Rathaus lässt erstmals Touristen ins Innere blicken

München - Herr Roßner aus Kirchheim hat die Meldung in einem Anzeigenblatt entdeckt. Frau Pursiainen aus Finnland sah sie in der Abendzeitung. Und das Ehepaar Züger aus der Schweiz? Ist zufällig in das kleine Grüppchen am Marienplatz hineingestolpert. Die Leute umringen eine Dame, die ein Schild hochhält: „Rathausführung“ steht in großen Lettern drauf.
Was für ein Glücksfall für die München-Gäste: Es ist das erste Mal, dass die Stadt das Neue Rathaus, eines der meist fotografierten Gebäude der Welt, für eine normale Touristenführung öffnet. Nur ein paar wenige Sondertermine für besondere Gruppen gab es bislang. Weshalb immer wieder neugierige Franzosen, Amerikaner oder Japaner in laufende Stadtratssitzungen geplatzt sind (AZ berichtete im Juli – mit den schönsten Fotos aus dem Rathaus auf einer Panoramaseite).
Seit Montag gibt es Führungen in Münchens Zentrum der Macht nun regelmäßig, vier Mal die Woche, organisiert vom Tourismusamt. Und was das erste Grüppchen zu sehen bekommt, lässt die Gäste staunen, schmunzeln – und eine Menge über Münchens Geschichte lernen.
Sie erfahren, dass das prächtige Gebäude (fertiggestellt 1909) erst an die 100 Jahre alt ist, obwohl es mit seiner neugotischen Fassade viel älter anmutet. Dass es beinahe ein Renaissance-Gebäude geworden wäre. Mit nur einer Stimme Mehrheit hatte sich der Stadtrat 1867 für den Entwurf des nur 25 Jahre alten Architekturstudenten Georg von Hauberrisser entschieden. Sie hören, warum das Münchner Kindl, das von der Turmspitze auf die Stadt herunterschaut, so aussieht, wie es aussieht: Schöpfer Anton Schmid hat einfach das Gesicht seines kleinen Sohnes Ludwig darin verewigt.
Über den Prunkhof führt Gästeführerin Gaby Mannschatz die Gruppe in den ersten Stock und auf die prominenteste Freiluft-Terrasse Münchens: den Rathausbalkon, auf dem die Stars vom FC Bayern sich bei Meisterfeiern von ihren Fans bejubeln lassen. „Der Blick da runter – eine Wucht!“, meint Klaus Roßner.
Beinahe sprachlos sind die Gäste, als sie in die wuchtigen Sitzungssäle der Stadträte treten. Die Lüster an der Decke, das riesige Gemälde von der „Monachia“ über den Ratssitzen, die bleigefassten Glasgemälde in den Fenstern.
Dann die Juristische Bibliothek mit ihren 10 000 Büchern und ganz im Jugendstil gestaltet. Und am Ende ein Blick ins Vorzimmer des Münchner Oberbürgermeisters. Immerhin: Die Vorzimmerdame von Dieter Reiter hat ganz herzlich Hallo gesagt.