
Die beschlagnahmten Beweismittel werden nun ausgewertet, was noch einige Tage in Anspruch nehmen wird. Welche Drogen und welche Mengen bei den unter Verdacht stehenden Polizisten gefunden wurden, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag nicht mit.
Derzeit ermittelt beim Landeskriminalamt die Arbeitsgruppe "Nightlife" zusammen mit der Staatsanwaltschaft gegen 21 Beamte. Es könnten allerdings noch mehr Verdächtige werden.
"Die Ermittlungen werden ergeben, ob es noch mehr Fälle gibt", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Rande eines Termins im Präsidium. "Handydaten werden ausgewertet, dann wird sich herausstellen, ob noch jemand Freund des Kokains ist", so der Minister auf Nachfrage der AZ.
Am Mittwoch hatten rund 170 Ermittler eine groß angelegte Drogen-Razzia in Dienststellen und Privatwohnungen von Polizisten durchgeführt – vor allem in und um München.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und das Antidopinggesetz. Zudem geht es in einigen Fällen um Strafvereitelung. Besonders gravierend ist der Vorwurf der Verfolgung Unschuldiger.

Polizei-Gewerkschafter Köhnlein spricht von "Rattenschwanz"
Auch bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) fürchtet man, dass es womöglich noch mehr Fälle gebe als bisher bekannt. "Bei Ermittlungen zu Drogendelikten ist es eigentlich so, dass immer sehr viele Nachfolgedelikte bekannt werden. Da ist ein Rattenschwanz dran", sagt der Chef des bayerischen DPolG-Landesverbandes, Jürgen Köhnlein.
Das Polizeipräsidium hat am Mittwoch fünf Polizisten vom Dienst vorläufig suspendiert. Acht Polizeibeamte sind bereits seit längerem suspendiert. Andere wurden in den Innendienst versetzt.
Grünen-Politikerin Schulze vermutet "unkontrollierte Gruppe"
Der Polizei-Skandal schlägt auch politisch Wellen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Katharina Schulze, forderte eine "rasche und umfangreiche Stellungnahme" von Innenminister Herrmann im Innenausschuss des Landtags.
"Neben dem nicht hinnehmbaren Drogenhandel wiegen vor allem die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs durch Verfolgung Unschuldiger schwer", sagte Schulze. Die Fraktionschefin der Grünen warf zudem Fragen nach der "Führungskompetenz" in der Behörde auf.
Die große Zahl der eingeweihten oder beteiligten Polizistinnen und Polizisten sei schockierend, so Schulze. "Da hat sich offensichtlich unbemerkt und vor allem unkontrolliert eine kriminelle Gruppe innerhalb der Polizei gebildet und sich gegenseitig gedeckt", vermutet die Grünen-Politikerin.
Polizeipräsident Andrä: "Es gibt kein Führungsproblem"
Polizeipräsident Hubertus Andrä betonte am Donnerstag: "Es gibt kein Führungsproblem". Ändrä, der im Herbst in Pension geht, bezeichnete das Verhalten der verdächtigten Beamten als inakzeptabel, so etwas schädige das Vertrauen in die Polizei.
Innenminister Joachim Herrmann sagte, er stehe voll und ganz hinter den Ermittlungen. Er habe keine Zweifel daran, dass die Angelegenheit mit aller Konsequenz untersucht werde.