Raus aus Ägypten: „Ich hatte ein Messer neben dem Kopfkissen“

Farouk El-Sayed besuchte seine Mutter in Ägypten und erlebte das dortige Chaos. Jetzt ist er froh, mit seiner Familie wieder in München zu sein
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Der Ägypter hat mit Ehefrau Angelika zwei Kinder und lebt seit 34 Jahren in München.
AZ / Imago Der Ägypter hat mit Ehefrau Angelika zwei Kinder und lebt seit 34 Jahren in München.

MÜNCHEN - Farouk El-Sayed besuchte seine Mutter in Ägypten und erlebte das dortige Chaos. Jetzt ist er froh, mit seiner Familie wieder in München zu sein

AZ: Herr El-Sayed, sind Sie froh, wieder in München zu sein?

FAROUK EL-SAYED: Ja, ich hatte große Angst um meine Frau und meine Kinder. Es war schrecklich. Kampfjets flogen tief über der Stadt. Wir haben im Stadtteil Heliopolis jeden Abend Schüsse gehört, auch von Maschinengewehren. Mein Sohn Leonhard hat geschrien: „Papa, wer schießt denn da?“ Niemand wagte es mehr, auf den Balkon gehen – aus Angst, erschossen zu werden.

Hatten Sie auch Angst vor Plünderern?

Vor der Wohnung meiner Mutter standen die Menschen mit Messern und Stöcken auf der Straße, um ihre Häuser gegen Plünderer zu verteidigen.

Anfangs hielt ich die Reaktion für übertrieben. Aber dann habe ich Sofa und Sessel vor die Wohnungstür geschoben und mir ein Küchenmesser neben das Kopfkissen gelegt.

Was haben Sie von den Demos mitbekommen?

Einer meiner Brüder arbeitet im Zentrum. Als er aus dem Büro kam, hatten die Polizisten in der ganzen Stadt Tränengas eingesetzt. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Seine Augen waren ganz geschwollen und rot, als er nach Hause kam.

Wie ist die Stimmung auf der Straße?

Keiner traut mehr dem anderen. Die Polizei ist komplett aus dem Stadtbild verschwunden. Sie mischen sich jetzt in zivil unter die Demonstranten und lauschen: Was erzählt der da?

Wie war das, als Sie ausgeflogen wurden?

Ich hatte bis zur letzten Minute Angst, dass wir doch nicht fliegen können. Es war alles ganz chaotisch. Tausende Leute saßen am Flughafen ohne Ticket, nur mit ihrem Pass und wollten raus aus Kairo. Das Schlimmste war, dass es am Flughafen nichts mehr zu trinken oder zu essen gab. Ich habe bei Burger King um ein paar Pommes für meinen Sohn gebeten. Es gab aber nichts mehr.

Machen Sie sich Sorgen um Ihre Mutter?

Sie hat mir versprechen müssen, bis Ende der Woche das Haus nicht zu verlassen. Ich mache mir am meisten Sorgen darüber, dass meine Mutter nicht genug zu essen hat. In der ganzen Stadt gibt es fast kein Brot mehr. Alle Bäckereien sind geschlossen. Die großen Einkaufszentren sind geplündert.

Was glauben Sie – wie geht es weiter?

Mubarak war einst ein großer Held für mich – und er sollte als solcher den Weg für mehr Demokratie und Freiheit ebnen. Ich denke, in einer Woche ist er weg, und der bisherige Geheimdienst-Chef Omar Suleiman wird neuer Präsident. Ich weiß nur nicht, ob die Mehrheit der Ägypter damit zufrieden ist. Was dann kommt, weiß ich nicht. Interview: Sylvia Petersen

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