Rasant, diese Rosen vom Viktualienmarkt

Es müssen ja nicht immer nur die roten Rosen sein.“ Die Standl-Frau vom Viktualienmarkt und der Händler vom Blumengroßmarkt sind sich einig. „Aber zum Valentinstag sind sie natürlich der Renner.“ Dabei wissen die wenigsten: Die Blumen kommen aus exotischen Ländern zu uns.
von  Abendzeitung
Bei Erikas Standl auf dem Viktualienmarkt werden auch fair gehandelte Rosen verkauft – sie sind nach wie vor die Lieblingsblumen der Deutschen.
Bei Erikas Standl auf dem Viktualienmarkt werden auch fair gehandelte Rosen verkauft – sie sind nach wie vor die Lieblingsblumen der Deutschen. © Ronald Zimmermann

MÜNCHEN - Es müssen ja nicht immer nur die roten Rosen sein.“ Die Standl-Frau vom Viktualienmarkt und der Händler vom Blumengroßmarkt sind sich einig. „Aber zum Valentinstag sind sie natürlich der Renner.“ Dabei wissen die wenigsten: Die Blumen kommen aus exotischen Ländern zu uns.

Lothar Weidner, einer der fünf Schnittblumenhändler auf dem Münchner Blumengroßmarkt, zeigt auf mehrere Kübel mit langstieligen roten Rosen: „Red Naomi und Grand Prix, das sind zurzeit die Favoriten.“ Die beiden Sorten sind mit das Edelste, was zum „Tag der Liebenden“ in die Blumenläden kommt: 70 bis 90 Zentimeter lang und mit einer Blüte so groß wie eine Kinderfaust, die Blütenblätter dicht an dicht, samtig und leicht geöffnet, dunkelrot wie ein guter Wein. Der Preis, den sie beim Blumenhändler kosten wird, ist dementsprechend: „Unter fünf Euro wird da nichts gehen“, bestätigt Melanie Lawitschka, Blumenhändlerin in Karlsfeld und mit ihrer Mutter morgens um kurz vor sechs beim Einkauf.

„Am 14. kaufen wir nur noch das Nötigste, für uns hat das Geschäft schon am Montag begonnen.“ Für die Händler für Schnittblumen ist der Valentinstag eines der wichtigsten Daten im Jahr, auch wenn sie ihn nicht erfunden haben (s.Kasten): „Allein hier in München gehen jetzt etliche hunderttausend Rosen weg“, rechnet Günther Herzog, Marktleiter beim Münchner Blumengroßmarkt, vor. „600 Käufer haben wir zurzeit täglich, an einem normalen Morgen sind es nur zwischen 250 und 300“.

Aus Ecuador oder Kolumbien

Vom Großmarktgelände aus werden Floristen im Umkreis von 250 Kilometern beliefert. „Im Westen ist der nächste Standort Stuttgart, im Norden Nürnberg, nach Osten und Süden sind es Wien und Verona“, ist Herzog sichtlich stolz. Diese letzten Kilometer sind sicherlich der Teil des Weges, für den die edlen Blüten am längsten brauchen. Denn gewachsen sind sie in Ecuador oder Kolumbien, weniger prominente Exemplare kommen vor allem aus Kenia. Neben diesen drei Haupt-Produktionsländern kommen Schnittblumen in kleineren Mengen aus Spanien, Frankreich und vor allem Italien, werden aber auch in Zimbabwe, Israel, Äthiopien und Südafrika hergestellt. Und natürlich in den Niederlanden. Dort finden sich nicht nur große Farmen, vor allem ist der Land die wichtigste Drehscheibe im Welt-Blumenhandel. Die sieben Großmärkte, die in der Firma „FloraHolland“ zusammengeschlossen sind, handeln täglich über 43 Millionen „Stiele“, wie es in der Branche heißt.

Der größte Blumengroßmarkt der Welt im holländischen Aalsmeer bedeckt nicht nur eine Fläche von 99 Hektar und ist damit das größte Handels-Gebäude der Welt, er ist nebenbei auch eine bedeutende Touristenattraktion: täglich schauen Hunderte zu, wenn bei dutzenden von Auktionen gleichzeitig alle möglichen Blumen aus der ganzen Welt den Besitzer wechseln. Deutschland ist mit 40 Euro pro Kopf (3,5 Milliarden Euro pro Jahr) eines der Hauptabnehmerländer für Schnittblumen – und die Lieblingsblume der Deutschen ist mit großem Abstand die Rose.

„Diese Rosen hier kommen aber nicht aus Aalsmeer“, sagt Lothar Weidner. „Sie werden direkt aus dem Flugzeug gehandelt. Es gibt spezielle Firmen, mit denen telefonieren wir etliche Male am Tag. Die erfahren, was ins Flugzeug geladen wurde, welche Qualitäten vorhanden sind und zu welchen Preisen. Und so wissen wir auch, was wir bestellen.“ n sie dann unterwegs. Damit ist der BlumenmarkDie Lieferungen kommen in speziellen Frachtflugzeugen, aber auch mit allen normalen Touristen-Flügen nach 12 Stunden entweder in Amsterdam-Schiphol oder in Frankfurt an, die Blumen werden umgeladen, und die Speditionen liefern sie gegen Mitternacht in München an. Dort landen sie erstmal in der Kühlung: „Auf der ganzen Strecke von der Farm in Ecuador bis hierher herrscht eine Temperatur zwischen vier und sechs Grad,“ so Großmarktleiter Herzog. „Zwei Grad wären auch noch möglich“, ergänzt Weidner.

