Rammstein und München: Das groteske Geisterkonzert

München - Ein geplantes Mega-Konzert von Rammstein an Silvester in München sorgte erst für Wirbel und wurde schließlich abgesagt. Nun stellen die Berliner Musiker rund um Frontsänger Till Lindemann klar, dass sie den Auftritt noch gar nicht zugesagt hatten. "Richtig ist, dass der Band eine grundsätzliche Anfrage hierzu vorlag, nicht für die Theresienwiese, sondern für das Messegelände München", sagte ein Band-Sprecher am Donnerstag. "Es gab weder eine finale Zusage der Band noch einen Veranstaltungsvertrag."
Die Leutgeb Entertainment Group äußerte sich dazu nicht. Sie verwies nur darauf, dass sie sich mit den Behörden einvernehmlich darauf verständigt habe, dass die Zeit bis Silvester nicht ausreiche, um ein Konzert dieser Größenordnung sicher durchführen zu können. "Eine Veranstaltung muss für alle Beteiligten funktionieren, weshalb ich aus Gründen der Vernunft entschieden habe, dass geplante Vorhaben zu beenden", hieß es von Leutgeb, in der exakt gleichen Stellungnahme, die der Veranstalter 48 Stunden zuvor nach dem eigenen Rückzug geschickt hatte.
Die Band Rammstein "sagt nichts ab, weil sie nichts zugesagt hat."
Nach den Plänen des österreichischen Konzertveranstalters sollten 145.000 Menschen auf der Theresienwiese mit Rammstein ins neue Jahr hinüberfeiern. Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) München erhoffte sich Zehntausende Besucher von außerhalb, die für ein paar Tage Hotels und Wirtschaften in der Innenstadt beleben sollten. Der Stadtrat segnete den Veranstaltungsort deshalb auch Anfang August ab, gegen die Stimmen von Grünen, Linken und ÖDP.
"Die Abläufe werden von Seiten der Band als sehr unglücklich bewertet", sagte der Rammstein-Sprecher. So sei der Eindruck entstanden, die Musiker hätten ein Silvesterkonzert in München als bestätigt betrachtet und dies auch selber angekündigt. Das sei nie der Fall gewesen. Auch mit der Absage habe die Band nichts zu tun: "Die sagt nichts ab, weil sie nichts zugesagt hat."
Vorwurf an Baumgärtner: "Veräppelung des Stadtrates"
"Sehr ungewöhnlich", beurteilt Patrick Oginski vom Verband der Münchner Kulturveranstalter diesen Vorgang. "Das stellt die handelnden Personen in ein ungünstiges Licht." Gar von einer "Veräppelung des Stadtrates" spricht Stefan Jagel (die Linke), schließlich war der Stadtrat vergangene Woche extra einberufen worden, weil das von Baumgärtner geführte Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) die Sitzungsvorlage "Rammstein-Silvesterkonzert am 31.12. auf der Theresienwiese" unter Zeitdruck zur Abstimmung bringen wollte. Der angebliche Zeitdruck war schon eine Lüge: Die Stadt Essen hatte bereits 48 Stunden vor der Stadtratssitzung beschlossen, kein Silvesterkonzert von Rammstein veranstalten zu wollen.
"Das wird ein politisches Nachspiel haben müssen", sagt Mona Fuchs, Fraktionschefin der Grünen im Stadtrat. "Das Vorgehen von Herrn Baumgärtner wirft viele Fragen auf und die wird er uns beantworten müssen."
Auch das Kreisverwaltungsreferat nimmt das Statement der Band verwundert zur Kenntnis. "Ich bin überrascht, wieder einmal", sagt Tobias Kapfelsberger vom KVR. Normalerweise treten Veranstalter mit einem fertigen Konzept an das KVR heran, um dann ein Konzert genehmigen zu lassen. Diesmal war es anders.
Politische Schuldzuweisungen
Da die Stadtratsmehrheit aus CSU, SPD, FDP und Bayernpartei für das Rammstein-Konzert auf der Theresienwiese gestimmt hatten, dafür aber von der Leutgeb Entertainment noch kein Konzept vorlag, gab es am Dienstag eine Videokonferenz mit dem möglichen Veranstalter, dem KVR, Polizei, Feuerwehr, Umweltreferat, Wirtschaftsreferat und Rettungskräften. Gute 90 Minuten wären vor allem über die Sicherheits- und Lärmschutzaspekte diskutiert worden, dann habe Klaus Leutgeb signalisiert, kein Interesse mehr an einer Durchführung des Konzertes zu haben. Aber natürlich sei man davon ausgegangen, dass Rammstein grundsätzlich zur Verfügung gestanden habe, sagt Kapfelsberger. "So etwa hinterfragen wir als KVR nicht, das ist auch nicht unsere Aufgabe. Ich rufe ja jetzt nicht Helene Fischer an und frage sie, ob sie weiß, dass sie am Samstag auf dem Messegelände singen soll."
Der Rückzug Leutgebs hatte zu politischen Schuldzuweisungen geführt. So hatte CSU-Chef Manuel Pretzl versucht, die neue KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne) indirekt verantwortlich zu machen: "So ein Verhalten des KVRs habe ich noch nicht erlebt. Offensichtlich weht ein neuer Wind in der Behörde."
In Wahrheit aber hat die Rammstein-Posse mit geltungssüchtigen und semiseriösen Charakteren ein wunderbares politisches Sittenbild Münchens geliefert, für dessen Verfilmung leider Helmut Dietl als Regisseur nicht mehr zur Verfügung steht.