Ein Tag unter Hochspannung

Nur 48 Stunden waret der schnellste der Welt – jedenfalls, was reale Güter betrifft. Nicht nur für die Blumenhändler in Europa, den USA und mittlerweile sogar in China ist der 14. Februar ein Tag unter Hochspannung. Auch für die Arbeiterinnen auf den Farmen, ob in Südamerika oder in Afrika, ist die Zeit bis kurz vor dem Valentinstag Valentinstag der pure Stress. Es sind insgesamt rund 200000 Menschen, die überwiegende Mehrheit Frauen, die dafür sorgen, dass in unseren Wohnzimmern die schönen Sträuße unsere Laune verbessern. Ihre Arbeitsbedingungen sind hart: sieben Tage die Woche, vor den großen Absatztagen wie dem Valentinstag auch schon mal 36 Stunden am Stück. Ihr Lohn liegt bei einem Cent pro Blume, nur 15 Prozent des Preises für eine 2-Euro-Rose gehen überhaupt an die produzierende Farm – die von diesen 25 Cent nicht nur die Arbeiterinnen, sondern auch die Bewässerung, die Heizung und Kühlung der Gewächshäuser, die Düngemittel und Pestizide und nicht zuletzt auch die Pflanzen zahlen muss – und die schließlich auch noch Gewinn macht.

Neben den geringen Löhnen und dem günstigen Klima gibt es aber noch einen weiteren Faktor, der mithilft, dass zum Beispiel in den ecuadorianischen Anbaugebieten rund um den Äquator die Blüten richtig prall und die Stiele lang und elegant werden: Pestizide. Die großflächige Verwendung ist der Grund dafür, dass Schnittblumen, die zu uns importiert werden, nicht in den Kompost gehören. Und trotz aller Beteuerungen der Branche: ohne massiven Einsatz sowohl von Düngern als auch von Pflanzenschutzmitteln und Insektiziden läuft gar nichts.

Susan Haffmans, Expertin beim „Pestizid Aktions-Netzwerk“ (PAN, www.pan-germany.org) in Hamburg, berichtet von Studien an Kindern und Erwachsenen in den Blumenanbaugebieten von Ecuador, nach denen viele Kinder körperlich auffällig sind und sowohl bei Männern als auch vor allem bei Frauen Fruchtbarkeitsstörungen zu beobachten sind. Eines der vielen gegen Insekten eingesetzten Gifte heißt Endosulfan und ist seit 1956 zugelassenes Pestizid, heute hergestellt unter anderem von der deutschen Firma Bayer Pflanzenschutz. „Schon öfter“, Susan Haffmans weiter, „kam es zu schweren Vergiftungen und Todesfällen.“ „Normalerweise unterliegen solche Stoffe sehr strengen Auflagen, was die Sicherheit der Anwenderinnen und Anwender betrifft, aber in den Ländern des Südens ist eine ,sichere Anwendung’ oft schon alleine aufgrund fehlender Schutzbekleidung nicht möglich“, stellt sie fest.

Natürlich soll man solche Rosen nicht essen – aber soll man sie überhaupt noch kaufen? „Ja, denn sie geben uns Arbeit und ernähren uns.“ Das sagt eine Blumenarbeiterin in Kenia. Und mit ihr, so Gertrud Falk von der Menschenrechtsorganisation FIAN (FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk, www.fian.de) mindestens 20

000 weitere Arbeiterinnen und Arbeiter auf Blumenplantagen weltweit. Die Farmen, auf denen sie Blumen ziehen und ernten, haben sich strengen Regeln unterworfen, um mit einem „Flower Label“ ausgezeichnet zu werden. Es bedeutet, dass auf den zertifizierten Farmen die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter geschützt sind, sie zum Beispiel unbefristete Arbeitsverträge haben, Kinder nicht beschäftigt werden und auch ein Mindestmaß an ökologischen Standards eingehalten werden.

Fair gehandelte Blumen

„Die Blumen, die auf den FLP-Farmen vor allem in Ecuador produziert werden, sind auch nicht teurer als anderswo“, so FLP-Mitarbeiter Ralf Jonas. „Da geht es um sehr hochwertige Produkte und die Hersteller haben gemerkt, dass sie bessere Qualität liefern, wenn ihre Arbeiterinnen gut bezahlt werden.“ Auch die Verkäuferin bei Erikas Blumenstandl auf dem Viktualienmarkt bestätigt die Qualität der fair gehandelten Blumen. Hier haben die FLP-Rosen sogar ein kleines Schildchen. „Die Kunden fragen danach, und die Rosen sind Top-Qualität – und deswegen nicht gerade billig.“ Sie werden, anders als die „fairfleurs“ der Organisation „Fairtrade“, die keine Zwischenhändler haben und nur im Supermarkt zu kaufen sind, auch ganz normal über die üblichen Wege gehandelt. Für die Händler und Käufer am Münchner Blumengroßmarkt ist derweil wichtig, dass ihnen die Valentinstags-Kunden nicht zu Parfüm oder Pralinen abwandern. Für sie zählt: „Blumen sind sexy, Schokolade macht dick!“

Klaus Dreyer

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